Kommunikation kann davon profitieren, wenn man die Prozesse der Informationsvermittlung richtig (aus)nutzt. Daher kann es gefährlich werden, wenn Medienprozesse sich nicht verändern. Die AfD und andere Populisten sind super darin, das Medienverhalten zu analysieren, die Schwachstellen zu finden und dann dazu zu nutzen, ihre Inhalte so darin unterzubringen, dass sie nahezu ungefiltert ans Publikum weitergereicht werden.
Wir können mit den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus derzeit beobachten, was passiert, wenn so eine etablierte Kommunikationsschleife durchbrochen wird und Populisten ihre Deutungshoheit und Initiative verlieren.
Wie die AfD es schaffte, über Jahre ihre Narrative in die Medien zu puschen und warum Kommunikationsmenschen seit Jahren ungehört erklären, warum es wichtig ist, dass sich Medien hier anders verhalten, erklärt der Soziologe Nils C. Kumkar mit drei Punkten.
1. Die AfD hat es geschafft, sich als das grundlegende "Nein zur Politik" zu etablieren.
2. Die AfD spricht Menschen mit Abstiegsängsten an.
3. Sie erreicht die 20% der Bevölkerung, die einfach generell fremdenfeindlich sind.
Dazu meine Anmerkungen:
zu 1. Die wichtigste Grundregel des Populismus ist die 100% Ablehnung von einfach allem. Egal, zu was man gefragt wird, es ist Mist und man ist dagegen. Deswegen ist es auch egal, ob man Gegenargumente hat, wenn man mit ihnen spricht und eigentlich ist die richtige Reaktion auf Leute, die grundsätzlich alles ablehnen, sie stehen zu lassen und die Dinge zu tun, die man tun möchte. Man kann niemanden "mitnehmen", der nicht mitgenommen werden will und das einzige, das man schafft, wenn man es versucht, ist ihnen ein Machtgefühl zu geben, das aber fest an ihre Ablehnung geknüpft ist. D.h, sie werden die Ablehnung verstärken, um ihre gefühlte Macht zu behalten.
zu 2. Angst erzeugen ist einfacher als Angst nehmen. Daher wird die AfD hier immer einen Vorsprung haben, sobald man sie sprechen lässt. Es ist auch egal, ob diese Ängstszenarien völlig übertrieben oder sogar komplett irreal sind, wie die von millionenfachen Impfschäden, dass Ausländer die Bevölkerung austauschen oder dass es zu Stromblackouts kommt, wenn wir keine Atomkraft mehr nutzen.
Gegen diese Szenarien zu argumentieren hält sie länger am Leben als sie mit "Das ist halt Quatsch und über solchen ausgedachten Blödsinn rede ich nicht mit dir, das kannste mit deinen Verschwörungsmärchenfreaks diskutieren" abzuschmettern.
zu 3. Da sagt Kumkar bereits das Richtige: Diese Leute werden dann aktiviert, wenn ALLE über das Thema sprechen, nicht nur die, die ohnehin fremdenfeindlich sind.
Denn wenn ein Thema als politisches "Problem" hochgejazzt wird (obwohl es in Deutschland gar keine nennenswert hohen Einwanderungszahlen gibt und das somit gar kein reales Problem ist), braucht sich die AfD ja nur hinstellen und sagen: "Nur wenn ihr uns wählt, bekommt ihr wirklich, was ihr wollt", weil sie sich gar nicht die Mühe machen müssen, Einwanderung als Problem zu framen - das machen die anderen ja bereits.
Mit anderen Worten: Alle drei Punkte zeigen, was Medien und Politik seit mindestens 2015 falsch machen und was Soziolog*innen und Kommunikationsleute schon immer bemängeln: Man spricht nicht mit Extremisten, sondern über sie - nur so behält man die Deutungshoheit.
Und wie Kumkar sagt: „Sobald die Debatte nicht mehr um ihre Themen kreist, hat die AfD Schwierigkeiten.“
Ich bin ehrlich: Ich hab eigentlich gar keine Lust, dieses Jahr diesen Rückblick zu machen. Der Grund ist: Das Jahr war nicht grundsätzlich Scheiße. Bis Juli war es sogar ausnehmend gut. Und auch im schwierigen zweiten Teil des Jahres gab es interessante, schöne und glückliche Tage. Es hat aber einfach am Ende zu wenig von den Dingen geklappt, die hätten klappen müssen, um nicht enorm anstrengend, frustrierend und kräftezehrend zu sein und das vermiest mir gerade so die Stimmung, dass ich mich sehr bemühen muss, zumindest halbwegs konstruktiv zu bleiben und diesen Eintrag nicht einfach nur mit "Das Jahr? Kann weg." abzuschließen. Das wäre undankbar und eben auch wirklich falsch.
