Das Ende der Generation Karriereplan
Wir erleben in den letzten knappen zwei Jahren ein paar interessante Einblicke in das Weltbild und die Entscheidungsmechanismen eines nicht gerade kleinen Teiles meiner Generation - also der Generation, die momentan um die vierzig Jahre alt ist.
Frank Schirrmacher vertritt die Meinung, dass es sich bei Wulff, wie bei Guttenberg und den anderen Doktorarbeits-Betrügern und bei den vielen anderen Klientel- und Seilschaftspolitikern wie Schröder, Wester… - ach was, eigentlich der kompletten FDP deren Protagonisten irgendwie ja schon geradezu einem Idealtypus dieses Menschentyps entsprechen - nicht um irgendwie moralgestörten Einzelfälle handelt sondern um Vertreter eines durchaus etablierten Politikertyps mit einem festen Selbstverständnis, das ihre Handlungen vor ihnen rechtfertigt. Denn bei den Mauscheleien, bei denen man sie erwischt, handelt es sich schlicht um den logisch dazugehörigen Politiksstil. Ich finde ja, er hat Recht, ich glaube aber auch, dass er da noch ein bisschen zu kurz gesprungen ist. Ich denke, das ist nicht nur ein Politikstil, sondern ein ganzer Lebensstil. Der wiederum ist Ausdruck eines kompletten Weltbildes, innerhalb dessen diese Leute genau den Mechanismen und Regeln folgen, von denen sie überzeugt sind, dass diese sie in ihrer Welt am erfolgreichsten werden lässt.
Wir anderen aus dieser Generation kenne die schon länger. Wir kennen die schon aus unserer Schulzeit und die waren genau die Mitschüler, die sich immer mit dem System gut gestellt haben. Die genau hingeschaut haben, wer ihnen nutzen kann und die immer versucht haben, sich mit denen zu verbrüdern, damit sie ihnen bei den Hausaufgaben und Referaten helfen oder besser, sie ihnen gleich fertig erstellen im Tausch mit meistens materiellen Vorteilen und Gefallen. Insgesamt kamen diese Mitschüler relativ konservativ rüber, allerdings täuschte das - Konservativ waren nur ihre Ansichten zu Frauen und Beziehungen (denn wenn man Frauen aus der Karrieregleichung lässt hat man gleich schon viel weniger Konkurrenz) und ihre Ablehnung von jeder und jedem anderen, der auch nur den Ansatz einer Nonkonformität zu ihrem recht einfachen Wertekanon zeigte.
Die Einfachheit des Kanons war aber wichtig, denn sie war Grundlage für ihren Lebensentwurf. Der Mittelpunkt dieses Lebensentwurfes bildete und bildet die "Karriere". Wir hatten damals in unserer Klasse nur sehr wenige dieser Spezies, aber schon in der nach uns und vor allem dann in der nochmals drunter rannten sie herum: Die Hemdträger, die mit Aktenkoffer in die Schule kamen und ihre Sozialkontakte nach den Chancen für die Verbesserung ihres Status auswählten. Die, deren Ellenbogen man spürte, wenn man in eine Konkurrenzsituation mit ihnen geriet und deren vordergründiger Konservatismus sich schnell als Blendwerk herausstellte unter der sie die Skrupellosigkeit verbargen, mit der sie jeden Vorteil nutzen, egal wem er zum Nachteil gereichte. Bis hin zum Abschreiben, Stehlen der Arbeit anderer, Mobbing und völlig offen zur Schau gestellter generellen Rücksichtslosigkeit - Rücksicht bringt einen ja nicht "an die Spitze" und da wollten sie alle hin.
