Vier Gründe, warum Blogger das Leistungsschutzrecht nicht fürchten sollten
Christoph Keese erklärt uns Bloggern also, warum wir uns nicht vor dem Leistungsschutzrecht fürchten sollen. Allerdings: Er hat zwar Recht mit der These, dass wir uns nicht fürchten sollten, seine vier Gründe sind meiner Meinung allerdings völlig irrelevant für uns (so sehr, dass ich nicht mal im Detail drauf eingehen werde) und zeigen eigentlich nur, dass er gar nicht versteht, warum wir eigentlich bloggen (Und wer sich im Falle der Einführung einer solchen Regelung wirklich fürchten muss, hat er auch nicht auf dem Schirm...).
Daher folgen hier meine vier Gründe, weshalb sich Blogger tatsächlich nicht fürchten müssen:
1. Das Leistungsschutzrecht wird am Ende ein wirkungsloses Stück Papier
Eigentlich ist damit schon alles klar. Denn diese Regelung wird schneller wieder eingestampft als wir "mir doch wurscht" sagen können oder erst gar nicht verabschiedet. Wobei deutsche Politik ja eher so funktioniert, Gesetze die eigentlich keiner will zunächst zu verabschieden und dann langwierig zwei Jahre damit zu verbringen, sie wieder loszuwerden. Den Verlagen, die das Leistungsschutzrecht momentan so toll finden, wird relativ schnell und sehr dramatisch dämmern, was für einen Quatsch sie sich da herbeilobbyiert haben, wenn ihre Klickzahlen in den Keller rasseln - ich freue mich schon auf das Gejammer, wenn sie feststellen, dass das Leistungsschutzrecht den Verlagen nicht etwa eine automatische Monetarisierung ihrer Beteiligung am Internet bewirkt, sondern dass es sie ihre Beteiligung und Verbreitung im Internet - und damit jegliche Chance der Monetarisierung - kosten wird.
2. Es tut nicht uns weh, wenn wir aufhören, Newsquellen zu verlinken
So lange es braucht, bis das bemerkt wird hat die Angst vor der Drohkulisse vielleicht tatsächlich eine gewisse Berechtigung - das Worst Case Szenario für den Fall, dass der Referentenentwurf des LSR mal eben durchkommen sollte sieht ja auch wirklich übel aus. Aber Blogger müssen in Wirklichkeit weder vermehrt Abmahnungen fürchten noch wird ihnen die freie Meinungsäußerung verboten - so lange sie eben keine Newsquelle direkt zitieren, nennen oder verlinken. Das ist zwar seltsam, denn im Selbstverständnis eines Bloggers ist es ja ein Zeichen der Anerkennung, Zitate zu kennzeichnen und die Quelle zu verlinken - wir wollen ja, dass Inhalte, die wir gut finden, auch von anderen gelesen werden. Medien undVerlage ticken da aber schon immer anders: Wieso wohl wird auf den wenigsten Newsseiten ein Link zu zitierten Inhalten im Web gesetzt? Warum lesen wir immer nur "Quelle: Internet" oder "Quelle: Youtube", wo es doch für beides unproblematisch sein sollte, die tatsächliche Webseite oder den Youtube-Kanal zu nennen, von dem man den Inhalt genommen hat?
Mein Tip ist daher: Wenn die das so wollen, machen wir das eben auch so. Keine direkten Zitate, keine Links und die Quellenangabe heißt eben nur noch "Quelle: Nachrichten". Verlinkt und zitiert werden natürlich weiterhin alle anderen Quellen.