Denn wie Der Doctor schon sagte: “Every life is a pile of good things and bad things. The good things don’t always soften the bad things, but vice versa, the bad things don’t always spoil the good things and make them unimportant.” - und ich bräuchte eigentlich erst etwas mehr Abstand von den "bad things", damit die "good things" wieder das richtige Gewicht haben.
Daher mach ichs kurz.
Der Fragebogen, Folge 21
(Hier die vorigen: 2022, 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014,
2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003)
Zugenommen oder abgenommen? Gleich geblieben.
Haare länger oder kürzer? Ebenfalls gleich geblieben.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger? Immer noch die Kurzsichtigkeit besser, die Nahsicht schlechter. Altersbedingt halt.
Mehr bewegt oder weniger? Das weiß ich nicht. Ich hab mich bewegt.
Mehr Kohle oder weniger? Weniger. Was theoretisch gereicht hätte, aber bei Selbständigkeit leider ein riesen Folgeproblem nach sich zieht, da die Steuern für das bessere letzte Jahr und die Sondervorauszahlung für das (natürlich vom Finanzamt gleich gut oder besser geschätzte) Folgejahr exorbitant sind, und dann auch noch alles gleichzeitig direkt nach dem Sommerloch gefordert wird.
Mehr ausgegeben oder weniger? Weniger für mich.
Der hirnrissigste Plan? Einen Firmenkredit zu beantragen in der Annahme, dass die laut Bankberaterin kein Problem sei und ihn dann doch nicht zu bekommen.
Die gefährlichste Unternehmung? Ich mach ja nichts gefährliches.
Der beste Sex? Jep.
Die teuerste Anschaffung? Ein E-Auto.
Das leckerste Essen? Salami.
Das beeindruckendste Buch? Ich schaffe es derzeit nicht, zu lesen. Dazu brauch ich eine innere Ruhe, die ich derzeit nicht habe.
Der ergreifendste Film? Entweder hab ich grade einfach vergessen, was ich alles geschaut habe oder es war wirklich nichts "ergreifend". Mir hat Avatar 2 viel besser gefallen, als ich erwartet habe. Das einzige, was ich hier anbieten kann ist diese tolle Dokumentation über eine Sci-Fi Band in Disneyland. Und ich habe eine Serie für euch: Kohlrabenschwarz ist eine ganz phaatastische deutsche Serie, die ich uneingeschränkt empfehelen kann.
Die beste Musik? Christopher Tin, To shiver the Sky
Das schönste Konzert? Das tolle Lord of the Rings Konzert in Wuppertal mit dem Ukrainischen Staatsorchester und einem hervorragend gelaunten Jed Brophy als Gastgeber.
Die meiste Zeit verbracht mit...? Unverändert: Homeoffice und meinen Liebsten in der Villa.
Die schönste Zeit verbracht damit...? Katzen auf dem Schoß schlafen zu lassen.
Vorherrschendes Gefühl 2023? Enttäuschung. Wobei das halt eigentlich nicht stimmt sondern nur für das Ende des Jahres gilt, während des Jahres gabs vieles andere: die re:publica war schön, Ich hatte ein paar wirklich coole Jobs die auch viel Spaß machten und ich konnte mehrfach meine Expertise beweisen - was dazu führte, dass ich dieses Jahr fast nur noch Jobanfragen hatte, in denen es darum ging, dass ganz explizit ich angefragt wurde. Das ist schon eine schöne Sache.
