Der Donnerstag begann für mich mit ein wenig Verspätung, da ich schlecht geschlafen habe (Lampenfieber). Ich wollte mich daher eigentlich zunächst noch ein wenig im Friedrichstadtpalast ausruhen und hörte mir dazu den Vortrag "The Internet of Elsewhere" von Cyrus Farivar an. Zu Beginn sah es auch so aus, als ob das klappt, aber Farivar drehte nach einer eher gemächlichen Einleitung, in der er erläuterte, dass der Stellenwert und der Umgang mit dem Internet in anderen Ländern ja schon sehr unterschiedlich sei und er sich das dadurch erklärt, dass die Einführung des Internets in diesen Ländern eben auch völlig unterschiedlich ablief, total auf. Er referierte die Zuschauer gnadenlos durch einen massiven Faktensturm der Internet-Geschichte verschiedener Länder und deren Schlüsselpersonen, so dass am Ende niemand mehr eine Frage stellen konnte - ich nehme an, es ging allen wie mir: Ich habe ich fünfundvierzig Minuten derart viel neues Wissen um die Ohren geschlagen bekommen, das musste erstmal verdaut werden.
Dann waren wir dran: Wir mussten unseren Ansatz ziemlich umstellen, denn nachdem wir im letzten Jahr ja in einem der kleineren Räume mit einer sehr familiären Atmosphäre ganz nah am Publikum herumlungerten und ohne dokumentiert zu werden recht frei sprechen - oder auch lästern - konnten, fanden wir uns im diesjährigen Programm plötzlich im großen Saal wieder: Das bedeutete Bühne, Beleuchtung, Mikrophone und eben auch aufgezeichnet zu werden. Zusätzlich ist der große Saal für die Vortragenden recht undankbar zu überblicken weil wahnsinnig breit bestuhlt und zusätzlich schwer im Griff zu behalten, da man durch eine offene Seite ständig rein- und rauslaufen kann. Mir haben die Vortragenden dort letztes Jahr deswegen schon Leid getan, nun hatten also wir das Problem auch.
Aber wir hatten ja zum Glück Bov als Moderator und der kannte sich aus mit Bühnensituationen und wie man damit umgeht - er entwarf für unseren knapp dreistündigen Vorbereitungskauderwelsch, den wir am Vorabend erstmalig voreinander ausbreiteten um zu schauen, was wir denn überhaupt an Inhalt gesammelt haben, einen roten Faden und sorgte dann auch sehr galant ("Das willst Du uns jetzt aber nicht erzählen. Das ist doch ne Geschichte aus dem vorletzten Krieg!") dafür, dass wir ihn auch einhielten.
Da wir nun viel "präsenter" waren als gedacht konnten wir aus unserer kilometerlangen Beispielliste nicht mehr wirklich viele bringen (ohne lästern zu dürfen hätten die auch eh nicht so viel Spaß gemacht) und mussten dafür versuchen, den Teil des Konzeptes etwas in den Vordergrund zu bringen, den wir als "call vor sanity" angekündigt haben. Jetzt sind Aussagen wie "In Wirklichkeit ist alles gar nicht so schlimm" und ähnlich vernünftiges Zeug sicher nicht so aufregend, aber genau darum gings ja auch: Wenn sich immer gleich alles nach Weltuntergang anhört, guckt am Ende keiner mehr hin, wenns wirklich mal nötig wäre, laut Alarm zu schreien. Und wir fanden, es sei inzwischen echt mal genug damit, immer gleich das Ende des Internets auszurufen, nur weil - zum Beispiel - mal Blogger in einem Werbespot auftauchen oder so.
Mein persönliches Highlight der Session war ein schöner Vergleich von Konstantin. Als ich gefordert hatte, den geänderten Umständen gerecht zu werden und es nicht mehr notwendig ist, ständig herumzukrakeelen, wenn inzwischen doch (immer) besser funktionierende Kanäle in Medien, Politik und sonstige gesellschaftsrelevante Gremien gibt die unsere Themen auch so hören und sehen können meinte er: Wir laufen ja auch irgendwann Gefahr, so nervig zu sein wie Guido Westerwelle, der uns allen auf den Senkel geht weil er nicht erkannt hat, dass sich seine Situation - er wurde inzwischen ja mal in die Regierung gewählt - grundlegend geändert hat. Er krakeelt aber irritierenderweise immer noch so schrecklich laut und empört herum als wähne er sich noch immer in der Opposition. Wir sollten nicht den selben Fehler machen, da die Gefahr steigt, dass irgendwann statt des gewollten Streisandeffekt nur noch ein Westerwelleeffekt eintreten könnte.
Etwas ärgerlich war dann am Ende, dass wir am Ende zu wenig Zeit mit dem Publikum gehabt hatten; der Dialog ging nämlich eigentlich gerade ganz gut los, als wir sehr abrupt und plötzlich unterbrochen wurden und das Panel ganz schnell beenden mussten - das war verwirrend, denn wir hätten nach unserer Uhr eigentlich noch genügend Zeit gehabt und nach uns kam wegen der der Mittagspause auch niemand, der gewartet hätte. So hat Bov schnell grade noch abmoderieren können und schwupp, war's auch schon vorbei.
Mir bleibt nur, mich bei Caro, Maike, Konstantin und Bov ganz ganz herzlich dafür zu bedanken, mitgemacht zu haben. Ich bin überzeugt davon, dass es wichtig ist, hin und wieder eben nicht Feuerwerke abzubrennen sondern einfach mal drauf hinzuweisen, dass es uns eigentlich gut geht, wir schon sehr weit gekommen sind und dass es sich lohnt, mit Vernunft und Ruhe die Dinge anzugehen, die wir wichtig finden ohne den Spaß zu vergessen oder gleich die Welt untergehen zu sehen wenn mal wieder ein Hirni ne Abmahnung schickt oder einer der vielen anderen Menschen um uns herum mal was nicht so tut, wie wir es für richtig halten. Das ist weder sexy noch aufregend (und wohl der Grund dafür, dass ich fast nirgends etwas über das Panel lese). Aber es ist wahr.
Nachtrag: "wer hätte das alles gedacht, als wir damit anfingen?" - Genau <3