Was in unserem Weltbild also Methoden der Korruption sind, sind in ihrem Weltbild logische und legitime Mittel und Methoden zum Zweck. Der Karriereplan sieht eine Richtung vor - an die Spitze. Dazu benötigen sie: Ein BWL-Studium, einen Doktor und eine Seilschaft (sie nennen es Netzwerk oder gerne auch Freundschaften) von anderen Leuten, mit denen Abhängigkeiten einzugehen es sich für sie lohnt und Leuten, die sie von sich abhängig machen. Je schneller sie das alles erreichen desto schneller wandern sie auch Posten für Posten die Karriereleiter nach oben. Woran man diese Karrieristen gut erkennen kann ist, dass sie nie eine wirklich erkennbare Qualifikation für diese Posten haben - das würde ja auch die Optionen schmälern. Wie kann ein Gesundheitsminister denn auch sonst direkt Finanzminister werden? Oder ein Privatier Finanzminister? Oder ein Finanzminister Verteidigungsminister? Oder wie kann sonst ein unglaublich teuerer Bahnhof gebaut werden, der offensichtlich jeder Vernunft widerspricht, ausgenommen der der Gewinnmaximierung derjeniger Personen, die die Entscheidung, diesen Bahnhof zu bauen durch alle Instanzen getrickst haben? Aber wie gesagt, das ist nicht nur Politik. Es gibt Vorstandskarrieren, bei denen es ja inzwischen auch völlig egal ist, ob die Firma unter ihnen Autos herstellt oder Putzmittel oder Bücher. Mit dem eigentlichen Thema muss sich anscheinend keiner auskennen und nach zwei Jahren macht man eh wieder was anderes.
Eine interessante Frage ist natürlich, wie sich ein solches System trägt. Die Antworten darauf: Weil es natürlich dennoch die Leute gibt, die wirklich qualifiziert sind. Weil es die Leute gibt, die solidarisch sind und die denen die Themen wichtig sind, die für eine funktionierende Gesellschaft unabdingbar sind. Weil die tragenden Teile eines Ausbeutungssystems "alternativlos" gemacht werden, indem man alle vorhandenen Voraussetzungen für Alternativen abschafft. Auch weil nicht alle Hierarchien komplett mit Karrieristen kontaminiert sind sondern weil es auch Entscheidungsträger gibt, die ihre Aufgabe ernst- und wahrnehmen. Und weil die Karrieristen mit ihrem minimalistischen Weltbild und ihren allein auf das persönliche Fortkommen optimierten (sie würden es "gestreamlined" nennen) und dadurch leider sehr effizienten Methoden bei weitem nicht die Mehrheit sind. Sie hatten aber leider längere Zeit freie Bahn und dadurch nun einen ordentlichen Vorsprung.
Dieser Vorsprung schmilzt aber gerade in den letzten zwei Jahren sehr stark dahin, denn es passiert gerade etwas, was bislang nur so selten geschehen ist, dass es das System nicht bedrohte: Ihre Korruption fliegt auf. Nicht nur bei Einzelpersonen - das gabs früher schon und war meistens auch Systeminhärent, denn auch die Intrige und das "Abschießen" von anderen Karrieren gehört zu den Methoden dieser Generation Kohl. Sich gegen seinen "Abschuss" zu wehren gibt es auch Methoden: Am bekanntesten sichtlich das von Kohl gelernte Aussitzen. Das macht uns die Politik gerade im Falle des Staatstrojaners vor, der auf Grund seiner technischen Sperrigkeit schwer zu erklären ist und somit prädestiniert dafür ist, sich einfach nicht dazu zu äußern. Dann kennen wir die Salamitaktik - scheibchenweise und langwierig nur das zuzugeben, was man nicht mehr abstreiten kann und hoffen, dabei so viel Zeit zu gewinnen, dass das Interesse nachlässt so lange man noch im Sessel sitzt. Guttenberg hats damit versucht, Wulff versucht es gerade auch damit.