Ich hab aber letztes Jahr gedacht, ich hab ganz viel geradegerückt, mich gut vorbereitet und aufgearbeitet, so dass ich einen sauberen Start in 2023 haben konnte. Es gab dann aber bereits kurz vor Weihnachten den ersten Rückschlag, weil ein Projekt, das eigentlich noch mindestens 3 Monate laufen sollte und mir die Rücklagen für das schwierige Steuerjahr eingebracht hätte, sehr plötzlich eingestellt wurde und wegbrach. Da war ich erst noch guter Dinge, aber danach hat einfach alles, was irgendwie wichtig gewesen wäre, nicht geklappt. Zuletzt kam Anfang Dezember auch noch die Absage für ein EU-Projekt, für das ich seit Mai geackert habe (zugegebenermaßen haben wir uns aber bereits gedacht, dass die Ausschreibung nur pro forma war - nachdem wir aber drei mal um weiteren Input gebeten wurden, hatte ich mir dann doch ein bisschen Hoffnung gemacht). Die hat mich nicht mal mehr besonders geärgert, weil ich an dem Tag mit Lebensmittelvergftung im Bett lag.
2023 zum ersten Mal getan? Ein E-Auto geleast.
2023 nach langer Zeit wieder getan? Ein Versprechen, von dem ich mir sicher war, es halten zu können, nicht halten können. Ich werds trotzdem begleichen, aber das ist mir einfach enorm peinlich.
3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen? 1. Besagtes Versprechen nicht halten zu können. 2. Dass Gefühl, dass einfach gar nichts geklappt hat - was eigentlich nicht stimmt, ich hab so viel hinbekommen und weggearbeitet, dass ich eigentlich total stolz sein müsste. Es fühlt sich nur gerade nicht danach an. 3. Dass diese Phase noch nicht vorbei ist und ich einfach gerne mal wieder nicht sofort "anstrengend" denke, wenn mich jemand fragt, wie es läuft.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte? Dass wir ein wirklich großartiges, innovatives Konzept mit einer geradezu genialen technischen Grundlage für ein Rollenspiel für das Europäische Parlament haben. Leider wollte man aber wohl lieber doch weiter eine interaktive Powerpoint-Präsentation. Naja. Story of my life.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat? Meine schlechte Laune der letzten 5 Monate auszuhalten und mir immer wieder Mut zu machen.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat? Ich mach das nur, wenn du dabei bist und das leitest, weil ich den Job niemandem anderem zutraue.
2023 war mit 1 Wort...? Unfair.
Bitte schaut euch mal dieses Video an: https://www.youtube.com/watch?v=Qu3e4nL6_y0
Das Nostalgieproblem - also die Annahme, dass früher alles besser war - wird in diesem Video recht gut erklärt. Ich möchte aber eine Ergänzung hinzufügen, da es 2x wirklich ganz kurz davor ist, eine wesentliche Erkenntnis zu formulieren, aber dann nicht dort hingelangt - vor allem, weil am Schluss die Frage gestellt und offen gelassen wird, ob es nicht vielleicht doch so ist, dass die derzeitigen Kritikpunkte über neue Medien doch valide sind.
Die Antwort ist: Ja, sie sind valide, aber das waren die Punkte von früheren Medienkritiken, die er im Video auflistet, zu ihrer Zeit auch und hier ist die Erkenntnis, die im Video zwar offen vor uns liegt, aber nicht benannt wird: Es sind nicht die Medien selbst - also ihre Technik und Mechanismen -, die problematisch sind, denn die sind ja offensichtlich austauschbar. Es ist der Lern- und Adaptionsprozess, um mit Medien umzugehen, wenn sie sich verändern oder neu entstehen. Ob es Bücher waren, dann Filme, Radio, Fernsehen, Computerspiele und die gesamte Bandbreite an medial gestützen Interaktions/Konversationsmitteln: Es musste und es muss auch weiterhin immer die Kompetenz entwickelt werden, diese zu nutzen und das Ungleichgewicht zwischen Sendern und ihren Möglichkeiten und Empfängern und ihren Fertigkeiten auszugleichen.
Der Autor des Videos fällt am Ende ein bisschen auf genau die Effekte herein, die es vorher beschreibt (und er vermutet das ja sogar, weiß aber nicht genau, warum), denn er ist heute im Umgang mit den aktuellen Medien in einer anderen Situation als im Umgang mit den Medien, mit denen er aufgewachsen ist. Für die hat er nämlich ein Verständnis in einer Zeit entwickelt, in der er nicht bewusst darüber nachgedacht hat, dass er das überhaupt tut.
