Wer erinnert sich an Datex-J? Oder wie es dann noch eine Weile hieß: BTX? Das war das, was man sich in Deutschland als bessere Alternative zum Internet vorgestellt hat. Es war hässlich, unendlich langsam, völlig kompliziert zu bedienen (sogar komplizierter als Teletext, man navigierte auch mit der Eingabe von Zahlen, aber musste ein * voranstellen und mit # abschließen), es war für den Benutzer intransparent organisiert und einfache Möglichkeiten, sich mit eigenen Inhalten zu beteiligen, waren gar nicht erst vorgesehen. Natürlich benutzte diese in ihrer technokratischen Irrsinnigkeit an "Brazil" erinnernde Alptraumversion eines Beamteninternets kein Mensch mehr, sobald es auch ganz normales Internet in Deutschland gab.
Die deutschen Technokraten der Post und in den Verwaltungen dieses Landes haben aber offensichtlich aus ihrer Vergangenheit nicht viel gelernt, denn in diesem Jahr gehen zwei - wie kann mans anders ausdrücken als "typisch deutsche" - E-Maildienste in Betrieb, die vermuten lassen, dass hier irgendwie dieselben Entscheider dahinterstecken, die uns schon das Steuergeldgrab BTX bescherten.
Nummer Eins ist der "E-Postbrief" (ein Name der sich beim Aussprechen in muffige Staubwolken verwandelt). Eine teure, unendlich (völlig unnötig) komplizierte, Abomination, die nicht eines ihrer Versprechen einlöst und eigentlich nichts anderes macht als E-Mails verschicken. Nur dass es seltsamerweise so viel Geld kostet, als gäbe es auf der Welt noch keine E-Mails und die AGBs dem Nutzer vorschreiben wollen, wie oft er in sein Postfach schauen muss. Dass die Nutzung der "E-Post" zusätzlich auch noch ein viel höheres Sicherheitsrisiko darstellt als stinknormale Mails erklärt Richard Gutjahr, der mit den Rechtsanwälten Udo Vetter und Richard Stadler die AGBs mal genauer angeschaut hat. Die fanden dann solche Schoten wie die, die sich aus der hübsche Kombination ergibt, dass man sich erst zur Registrierung komplett nackig macht, dann selbst gelöschte Mails dauerhaft gespeichert würden und zuletzt gewarnt wird, man gebe Inhalte an Ermittlungsbehörden weiter falls die das verlangen:
(...) Wenn man einen Brief – aus was für Gründen auch immer – wegschmeißen, schreddern oder verbrennen will, dann geht das nicht. Die Post behält, und zwar für einen nicht näher definierten Zeitraum, eine Kopie dieses Briefes – ob man das will oder nicht. Ein absolutes „No Go“.(...)
(...) Hinzu komme, so Thomas Stadler, dass man beim E-Postbrief mit seinen kompletten Daten registriert sei, also einschließlich der Personalausweisnummer, weshalb es dem Staat natürlich wesentlicher leichter falle eine bestimmte Person zu identifizieren, als z.B. bei einem freien E-Mail-Provider. (...)
Mit anderen Worten: Diesen Dienst kann man überhaupt nicht benutzen, denn gegenüber der ganz normalen E-Mail bringt er keinen einzigen Vorteil sondern ausschließlich Nachteile. Und zwar nicht zu knappe.
Der andere Dienst, der sich irgendwie ziemlich ähnlich anhört wie die "E-Post" ist De-Mail. Der kommt uns irgendwie als staatlich/offizielle Bürgermail daher und behauptet ebenfalls, eine besonders sichere Mailkommunikation zu ermöglichen. Was schlicht - in der momentanen Form und abgesehen von den auch hier schon in den Nutzungsbedingungen verankerten Befugnissen, die sich Behörden hier herausnehmen - nicht stimmt:
Die von der Bundesregierung als besonders sicher konzipierte elektronische Post weist offenbar deutliche Sicherheitslücken auf. Der Grund: Die Daten werden nicht durchgängig verschlüsselt.(...)
Zwar werden die De-Mails von den Nutzern verschlüsselt an die zentralen Server der De-Mail-Anbieter verschickt. Für diesen Teil des Weges gibt es keine Sorgen um die Sicherheit. Auf den Servern jedoch werden die Mails aus technischen Gründen kurz entschlüsselt und sofort wieder verschlüsselt. (...)
Und wenn die Mail an einen dritten Provider geht passiert das sogar gleich zwei Mal. Dass eine Mail nur dann wirklich verschlüsselt ist, wenn die Verschlüsselung vom Sender bis zum Empfänger reicht dürfte eigentlich auch jedem Laien einleuchten. Nichtsdestotrotz zitiert die Frankfurter Rundschau Gert Metternich, Projektleiter der Telekom so: "Im De-Mail-System werden die Mails für den Bruchteil einer Sekunde auf den Servern der Provider entschlüsselt und sofort wieder verschlüsselt und dann weitergeschickt." - Leider gilt hier aber dasselbe wie bei Schwangerschaften: Ein bisschen Schwanger geht nicht. Die Dauer der Entschlüsselung ist völlig egal: Dass die Mails überhaupt entschlüsselt werden können und dann auch noch werden ist das Problem. Dadurch ist die versprochene Vertraulichkeit - wie auch beim E-Postbrief - nicht vorhanden. Und nicht nur ein bisschen nicht. Und so einfach muss mans dem Staat nun wahrlich auch nicht machen, uns zum gläsernen Bürger machen zu lassen.