Vor 15 Jahren hätte das funktioniert. Heute nicht. Was hat sich also geändert? Das kann man an Guttenberg erklären, denn das interessante an diesem Fall ist ja, dass es nicht funktioniert hat - sogar im Gegenteil. Der erste Grund: Nicht eine andere Seilschaft hat ihn gefällt, sondern "wir" waren das. Er verstand zwar, was da passierte aber nicht durch wen und so verwechselte er uns - in seiner Welt existieren wir ja nicht, zumindest nicht als diejenigen, die Macht ausüben. In seiner Welt sind wir diejenigen, die gelenkt werden von denen wie ihm. Seine Verteidigungsmaschinerie bot also alles auf, was sich gegen politische Gegner in Stellung bringen lassen konnte und das waren Maßnahmen, die die öffentliche Meinung auf seine Seite bringen sollten: Die Bildzeitung schrieb wochenlang Jubelartikel über ihn, er inszenierte staatstragende Pressekonferenzen, er stellte sich als Verfolgter und als Opfer hin. Vor uns. Dummerweise waren wir aber diejenigen, die ihn angeklagt hatten, nicht irgendein anderes Karrierenetzwerk. Das führte natürlich dazu, dass jeder statt einem guten Politiker vorgeführt bekam, wie Korruption aussah und wie sie sich verhielt.
Der zweite Grund: Das Internet. Oder genauer gesagt, dass das Internet uns eine Vernetzung ermöglicht und einen ungelenkten Wissens- und Informationsaustausch, der nicht mehr von Gatekeepern kontrolliert wird. Die Vernetzung verwenden wir allerdings nicht dazu, geheime Korruptions-Seilschaften zu bilden sondern in Verbindung mit Hilfe des freien Flusses und Austausches von Informationen, um Transparenz zu erzeugen.
Offensichtlich sind die Privilegien, die sich diese Generation selbst geschaffen hat, in der Transparenz nicht belastbar. Offensichtlich haben wir es satt, diesen Leuten zu erlauben, uns ihre Weltsicht aufzudrücken, in der sie die wertvollen Menschen sind und wir die anderen. Der erste Schritt ist, zu bemerken, dass man Ihre Karrieremodelle nicht mehr tragen will und ihr Spiel nicht mehr mitspielen mag, das vielen Menschen vorgaukelte, es gäbe lediglich die zwei Möglichkeiten entweder vor ihnen beiseite zu treten oder ihre Ellenbogen zu spüren. Vielleicht merken gerade sehr viele Menschen, dass wir die nicht brauchen. Vielleicht erkennen wir, dass wir nicht mit der Hilfe der richtigen Beziehungen, dem Aufbau und Ausnutzen von Abhängigkeiten. Intrigen und Mobbing und des Austausches von materiellen Gefälligkeiten weiterkommen sondern dass wir ja echte Qualifikationen haben und sinvoll anwendbare Fähigkeiten und dazu Ziele, an deren obersten Stelle nicht irgendeine "Karriere" steht aus der wir unser Selbstwertgefühl schöpfen. Und dass unsere Methoden die besseren sind.
Vielleicht erleben wir also tatsächlich gerade den Beginn vom Ende dieser elenden Ellenbogen-Generation und vielleicht reicht die Zeit sogar, bis die nächste wieder funktionierende Methoden findet, um vorher doch mal ein paar Dinge in Ordnung bringen zu können.
Kurz doch noch was zu Bild und Wulff: Vielleicht wird ja klar, warum mir egal ist, ob Bild "es schafft, Wulff aus dem Amt zu schreiben" oder nicht. Wenn er zurücktritt, dann tut er das nicht wegen der Bild-Zeitung, auch wenn die sich das vielleicht einbilden wird. Das ist eh nur die Revange für die ungeliebten Islam-Äußerungen.
19 Kommentare
Kommentar von: Sven [Besucher]
Kommentar von: daMax [Besucher]
Wie gerne würde ich Deinen Optimismus teilen. Was ich statt dessen sehe ist, dass Guttenberg jetzt “Internetfreiheitskommisar” wurde und dass seine Freunde aus der Wirtschaft alles daran setzen, diesem freien Internet einen möglichst schnellen Tod zu verschaffen (SOPA, ACTA, HADOPI etc).