Das ist aber dieselbe Situation die Kinder, Jugendlichen und junge Menschen heute durchleben und da er ja zuvor schon herausgearbeitet hat, dass es vor allem ein Problem der älteren Generationen ist, deren Erfahrungen auf Veränderungen nicht mehr anwendbar sind, könnte er dennoch sehen, dass so, wie er damals ein "natürliches" Verständnis für die Medien seiner Jugend entwickelt hat, dasselbe für die jüngeren Generationen heute gilt.
Und wenn er diese vor manipulativen Algorithmen, Fakenews und Suchtspiralen warnt, ist das zwar valide - denn wie gesagt: die gibt es - aber die Gefahr ist am Ende dieselbe wie die Suizidgefahr durch "Die Leiden des jungen Werther", das sich verlieren in Traumwelten durch Dungeons&Dragons, das Abgleiten in geschlossene Subkulturen durch Heavy Metal Musik oder die Reizüberflutung durch 50 Fernsehkanäle statt nur dreien.
Und so ist es genau, wie er sagt: Am Ende warnt er die falschen vor viereckigen Augen, denn wirklich lernen, mitzukommen müssen die älteren Generationen. Und das ist die Erkenntnis, die fehlt: Wir könnten das gut, wenn wir uns die Kompetenzen der jungen Menschen abschauen würden. Aber das ist nicht so leicht, wenn wir glauben, dass wir diejenigen sind, die schon alles wissen und den Jüngeren beibringen müssen, mit Medien umzugehen.
(Und als empirischen Beweis dafür möchte ich gerne mal darum bitten, nachzusehen, aus welchen Alterskohorten diejenigen wohl kommen, die ständig wütend und unreflektiert unter all die Klickbait-Artikel kommentieren und jede noch so offensichtlich falsche Fake-News teilen).
Mal wieder ein bisschen Kommunikationsanalyse, denn da steckt noch so viel unterschwellige und unfreiwillig verräterische Kommunikation in dieser Stellungnahme, die bemerkenswert ist. Nicht nur das, was @Anwalt_Jun heraushebt:
1. "in Medien (wird) über den Fall Bahar Aslan berichtet"
Hier von einem "Fall" zu schreiben suggeriert, dass es nicht etwa um einen Konflikt geht, sondern dass bereits vorausgesetzt ist, dass ein Fehlverhalten ihrerseits vorliegt und es lediglich um die Reaktion darauf geht.
2. was @Anwalt_Jun bereits schrieb. Dazu die Anmerkung, dass auch das nicht mit "wir wir meinen" oder "aus unserer Sicht" eingeleitet wird. Man begründet die Entscheidung nicht mit der eigenen Wahrnehmung sondern als Reaktion auf einen Fakt, um sich aus der Diskussion zu ziehen.
3. Der dritte Absatz ist etwas amüsant, denn scheinbar sieht man sich ja doch in einem Rechtfertigungszwang (was nie gut ist - es zeigt mindestens, dass man sich doch nicht so sicher ist. Wären die Fakten so klar wie zunächst suggeriert, bräuchte man das nämlich gar nicht).
Dann passiert einem sowas wie die Formulierung "eine differenzierte, vorurteilsfreie Sichtweise auf Demokratie, Toleranz und Neutralität" die ungefähr das Gegenteil dessen sagt, was man wahrscheinlich glaubte, zu sagen. Demokratie, Toleranz und Neutralität sind nämlich Werte.
Und Werte sind keine Sichtweise sondern eindeutig. Was eine Sichtweise wäre ist, ob man diese Werte leben und vermitteln will oder nicht. D.h. eine "differenzierte vorurteilsfreie Sichtweise" auf diese Werte inkludiert und validiert aktiv diejenigen, die sie ablehnen. Das ist 100% nicht, was man sagen wollte, aber so funktionieren wir Menschen, wenn wir unter Rechtfertigungsdruck kommunizieren: Wir schreiben eine unvoluntary confession, denn unbewusst wollen wir eigentlich die Wahrheit sagen.
4. Es gab eine Entscheidung, aber es erfolgen noch Gespräche. Was jetzt: Ist die Entscheidung jetzt getroffen oder doch noch nicht? Diesem Absatz fehlt die Info, worüber eigentlich gesprochen wird. Meiner Ansicht nach ist der Absatz nur dafür eingefügt, um Nachfragen mit "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns nicht weiter äußern, so lange noch Gespräche geführt werden " beantworten zu können in der Hoffnung, dass sich das mediale Interesse über die Zeit legen wird.
