Wieviel öffentliches Interesse muss es denn sein, damit es als öffentliches Interesse gilt?
Die Welt berichtete heute, dass die bayerische Justiz nachzuweisen versuche, dass an strafrechtlichen Ermittlungen gegen Guttenberg kein öffentliches Interesse bestehe:
Die Plagiatsaffäre um Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wird nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ möglicherweise keine strafrechtlichen Folgen haben. Die bayerische Justiz suche derzeit nach Präzedenzfällen, in denen Ermittlungen wegen Urheberrechtsverstößen mangels öffentlichen Interesses eingestellt wurden (...)
Mal abgesehen davon, dass man dafür, kein öffentliches Interesse zu finden schon sehr viel ignorieren muss, nachdem ja die Bild-Zeitung Wochen lang meinte, der massiven öffentlichen Demontage eines Blenders eine ebenso massive Pro-Guttenberg-Kampagne entgegensetzen zu müssen, weiter abgesehen davon, dass es eine öffentliche Demonstration gegen ihn gab und er zu guter letzt selbst ebenso öffentlich irgendwelche Erklärungen abgegeben hat möchte ich zur Sicherheit hiermit nochmal persönlich mein Interesse bekunden:
Ich will das aufgeklärt wissen. Dieser Typ hat einige Jahre von unseren Steuergeldern gelebt, ist durch die Welt geflogen und hat in alle möglichen Kameras jede Menge ärgerlichen Unsinn hineingeredet. Er hat die Öffentlichkeit immer gerne für seine Zwecke genutzt, also hat die Öffentlichkeit jetzt auch ein Recht, zu erfahren, ob seine Dissertation nun wie von ihm zunächst behauptet nur ein paar vergessene Fußnoten enthält sondern eben ein absichtlicher, eindeutiger Betrug, wie es das Ergebnis der Untersuchungen im Internet und der Uni Bayreuth behaupten.
Ansonsten kann die Bayerische Staatsanwaltschaft gerne mal nachschauen, wie groß das öffentliche Interesse allein auf Twitter ist.
Ach ja, und weil ich in den Kommentaren von Spiegel, Welt und Co ständig lese, dass ja für Prozesse gegen Raubkopierer mangelndes öffentliches Interesse angemeldet würde und man sich ja damit widerspräche: Der Vergleich hinkt schon darin, dass ja niemand, der sich irgendwo Musik herunterläd diese unter dem eigenen Namen wiederveröffentlicht. Es geht ja nicht um die Kopie, sondern um Guttenbergs Behauptung, er habe das Kopierte selbst geschrieben.
Update: Das öffentliche Interesse sieht nach 12 Stunden übrigens schon so aus:
9 Kommentare
Kommentar von: Oswald Prucker [Besucher]
Da werden wir wohl tätig werden müssen - in Form von Anzeigen: http://twitter.com/#!/Elfengleich/status/56790699668013056
Kommentar von: micha [Besucher]
‘Dieser Typ hat einige Jahre von unseren Steuergeldern gelebt …’ kriegt er nix mehr weiter? war da nicht was?
Kommentar von: monettenom [Besucher]
Woran erkennt man, dass eine Politikerin oder ein Politiker lügt? Sie, bzw. er bewegt die Lippen. Ist Lügen nicht das Handwerk eines Politiker, so wie das Stehlen das eines Räubers ist?
Die ganze Regierung verstößt regelmäßig gegen die Verfassung, die ja selbst in gewisser Weise eine Lüge ist. Sich wegen so einer Sache, die noch nicht einmal Voraussetzung für sein Amt gewesen wäre, derart aufzuregen, ist fast schon lächerlich.
Guttenberg ist jetzt weg. Er trägt keine gesellschaftliche Verantwortung mehr und richtet keinen weiteren Schaden an. Das Ziel ist erreicht. Warum muss man sich an diesem Thema immer noch aufhängen?
Warum richtet man die Aufmerksamkeit nicht in gleicher Weise auf die Politikerinnen und Politiker, die mit ihren Lügen noch wesentlich größeren Schaden für die Gesellschaft anrichten? Warum fordert man nicht den Rücktritt und eine strafrechtliche Verfolgung von Leuten wie z.B. Merkel, Schäuble, Seehofer und Friedrich?
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
1. Ich kauf dieses “Alle Politiker sind korrupte Schweine” nicht. Das ist pauschalisierender Unsinn und kommt mir viel zu oft als ein Killerargument entgegen, das in Wahrheit nur eine Ausrede dafür ist, nichts tun zu müssen.
2. Warum dranbleiben? Weil man dranbleiben muss. Weil man dinge zu Ende bringen muss. Weil ein Rechtsbruch aufgekärt gehört. Mein Ziel war nie der Rücktritt von Guttenberg, sondern dass er die Verantwortung übernimmt für das was er tut. das sehe ich immer noch nicht, also muss man ihn dazu zwingen, notfalls vor Gericht.
3. Es gibt immer eine große Menge an wichtigen Themen. Dieses Spielchen, sie gegeneinander aufzuwiegen und eine entweder-oder-Argumentation daraus zu machen obwohl es immer ein sowohl-als auch gibt langweilt mich kolossal. Am Ende dieser Kette kommt übrigens “In Afrika verhungern Kinder.”