Wäre schön, wenn Du Recht behieltest…
Kommentar von: Alexander Erben [Besucher]
Schön, falls es sich so entwickelt. Pessimisten könnten natürlich befürchten, dass die nächste Generation Karriereplan sich die Netzmechanismen einfach zunutze macht, statt sie unzeitgemäß zu ignorieren. Und dann wird es ggf. noch schwieriger, die ‘ehrlichen’ von den ‘korrupten’ zu unterscheiden. Freier Informationsaustausch mag zwar Voraussetzung für Transparenz sein, ist aber noch lange keine Garantie dafür, glaube ich. Aber einfach mal sehen…:)
Kommentar von: arne [Besucher]
Schöner Text, der als ewige Wahrheit auch gerne öfter recyclet werden darf. Der “Wir gegen Die"-Ansatz hilft allerdings nicht weiter. Statt weiter in diesem gerade implodierten System nach alten Kategorien zu greifen und so das System zu perpetuieren, wäre es wohl klüger, das Systemdenken als solches in Frage zu stellen. Dazu gehören Themen wie Konkurrenz, Leistung, Gerechtigkeit, Globalisierung vs. nationale Strkturen etc.. Ein dickes Brett, was man da bohren muss. Die Gefrusteten haben die Zeit, Energie, Intelligenz und Macht etwas Neues zu entwickeln und jetzt auch durchzusetzen. Es werden täglich mehr. Also dranbleiben, Leute.
Kommentar von: Tom [Besucher]
@Jens, letzter Absatz —- Die Idee hatte ich auch schon. Allerdings keinen anderen Anhaltspunkt, als daß es zeitlich passen würde.
Und: Super Text.
@Alexander Erben: Aber einfach mal sehen…:) —- Ja nee. (Der) Souverän bleiben und gleichzeitig positive Konzepte durchsetzen.
Kommentar von: dennis [Besucher]
Schöner Artikel, ich (35j) kenne auch viele der beschriebenen Exemplare aus meiner Schulzeit. Wie diese Leute drauf sind, ist allerdings auch eine Reaktion auf die herrschenden Umstände. Eine materialistische Sichtweise auf die Welt wurde den Angehörigen meiner Generation von klein auf über Medien und Werbung eingetrichtert. Man muss erstmal die geistige Größe und das Umfeld haben, sich diesem Werbe-, Konsum-, und Erfolgsdruck zu entziehen. Das hat nicht jeder; im Gegenteil: Viele Eltern befeuern das ja auch noch. Und der Druck ist in den letzten Jahrzehnten eher noch größer geworden. Das ist schade, aber das ist die Realität.
Kommentar von: teekay [Besucher]
Interessanter Artikel. Allerdings sollte man nicht uebersehen, dass wie auch immer gestrauchelte ‘Karrieristen’ heute eben auch die Moeglichkeit haben, relativ schnell und teilweise relativ unverbluemt in neuen Karrieren wieder aufzustehen. Schroeder, Roland Koch oder Guttenberg sind da Beispiele fuer Leute die ‘weg’ waren und dann ganz, ganz schnell wieder ‘da’ waren. Das Wachstum der Lobby- und Beratungsbranche ist sicherlich zu nennen. Ausserdem werden die ‘Streber’ aus der Schulzeit ja nicht nur Politiker und Vorstands-Mitglieder mit Dr. iur.-Titel, sondern koennen bei Unternehmensberatungen, Wirtschaftspruefern, Grosskanzleien oder in der Finanzindustrie kraeftig Schaden anrichten. Ich wuerde fast soweit gehen, dass Kernargument umzudrehen: Trotz Internet und Transparenz wird die ‘Ellenbogengesellschaft’ nicht abnehmen, sondern zunehmen. Banker werden nicht zur Rechenschaft gezogen, Politiker wechseln in die ‘Wirtschaft’ und wenn man z.B. ein ‘Allgemeingut’ wie die Bahn wie Mehdorn behandelt hat, kann man immer noch eine Airline managen-Proteste und Flug-Stornierungen bleiben da eher aus. Es muss sich erst noch zeigen, ob die neue, oftmals virtuelle, ‘open society’ auch neue Formen der Rechenschaft, Rechtssprechung etc. hervorbringt.
Kommentar von: Chris [Besucher]
Danke!!