5. Der Disclaimer-Absatz: "Wir sind so und so, also können wir ja gar nicht die uns angelasteten Fehler machen." Was natürlich nicht stimmt - man kann immer Fehler machen, egal wie gut die Intentions sind.
Aber was viel interessanter ist: auch hier hat das schlechte Gewissen zugeschlagen und ein "wir sehen uns selbst als" verwandelt die als starker, eindeutiger Fakt gedachte Aussage zu einer schwachen Meinung mit der Energie einer nicht mal sonderlich aktiven Willensbekundung.
Und warum fällt es niemandem auf, bevor sowas rausgeschickt wird? Das verrät der passive Schreibstil, der die Positionierung als eine höhere, neutrale Instanz vermitteln soll. Die HSPV NRW bleibt komplett Personenfrei (der Präsident, das Präsidium). Der einzige vollständige Name im Text ist der von Frau Aslan. Das heißt: Auf Seite der HSPV stehen hierarchisch höhergestellte Würdenträger, auf Seite von Frau Aslan nur sie selbst als einzelne Person. Ihre niedrigere Stufe in der Hierarchie wird zwar auch noch genannt (Lehrbeauftragte), aber nicht mal die hat sie mehr, weil sie in der Vergangenheitsform formuliert ist: Hier spricht eine mächtige Maschine über ein unbedeutendes Rädchen.
Das ist der ganz typische Schreibstil von geschlossenen Systemen und das erklärt auch den Inhalt, denn die setzen - wenn man es nicht bewusst anders macht - immer auf containment und deflection. Was immer dazu führt, dass die Person, die auf Missstände hinweist, als größerer Störfaktor wahrgenommen und behandelt wird, als der Missstand selbst. Der Kurzschluss, der dahinter steckt ist, dass man meint, sowas gehöre "intern gelöst". Der Fehler der Person ist, "nach draußen gegangen" zu sein und somit das "Vertrauen" gebrochen zu haben. Vertrauensbruch ist aber in einem geschlossenen System das größtmögliche Vergehen, selbst wenn das nirgends steht oder bewusst so formuliert ist. Es ist systeminhärent. Deswegen merkt man es auch nicht, wenn man systemkonform reagiert. Wir kennen das alle aus Schulen, Kirche, Vereinen usw.
Wenn ich fragen würde "Warst Du in der Schule mal Opfer von Bullies?", sagt die Mehrheit "Ja, klar." Und wenn ich frage "Was ist passiert, wenn Du Dich darüber beschwert hast?" wette ich alles drauf, dass die häufigste Antwort ist "Ich habe noch mehr Ärger bekommen."
Kommunikationsprozesse von geschlossenen Systemen sind gut untersucht und dieser folgt 100% dem klassischen Ablauf. Ich würde annehmen, niemand, der sich ein bisschen damit auskennt, wundert sich darüber auch nur ein bisschen - außer vielleicht, dass das immer noch so allgegenwärtig ist.
Die Forderung nach "Friedensverhandlungen statt Waffenlieferungen" beinhaltet zwei Tricks, die in den letzten Jahren inflationär genutzt werden - leider weil es so gut funktioniert:
Der erste Trick ist, etwas so zu fordern oder zu behaupten, dass es sich so anhört als ob das, was gefordert oder behauptet wird, noch nie passiert ist.
"Die Klimaaktivisten sollen erst mal Vorschläge machen!"
Fakt ist aber: Natürlich machen sie seit Jahren Vorschläge.
"Deutschland zahlt als einziger die Entwicklungshilfe für alle anderen!"
Fakt ist aber: Natürlich zahlen andere auch und oft genug auch wesentlich mehr.
"Warum muss ausgerechnet Deutschland als einziger alle Flüchtlinge aufnehmen?"
Fakt ist aber: Deutschland ist weder das einzige Land, das Flüchtlinge aufnimmt und auch nicht das, das die meisten aufnimmt.
"Warum soll Deutschland immer vorangehen und zuerst seine ganze Wirtschaft auf Nachhaltigkeit umstellen?"
Fakt ist aber: Deutschland ist so langsam, dass wir inzwischen so weit hintendran sind, dass es schon ein Wunder bräuchte, um in einer absehbaren Zeit wenigstens ins Mittelfeld aufschließen.