Ich denke auch, dass es ein öffentliches Interesse an der Aufklärung von Guttenbergs Betrug gibt. Ich hielt und halte seine ganze Art, wie er mit der Sache umgegangen ist und noch immer umgeht, für arrogant und blasiert. Guttenberg konterkariert gerade das, wofür er glaubt einzustehen: Ehrlichkeit. Er hat in seiner Doktorarbeit beschissen und selbst dann, als man ihm auf die Schliche gekommen ist, noch das Gegenteil behauptet. Der Mann sollte politisch erledigt sein.
Aber: ich denke nicht, dass man die Sache strafrechtlich ausfechten sollte. Diese ganzen Urheberrechtssachen werden mir im allgemeinen zu hoch gehangen. Das ist meine Meinung bei anderen Urheberrechtsverletzungen und hier in diesem Fall dann auch mal bei einem unangenehmen Menschen wie Guttenberg.
Worin läge denn auch die strafrechtliche Relevanz seiner Tat?
Ebenso wie Jens ging es mir nie darum, irgendwas zu finden, um den G los zu werden, denn dafür gab es genug Gründe aus seiner Arbeit als Minister heraus [ja, er hat den Job wirklich verdammt mies gemacht]. Eine weitere Verfolgung, auch und gerade strafrechtlich, ist schon deshalb geboten, um anderen zu zeigen, dass solche “Fehler” eben nicht lässliche Sünden sind, über die gutes Aussehen und ein feudalgläubiges Volk hinwegretten.
G hat nicht nur Mist gebaut, er hat vermutlich ganz offensichtlich getäuscht, um sich einen akademischen Grad zu erschleichen. Welche Straftaten genau in Frage kommen und wie die im Kontext zu bewerten sind, das ist Aufgabe der Staatsanwaltsschaft und eines Gerichtes. Weder seine Anhänger noch seine Gegner dürfen da einfach zur Tagesordnung übergehen. Es gilt nicht ‘er muss doch seine Würde behalten dürfen’* noch ‘nun muss aber auch mal gut sein, er hat doch reichlich gelitten’** oder ‘Nu isser weg, jetzt müssen wir den nächsten erlegen’. Letzteres ist so was von [hier bitte Schimpfwort nach Wahl einsetzen].
*Die hat er sowieso nicht [mehr], die hat er alleine verspielt.
**Wie bitte? Was hat er denn verloren? Es geht doch nicht um irgendwelche Posten, deren Verlust ihm auch gar nicht weh tut.
Kommentar von: Kai [Besucher]
Die Fälschung einer Doktorarbeit ist zunächst mal nur eine Angelegenheit zwischen der Universität (vertreten durch die Prüfungskommission) und dem Aspiranten selbst. Insofern sehe ich da kein öffentliches Interesse!
Schließlich reden wir hier nicht von Kapitalverbrechen (soweit ich das überblicken konnte, ist das nicht mal Strafrechtlich relevant, oder?). Auch war der gefakte Doktortitel nicht die Voraussetzung seiner Karriere. Herrje, bis zum Beginn der Affäre wusste ich noch nicht mal, dass er überhaupt einen hat.
Was soll da denn noch kommen? Die Universität hat bereits die Täuschungsabsicht festgestellt und den Titel entzogen. Gutti könnte versuchen zvilrechtlich dagegen zu halten, wird er sich wohl aus guten Gründen verkneifen. Weitere zivilrechtliche Schritte der Uni gegen den Freiherrn sind deren Sache. Wüsste aber nicht worauf die Gründen sollten? Er hat dem Ruf der Uni geschadet oder so? Das haben dir durch ihre lausige Prüfung schon selbst besorgt.
Wie gesagt, wo liegt da ein öffentliches Interesse? Das er deswegen gelogen hat? Pfff, jei, da würde ich mir aber wünschen man würde ihm da was aus seiner Zeit als WI- oder Verteidigungminister nachweisen. Die Doktoratsaffäre war doch nur eine Petitesse, die ein sehr schönes Schlaglicht auf die hochgelobte Moral in den besseren Kreisen warf (Don A. betreibt doch alleine darüber zwei Blogs).
Mir als promovierten Akademiker (Poooooser! Ich weiß :) stieß die ganze Zeit weniger auf, DAS er beschissen hat, als die Art und Weise wie in breitesten Kreisen so mit Wonne auf die Wissenschaft geschissen wurde, um ihn zu verteidigen - bis hin zu Dr. phys. Merkel! Kruzefixhallelujazerlumptvereckades….
@Kai: Titelfälschung ist eine Straftat. Guttenberg hat den Titel schon getragen bevor er ihm offiziell verliehen wurde - so sicher war er sich seiner Sache. Er hat sich den Titel erschlichen, also sehe ich nicht wo er milder behandelt werden sollte als jemand, der sich den Dr. auf die Visitenkarte drucken lässt ohne erst mal eine gefälsche Arbeit abzugeben.
Darüberhinaus hat die Affäre Guttenberg dem Ansehen der deutschen Wissenschaft und den von deutschen Universitäten verliehenen Titeln international extrem Schaden zugefügt. Wenn das kein Grund für öffentliches Interesse ist, weiss ichs auch nicht.
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Der Vergleich mit Raubkopierern ist pillepalle. Gutti war Minister in einem sehr sensiblen Bereich. Da darf man moralische Maßstäbe anlegen und muss dies sogar. Abgesehen: Er ist eine Person des öffentlichen Interesses, das ist Klein-Otto der Raubkopierer eben nicht.