Das ist eine so unglaublich treffende Darstellung dieser Menschen, wirklich klasse!
Kommentar von: Bernd von K. [Besucher]
@Alexander
Interessante Frage! Die Welt wird schließlich nicht besser durch das Internet, nur anders.
Eine neue deutsche Partei ist bei der Netzwerknutzung zur persönlichen Optimierung schon einen Schritt weiter. Sie bietet “Nicks” zur Wahl an. Wer (oder wieviele) auch immer dahinter steht.
Kommentar von: Tim [Besucher]
Netter Text, aber ziemlich fantastisch. Wenn sie ein wenig Einblick in diese Kreise hätten, dann würden sie sehen, nix ändert sich.
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
@teekay: Koch ist ja nicht gestrauchelt sondern ein ‘würdiger’ Vertreter der Zunft. Dass die Seilschaften immer noch prima tragen und den Jungs sanfte Landungen und jede Menge Notausgänge bescheren bestreite ich nicht - das haben die ja auch geschickt aufgebaut: Selbst Misserfolg wird noch mit nem Bonus belohnt, das gibts echt nur dort. Meine Beobachtung ist, dass die Menschen seit sehr kurzer Zeit beginnen, dieses lange gewachsene und dadurch sehr stabile und etablierte System in Frage zu stellen. Das ist gerade mal der Beginn eines Bewusstseinswandels. Wie viel dadurch wirklich verändert werden kann (oder ob überhaupt) liegt jetzt an uns, nicht an denen - die werden alles versuchen, diese Entwicklung zu verlangsamen. Und nicht alle Berater sind Karrieristen. Ich nenne mich beruflich auch so und helfe Firmen und Leuten dabei, zum Beispiel Plattformen zu schaffen, die die Wertschätzung von Mitarbeitern erhöhen und sie damit ermutigen, sich mehr zu beteiligen. Ich denke, Beteiligung ist der Schlüssel.
@Tim: Das Argument “da ändert sich doch eh nix” zählt nicht. Das ist entweder ne billige Ausrede für persönliche Faulheit oder Du hast das Märchen von der “Alternativlosigkeit” geschluckt. Du bist damit genau da wo sie dich haben wollen.
Kommentar von: ninjaturkey [Besucher]
Meine Tochter (im Fach Deutsch ziemlich gut) hat es gestern abgelehnt, einem Klassenkameraden für 15 (!!!) EUR die Hausaufgaben zu machen (Eigentlich nur ein eher kurzer Aufsatz - dafür hätte ICH es schon fast gemacht). Wahrscheinlich hat sie sich damit jemanden kurzfristig zum Feind gemacht, mit ein wenig Glück aber mittel und langfristig einen weiteren neoliberalen Schmarotzer mit Elitestatus verhindert!
Kommentar von: Sven [Besucher]
@ninjaturkey: Wenn das meine Tochter wäre hätte sie dafür von mir 15 Euro bekommen :-)
Kommentar von: Deef [Besucher]
Hallo Jens,
hab den Text geflattert, weil ich den von dir beschriebenen Menschentyp auch nicht mag. Du bist allerdings zu optimistisch.
Ich glaube nicht, dass Karrieristen ein Phänomen “unserer” Generation sind, sondern dass es sie schon immer gab. Du hast vielleicht Heinrich Manns “Der Untertan” gelesen. Mann beschreibt in dem 1914 erschienen Roman einen deiner Schilderung nicht unähnlichen Karrieristen. Und wenn man in Kästners, Tucholskys oder auch Kafkas Texte hineinschaut, so tauchen da häufiger willfährige Prokuristen-Figuren auf. Auch die deutschen Dikaturen haben wunderbar mit auf den eigenen Vorteil bedachten Mitläufern funktioniert und von ihnen profitiert. D.h.: es gibt keine Generation Karriereplan, sondern es gab immer einen Teil einer Generation, der so funktioniert.
