Das mit dem neuen Journalismus
Der Anlass dieses Posts ist der seltsame soziale Druck, den man spürt, sobald man auf das Thema Krautreporter zu sprechen kommt und erläutert, warum man das Projekt nicht finanziell unterstützt. Meine Gründe habe ich schon recht früh genannt:
1. Viel zu kurz gesprungen, um spannend zu sein
Es geht vor allem darum, eine andere Finanzierungsform zu finden, die es selbständigen Journalisten erlaubt, gute Arbeit zu leisten: Also Zeit für Recherche zu haben, ausführliche Artikel zu schreiben und Themen anzusprechen, die nicht wegen zu wenig Aufmerksamkeit rausfliegen weil sich damit keine Werbung verkaufen lässt.
Das ist soweit gut und richtig. Aber leider hört es hier auch schon auf. Es gibt keine Idee oder einen Plan, Journalismus als solchen neu zu definieren. Es gibt keine Skalierung, keine neue mediale Vision, keine Idee für Nachwuchs. Es gibt keine Neubewertung des Berufes, der den Journalismus von der prekären Schreiberlingsarbeit zu dem er verkommen ist zurück (oder vorwärts) in einen Qualitäts- und Spezialistenberuf (zurück)führt. Eigentlich geht es doch nur darum, dass ein paar altgediente Journalisten in Ruhe ihre Arbeit machen wollen.
Gönn ich ihnen auch. Ist sicher unterstützenswert für Leute, die sowas dringender brauchen als ich. Aber es gibt unzählige ambitioniertere journalistische Projekte, für die meine Unterstützung wertvoller ist. Daher ging meine Kohle dieses Jahr zum Beispiel hierhin.
2. zu wenig Frauen und die, die dabei sind schreiben über "Frauenthemen"
Dazu hat Felix schon alles geschrieben, was es zu schreiben gibt. Nur eine Hinzufügung meinerseits. Männerclubs - oder etwas neutraler ausgedrückt: Projekte, in denen sehr wenig Diversität herrscht - sind sehr schnell und sehr regelmäßig langweilig. Mal ganz vom offensichtlichen WTF abgesehen.
Vielleicht ist hier ja auch der Grund für das Problem Nummer 1. Die beruflichen Vorstellungen, die Lebenswelt und die Realität in der die Protagonisten agieren sind zu ähnlich, um konstruktive Spannungsfelder zu erzeugen, die die Energie erzeugen, um Ideen weiter zu spinnen und wirklich innovativ zu sein.
3. Ich warte auf diejenigen, die Krautreporter inspiriert, was wirklich gutes zu machen
Das Argument "Wenn es jetzt keiner tut, ist die Chance vertan" oder "Das perfekte Projekt wird nicht kommen" gibt es nicht. Es ist wirklich lustig: In den Reaktionen auf meine und die Bedenken anderer wird gar nicht bestritten, dass diese Kritik gerechtfertigt ist. Sie wird aber auch gar nicht diskutiert, sondern mit der Begründung ignoriert, dass man ja froh sein müsse, dass es so ein Projekt - auch mit Fehlern - zunächst einmal überhaupt gibt und wenn man das jetzt zerredet wird der Journalismus untergehen.
Ich sehe auch schon die Geschütze in Stellung gehen, wenn Krautreporter ihr Fundingziel nicht erreicht. Dann sind die Schuld, die das Projekt schlechtgeredet haben. Nicht etwa die Initiatoren, die die Hälfte ihrer Zielgruppe außen vor ließen weil sie dachten, das sei erst mal nicht so wichtig. Oder weil ihre einzige Vision war, bessere Recherchebedingungen zu schaffen. Was so als Vision jetzt nicht wirklich Begeisterung erzeugt.
Aber: Mir egal. Die Idee war ja gut und sie ist nun im Raum. Es wird andere geben, die die Sache aufgreifen werden. Es wird neue, innovativere und mutigere Projekte geben. Nur weil ein paar gestandene Journalisten ihr Magazin nicht so hinbekommen haben wie sie es sich vorgestellt haben wird die Idee, Journalismus wieder "richtig" zu machen, nicht sterben. Und dann hab ich sicher 60 Euro über, um sie in das Projekt zu stecken, das danach kommt.
Woher ich das weiß? Ich hab zwei Mal nicht das Geld bekommen, um eine Idee umsetzen zu können. 2000 war es zu früh für ein Weltraum-MMO und 2005 sagten mir die Banken, dass man mit Browsergames doch kein Geld verdienen kann. Am Ende haben es andere gemacht und bewiesen, dass es eben doch geht. Einerseits ist natürlich schade, dass ich nicht dabei war, andererseits aber gilt die Erkenntnis: Es gibt immer jemanden anderes, der es dann eben im zweiten Anlauf hinbekommt.
2 Kommentare
Kommentar von: Andreas Moser [Besucher]
Eigentlich geht es doch nur darum, dass ein paar altgediente Journalisten in Ruhe ihre Arbeit machen wollen.
Ja, so sah das ungefähr aus.
Jetzt haben sie es ja erst mal geschafft und müssen erst recht überzeugen, wenn sie nächstes Jahr eine Verlängerung wollen.
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Ich unterstütze es einfach deshalb nicht, weil ich bisher schon nicht dazu komme, alles zu lesen, was ich lesen will. Wer hat denn soviel Zeit?