Und genau so ist es mit "Verhandlungen", die angeblich nicht stattfinden, weil man ja lieber Waffen liefere: Selbstverständlich gab und gibt es und wird es selbstverständlich auch weiter Versuche für Verhandlungen geben. Sie haben halt bisher nichts erreichen können. (*Waffenlieferungen und Sanktionen erhöhen sogar wie Wahrscheinlichkeit für Verhandlungen, denn ihr Zweck ist ja, den Druck hoch zu halten, damit Putin auch irgendwann merkt, dass er nicht ohne Verhandlungen weiter kommt).
Aber es geht noch weiter, das war ja nur ein Trick: Diesen kombiniert man nämlich auch noch mit einem zweiten Trick, nämlich der angegriffenen Partei zu unterstellen, das Gegenteil von dem zu wollen, was man sich gerade als eigene Forderung rausgepickt und so zuvor unterstellt hat, dass es nicht passiert. Also "Waffen liefern".
Es ist allerdings so: Niemand _will_ das und man sieht das zB daran, wie lange das dauert und wie lange sich zB der Kanzler geziert hat, überhaupt das Wort "Waffenlieferung" in den Mund zu nehmen.
Warum macht man das? Es geht den "Friedensaktivist*innen" um Wagenknecht und Schwarzer nicht um Frieden. Es geht - wie allen Populisten - um eine Erzählung, in der es zwei absolute Seiten gibt. Die eigene und die falsche. Das geht nur, wenn die andere Seite vollständig abgelehnt werden kann. Und dafür muss man die andere Seite erst mal so konstruieren, dass alles, was man selbst behalten will, dort nicht mehr vorhanden ist. Also darf der Gegner nicht mehr "Frieden wollen" und "verhandeln". Und daher formuliert man seine Forderungen so, dass es einen Gegensatz gibt und verknüpft das mit der Behauptung, der Gegner wolle das Gegenteil von "uns".
Wer diese Rhetorik verwendet, dem geht es um etwas anderes als die Sache, von der er spricht. Denn sie ist austauschbar. Seit mindestens 2015 erzählen die immer gleichen Leute mit der immer gleichen Rhetorik, dass es ein "Wir" und ein "Die" gibt. Das Thema wechselt: Asylbewerber*innen, Flüchtende, Vegane Freitage, Corona-Impfungen, Gendern, Klima.
Wenn man das Prinzip dieser Rhetorik ein mal verstanden hat, ist es erstaunlich einfach, zu erkennen, wenn sie wieder mal angewendet wird. Es lohnt sich also, darauf zu achten. Denn es ist wie bei des Kaisers neuen Kleidern. Wenn man einmal gesehen hat, dass der Kaiser nackt ist, können die Wagenknechts, Schwarzer, Höckes, Merze oder Lindners sich den Mund fusselig reden: Man erkennt es sofort als das Gaslighting, das es ist.
Der Fragebogen, Folge 20.
(Hier die vorigen: 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013,
2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003)
Dieses Jahr war ein bisschen viel durcheinander und es gibt gar keinen roten Faden. Es bestand aus einer Menge kleiner Ereignisse, die meisten davon privat, einige beruflich, einige irgendwo dazwischen. Ich war wieder mehr unterwegs. Es gab die re:publica, über die ich gar nichts geschrieben habe, die aber ein Highlight war. Es war schön, mal wieder unter Menschen zu sein, die ich lange nicht mehr gesehen habe und es war schön, unsere Sessions über den Tod in der Netzfamilie wieder aufzunehmen. Gerade durch Corona war sie dieses Jahr auch besonders eindrücklich und wie mir Besucher*innen hinterher sagten, nötig.
Wir haben das erste ifoL - unser kleines MiniLARP Festival - seit 2 Jahren gehabt, diesmal auch mal wieder im Sommer. Und auch das war bestimmt davon, dass wir uns nach längerer Zeit endlich mal wieder gesehen haben.
Wir hatten Familientreffen, ich war mal wieder in Mannheim, Eva hat endlich mal wieder ein Conquest auf die Beine gestellt und ich war zum ersten mal die ganzen drei Wochen mit vor Ort statt nur für ein paar Tage.
Es sind Menschen gestorben, bei denen ich das Gefühl habe, dass es unfair und gemein ist.
