Warum die SPD die CDU überholt hat
Letztens im Podcast haben Sven und ich ein bisschen orakelt, wer am Ende bei den Wahlen im Herbst welche Partei wählen wird. Meine These war (und ist) ja, dass es nach Abzug des üblichen Anteils von Wähler:innen antidemokratischer Parteien eigentlich nur drei Wähler:innentypen gibt: Die eine sind die jeweiligen Stammwähler:innen der Parteien, die immer schon und auch weiterhin dieselbe Partei wählen - von denen hat die CDU am meisten und startet daher immer mit einem Vorsprung von mindestens 15% vor den anderen.
Interessanter sind die anderen zwei:
- Die, die die Merkelpolitik weiter haben wollen und deshalb CDU wählen.
- Die, die progressive Politik haben wollen und deswegen Oppositionsparteien wählen, also Grün, Links, Rechts (FDP ist ja keine Partei, sondern ein Lobbyverein).
Was dabei auffällt und weshalb ich das im Podcast auch erzählt habe ist, dass keine dieser beiden Wähler:innengruppen einen Grund hat, die SPD zu wählen: Die SPD war ja in der Regierung Merkel. Das heißt, die Gruppe 1 "weiter so" wählt lieber direkt die CDU und Gruppe 2 "anders machen" wählt natürlich gar keine derzeitige Regierungspartei. Und dementsprechend unüberraschend waren die SPD-Zahlen so tief im Keller, wie nie zuvor.
Jetzt sehen die Umfragen aber inzwischen so aus, dass Olaf Scholz in Führung geht. Wo kommen denn plötzlich SPD-Wähler:innen her? Haben wir uns etwa geirrt?
Ich glaube nicht, aber es ist eben etwas passiert, was m.E. die Wähler:innen der ersten Gruppe angeht und auf das sie folgerichtig reagieren:
Es ist ja so, dass Laschets Aufgabe eigentlich einfach war "Sei der männliche Merkel". Das hat er nicht geschafft. Merkel gibt sich klar, ehrlich, ein bisschen stoisch und konzentriert, meistens vernünftig in ihrer Argumentation, zurückhaltend, freundlich und ohne Arroganz. Laschet hat in den letzten 4 Wochen nichts davon gezeigt, sondern das Gegenteil: er ändert ständig seine Aussagen, ist laut, emotional, widerspricht Fakten aus den Bauch und verteidigt unvernünftige Standpunkte "weil halt", wirkt fahrig und unkonzentriert und hat eine penetrante onkelige Überheblichkeit.
Und Scholz? Naja, der versucht seit einiger Zeit, genau dieses Vakuum zu füllen und gibt den Wähler:innen eben genau das, was Laschet hätte sein sollen: Die männliche Merkel. Dass er die eigentlich auch nicht wirklich ist, ist dabei nicht so wichtig, er muss ja nur erkennbar mehr Merkel sein als Laschet.
Und schon wechseln Wähler:innen der Gruppe 1 zur SPD. Denn die wollen ja alles wie bisher. Und Scholz spielt das gut aus mit einer Mischung aus Merkel-Mimikri auf persönlicher Ebene und dem Adenauerschen "Keine Experimente" auf der politischen. Er schafft auch viel besser als Laschet, nicht über Inhalte zu sprechen, sondern auf der Platitüdenebene zu bleiben - das gefällt Gruppe 1 sehr gut. Dass die Zahlen der Grünen (und Linken) im Groben stabil bleiben - die Stimmen also vor allem von den CDU-Wähler:innen kommt -, würde ich da als Bestätigung dieser These sehen.
Und gerade kam auch noch ein Artikel, der mir das ebenfalls zu bestätigen scheint, da eine psychologische Untersuchung der Wahrnehmung der Kandidat:innen folgendes ergibt:
(...) Die Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock werden demnach als perfektes Paar wie 'Adam und Eva' wahrgenommen, FDP-Chef Christian Lindner als trotziges "inneres Kind", SPD-Kandidat Olaf Scholz als Kontinuitätsgarant – und Armin Laschet als Witzfigur.
(Ach ja, über die trotzigen Kinder haben wir im Podcast auch gesprochen. Da muss ich demnächst vielleicht auch noch mal ein bisschen ausführlicher drauf eingehen...)
3 Kommentare
Kommentar von: Skythe [Besucher]
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
lol tschö Du Lappen (und: siehe den letzten Artikel) :D
Kommentar von: Anderer Max [Besucher]
Moin, schöner Artikel, danke dafür!
(Ich bin über rivva hier hin gelangt, nur zur Info!)
Das “Merkel gibt sich (…)” finde ich etwas hart. Ich würde das hier tatsächlich so sehen: Laschet ist kein männlicher Merkel, weil er es nicht ist. Merkel, Füsikerin, bringt all die aufgezählten Qualitäten (ob man sie gut findet, oder nicht) mit, Laschet würde sie nur versuchen zu emulieren. Das merkt “der Wähler", das merken die CXU-Parteien auch (gaaanz langsam). Ob Söder als Ersatz hier jetzt das Ruder rumreißen würde, wage ich mal ganz hart zu bezweifeln, der ist erst recht kein Merkel.
(Halb-)sarkastischer Wahlkampftipp: Jetzt Laschet gegen Söder tauschen. Das Narrativ dann so aufbauen: Scholz will ja nur wie Merkel sein, wir haben hier eine echte Alternative! Sich quasi als Opposition gegen den Junior-Koalitionspartner der Regierung positionieren. Innerexekutive Opposition :D
Am Rande: Mir ist das Gendern nicht mal aufgefallen, bis die Ausgeburt fragiler Männlichkeit sich darüber beschwerte. Ich denke, so wie Sie es machen, ist es minimalinvasiv und sinnvoll.
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Leider nicht lesbar wegen Genderscheiss. Bye.