3. Es tut nicht uns weh, wenn wir anfangen, andere Newsquellen zu verlinken
Es ist ja nicht so, dass das deutsche Internet eine ganz lokale Veranstaltung ist. Die Welt ist voll mit Newsseiten und es gibt eine riesige Auswahl von Informationsquellen, für die das Leistungsschutzrecht nicht gilt. Ich lese zum Beispiel sehr gerne den Guardian und deutschsprachige Newsquellen gibt es ja auch, zum Beispiel in Österreich oder in der Schweiz. Oder, was natürlich generell die bessere Lösung ist, wir suchen uns die Primärquellen, die die Grundlage für die Meldung ist. Meistens ist das auch gar nicht wirklich schwierig, auch wenn der Redakteur versucht, so zu tun als wäre er ganz alleine auf seine klugen Schlüsse gekommen. Zum Beispiel sind Meldungen aus den Internetressorts relativ schnell zu einem der typischen englischsprachigen Technik-Magazinen zurückzuverfolgen.
4. Es kann uns nur gut tun, unabhängiger von den etablierten Medien zu werden
Sascha Lobo hatte auf der re:publica eine mittelgroße Lanze fürs Bloggen gebrochen. Das Leistungsschutzrecht könnte nun ein guter Katalysator dafür werden, dass wieder mehr gebloggt wird und Blogger eigenständiger, selbstbewusster und relevanter werden. Denn wir Blogger fallen ja nicht - im Gegensatz zu Herrn Keeses Theorie - unters Leistungsschutzrecht und sollten wir es doch tun, pappen wir uns in Nullkommanix eine Standardlizenz aufs Blog, in der Links und Zitate in beliebiger Länge und Menge selbstverständlich kostenlos und für jeden erlaubt sind. Sogar für Verlage, deren Inhalte nicht zitiert und verlinkt werden dürfen (allerdings besteht bei denen ja ohnehin die in Punkt 2 erwähnte Quellennennungshemmung).
Was es für alle anderen Internetquellen bedeutet, wenn "leistungsschutzrechtlich geschützte Inhalte" nicht mehr verlinkt werden, brauche ich nicht wirklich zu erklären, oder?
Update: Bei D64 gibt es für alle, die noch auf Presseseiten verlinken wollen, einen URL-Shortener, der Nutzer zunächst auf eine Infoseite lenkt, auf der über diesen Quatsch aufgeklärt wird.
13 Kommentare
Kommentar von: M.Lechner [Besucher]
Kommentar von: daMax [Besucher]
Nee, da muss ich laut widersprechen. Zwar habe ich das alles schon in meinen Blog getippselt:
http://todamax.kicks-ass.net/blog/2012/das-blogverbotsgesetz/
aber in aller Kürze mache ich das auch hier nochmal.
zu 1.:
Ob das wieder eingestampft werden wird, ist nicht sicher. Nur weil das Zensursula-Gesetz eingestampft wurde, heißt das nicht, dass das mit anderen Sinnlos-Gesetzen automatisch auch passieren muss.
zu 2.:
doch, das tut weh. “Wir” haben ja eben den Anspruch, das Internet so zu bedienen, wie es gedacht ist, und da gehören Links nun mal dazu. Ich als Blogleser WILL die Originalquellen genannt und verlinkt bekommen.
zu 3.:
Das tut vor allem dann weh, wenn man über deutsche Politik berichten will, da ist die ausländische Quellenlage nämlich schnell recht dünn.
zu 4.:
da haste Recht ;)
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
Zu 1: Natürlich wäre es für alle (sogar für die Verleger) am Besten, wenn das LSR gar nicht zustandekäme und es gibt ja auch die entsprechenden Gegenbewegungen. Ich spreche ja hier nur vom Worst Case. Ich bin aber in diesem Fall recht optimistisch, dass wenn überhaupt am Ende etwas verabschiedet wird, das tatsächlich keine Relevanz haben wird. Wir werden ja sehen, wie es ausgeht.
Zu 2: Ich glaube nicht, dass es ein Problem sein wird, die Originalquellen zu verlinken. Also die, deren Informationen in den Presseartikeln stecken, die wir nicht mehr verlinken.
zu 3: Du meinst nicht, dass sich alternative Quellen etablieren werden? Ich finde, dass sich durch das LSR die Gelegenheit ergeben kann, dass sich ein guter Bürgerjournalismus entwickeln kann.