Ich glaube außerdem nicht, dass die aktuellen Ereignisse das Ende dieses Typs Mensch sind. Sie verändern sich lediglich. Vielleicht wird die nächste Egoisten-Generation vorsichtiger, vielleicht legen sich neue Karrieristen ein pseudo-markantes Profil zu, weil Aalglattheit aus der Mode kommt. Survival of the fittest bedeutet auch, dass es auch weiterhin viele dem Zeitgeist angepasste Karrieristen geben wird.
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
Ganz ehrlich? Nachdem ich den Text fertiggeschrieben habe (ich schreibe solche Texte meistens am Stück einfach runter) und ihn noch mal durchgelesen habe dachte ich auch “Hm, das ist schon arg optimistisch ausgedrückt.” Allerdings dachte ich mir als nächstes auch, dass es vielleicht auch mal ganz gut ist, eine solche Sichtweise zu veröffentlichen, kräftigen Kulturpessimismus gibt es ja auch zu Hauf und irgendwie sagt da auch keiner “Hey, wenn ihr alle Recht hättet wäre die Welt schon zehnmal untergegangen/ das Internet längst abgeschaltet/ alle Menschen verblödet/ Deutschland ein Polizeistaat…” you name it. Die Wahrheit ist, dass wir glücklicher sind, wenn wir uns engagieren und die Verhältnisse verbessern.
Was das mit der Generation angeht: Das stimmt natürlich - worauf ich hinaus wollte war, dass “unsere” Generation ja gerade dabei ist, verantwortliche Stellen zu besetzen und mein Artikel richtet sich daher so ein wenig apellativ speziell an meine Altersgenossen, es jetzt nicht zu verkacken, weil sie/wir da jetzt echt Möglichkeiten haben, ein paar Dinge zu verändern.
Kommentar von: mayarosa [Besucher]
Ich denke, wenn alle, die hier schreiben und kommentieren oder interessiert mitlesen, wenn die alle achstam sind und bei sich selbst anfangen, mit Ehrlichkeit, Transparenz, Solidaritiät und all diesen Werten eines angenehmen Miteinanders und wenn sie dann noch ihre Kinder entsprechend erziehen und ihnen Vorbild sind, dann sind wir auf einem guten Weg in eine bessere Welt.
Denn das beschriebene und zu recht kritisierte Verhalten findet nicht nur bei denen statt, die es nach oben geschafft haben. Das lässt sich in jeder beliebigen Nachbarschaft beobachten. Ebenso sind nicht alle, die es nach oben geschafft haben, Vertreter der beschriebenen Spezies.
Kommentar von: zweitesselbst [Besucher]
oh, das klingt aber revolutionär. hehe
dann pass nur auf, dass Dir das Internet nicht abgestellt wird.
Kommentar von: ullibulli [Besucher]
Im Prinzip richtig, nur sehr verallgemeinert zum Beispiel in Bezug auf BWL-Studenten. Diese Leute lassen sich nicht unbedingt in eine Berufsschiene drängen. Guttenberg und Wulff sind Anwälte, wie übrigens die meisten Politiker. Doch ich gebe Ihnen Recht, dass unter den BWLern der Prozentsatz dieser Spezies überproportional hoch ist.
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
@zweitesselbst: Och, das sehe ich entspannt.
@ullibulli: Ja, ich stelle das verallgemeinert dar. Es geht mir aber auch nicht um eine im Detail akkurate Darstellung.
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Ob es wirklich schon das Ende ist weiß ich nicht. Zumindest der Anfang vom Ende, wäre schön.
Allerdings versuchen die im Moment sehr intensiv, dieses “Internet” unter ihre Kontrolle zu bekommen, das ihr Leben so kompliziert macht. Ich glaube nicht, dass sie das schaffen werden, da bin ich auch durchaus optimistisch. Aber das passiert nicht automatisch, sondern nur, weil/wenn wir es nicht zulassen.
Bah, ich konnte diese Arschlöcher früher schon nicht ausstehen. Je früher die von der Bildfläche verschwinden umso besser. Vielleicht kann man dann irgenwann doch mal wieder Nachrichten gucken ohne Brechreiz selbst bei gemutetem Ton…