Kommentar von: daMax [Besucher]
@jens: zu 3. Naja, WÜNSCHEN würde ich mir das schon :)
PS: HTML-Tags sind hier nicht erlaubt? Wollte einen Link auf deinen Kommentar setzen, da mein dein Blog zu mir “Ungültiges Tag a” :(
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
Hm. Ich hab leider in den Einstellungen nichts zum Thema HTML-Tags für Kommentare gefunden. Hab aber mal ein Häkchen bei “Allow URLs from anonymous users” gesetzt. Vielleicht klappt das ja dann schon.
Kommentar von: Hinterwäldler [Besucher]
Das Leistungsschutzrecht hat sehr viel Gemeinsamkeiten mit Don Quixote de la Mancha von Miguel de Cervantes. Auch sein Held kämpfte verbissen für eine schon überlebt Welt.
Trotzdem Punkt 1 widerspreche ich. Bis sich dieses Dings abgewirtschaftet hat, werden noch sehr viel Tränen im Internet und den Gerichtssälen vergossen. Vergiss nicht das selbst die Vorratsdatenspeicherung, obwohl sie gegen das Grundgesetz verstößt, noch nicht zu den Akten gelegt wurde. Der Kampf wird hart und lang.
Abgesehen davon sind die Zeitungen und Zeitschriften im deutschsprachigen Ausland meist objektiver und seriöser. Ihre Berichte sind nicht von der bundesdeutschen Staatsräson beeinflusst. Bsw. hätte sich die NZZ schon lange abgewirtschaftet. Immerhin hat sie die vergangenen 190 Jahre fast schad- und lückenlos überlebt.
Diese Zeitungen kannst du bedenkenlos verlinken. Für deren Redaktionen wird es sogar noch ein Ansporn sein. Immerhin werden auch dort die Klicks gezählt und es wird festgestellt, woher die Besucher kommen.
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
Was den Punkt 1 betrifft, gibt es natürlich eine gewisse Bandbreite zwischen meiner Annahme, dass das LSR gar nicht oder nur in einer irgendwie relevant anwendbaren Placebo-Form kommen wird und der Dystopie der neuen Hochzeit der Retortencontentschleudern mit Extrempreisen und dazugehörigen Abmahnwellen. Ich denke aber, dass wir in Richtung Zensursula steuern: Es wird eine Richtlinie entstehen, bei der man sich relativ schnell einigen wird, dass deren Durchsetzung ausgesetzt wird bis man sich einig ist, wie man das überhaupt tun kann - um sie nach ein zwei Jahren der ergebnislosen Suche wieder einzukassieren. Einen Hunni würd ich drauf wetten, dass nicht mehr als das passieren wird.
Ob man noch lange auf österreichische Presseergüsse verlinken kann ist ebenso fraglich. http://www.justiz.gv.at/internet/html/default/2c94848536c559f00136f361bc8200ec.de.html
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
Hm, ich finde das liest sich doch ganz vernünftig (mal abgesehen davon, dass am Ende zählt was dabei konkret herauskommt).
Genau wegen dem was am Ende dabei rauskommt bin ich ja skeptisch. Unseren Politikern kann man vieles nachsagen, aber Weitsicht und kluge Entscheidungen gehören schon lange nicht mehr dazu.
Vermutlich wird das genauso enden wie das Patentgetrolle. Alle schlagen gegenseitig auf sich ein, bis die Situation komplett fucked up ist. Es wäre vermutlich gar nicht so schlimm, das noch zu beschleunigen.
Kommentar von: Karl-Franz [Besucher]
Schönes Bild, das in diesem Blogbeitrag gezeigt wird. Hat der Urheber und Rechteinhaber des Fotos seine Erlaubnis dafür erteilt, das Bild hier zu zeigen und entsprechend zu verfremden?
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
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Gut auf den Punkt gebracht. Ich bin der gleichen Meinung. Nicht den Bloggern wird es schaden, sondern den Verlagen. Was haben die davon, wenn keiner mehr über sie im Internet spricht? Das Bild sagt ja eigentlich schon alles.