Ich habe mich in Wuppertal komplett eingerichtet, inklusive Ummeldung und allem drum und dran. Köln fühlt sich viel weiter in der Vergangenheit an, als es ist. Das "neue" Leben in einem Haushalt mit mehr als einer Person richtig und passend. Ich bin gerne hier, ich sitze gerne in meinem Zimmer und ich habe gerne die Menschen um mich, mit denen ich jetzt zusammenlebe. Daher habe ich endlich auch wieder das Gefühl, jetzt kommt die Zeit, was neues auszuprobieren, auch wenn ich noch nicht 100% weiß, was. Aber ich habe jetzt eine großartige Basis dafür und bin daher gespannt, was mir das nächste Jahr anbietet, ich bin an der richtigen Stelle und mit den richtigen Menschen, um jetzt auch einen ganz großen Schritt zu machen.
Jetzt zum alljährlichen Fragebogen:
Zugenommen oder abgenommen? Gleich geblieben.
Haare länger oder kürzer? Ebenfalls gleich geblieben.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger? Ich nehme an, wieder etwas schlechter insgesamt. Also die Kurzsichtigkeit nimmt ab, die Weitsichtigkeit zu. Die Gleitsichtbrille muss nächstes Jahr wahrscheinlich wieder neu eingestellt werden.
Mehr bewegt oder weniger? Mehr.
Mehr Kohle oder weniger? Das ist schwer zu sagen. Ich nehme an, etwas mehr insgesamt, aber dieses Jahr war das Sommerloch mal wieder sehr ungünstig gelegen.
Mehr ausgegeben oder weniger? Mehr.
Der hirnrissigste Plan? Auch dieses Jahr keine hirnrissigen Pläne.
Die gefährlichste Unternehmung? Die war eigentlich nicht gefährlich, aber die re:publica nach 2 Jahren Pause und weitestgehender Vermeidung von größeren sozialen Veranstaltungen empfand ich durchaus als Wagnis.
Der beste Sex? Ich weiß seit 20 Jahren eigentlich nicht, was diese Frage soll. Vielleicht muss ich die endlich mal rauswerfen.
Die teuerste Anschaffung? Die Verlängerung des TÜVs von Evas Auto.
Das leckerste Essen? Das schöne daran, nicht alleine zu wohnen ist, dass man kocht und bekocht wird. Daher haben wir wirklich viel leckers gegessen, das wir selbst gekocht haben. Eines der Gerichte, die neu ins Repertoire gekommen sind und dieses Jahr ein paar mal zum Einsatz kam ist die Chicken Stew, die wir letztes Jahr beim "It's full of foods" gelernt haben.
Das beeindruckendste Buch? Ich habe dieses Jahr tatsächlich nichts gelesen. Das muss ich nächstes Jahr wieder anfangen.
Der ergreifendste Film? Everything Everywhere All At Once.
Die beste Musik? Sparks, Annette.
Das schönste Konzert? Ich gehe immer noch nicht auf Konzerte. Viel zu viele Menschen auf viel zu engem Raum.
Die meiste Zeit verbracht mit...? Wie letztes Jahr: Homeoffice und mein kleiner Cluster in der Villa: Eva, Luna und Lewin.
Die schönste Zeit verbracht damit...? ...zu Hause zu sein.
Vorherrschendes Gefühl 2022? Anspannung. Aber nicht negativ gemeint. Ich habe das Gefühl, dass 2023 gut für Veränderungen und Wagnisse sein wird und möchte dafür alles in den richtigen Bahnen gelenkt haben und vorbereitet sein. Dafür musste ich meine Finanzen in Ordnung bringen, die Ummeldung nach Wuppertal machen, mich hier fertig einrichten und ein paar Dinge in meinem Kopf klar zu bekommen. Praktisch alles, was ich dieses Jahr gemacht oder angestoßen habe, stand unter dieser Prämisse und das war eine wirklich lange und zuweilen anstrengende Zeit, für die das Ergebnis erst noch kommen wird.
2022 zum ersten Mal getan? Nicht zum ersten mal, aber schon seit langer Zeit nicht mehr: Mich umgemeldet.
2022 nach langer Zeit wieder getan? Für einen großen Konzern gearbeitet. War wichtig, einerseits finanziell, aber auch, um zu sehen, dass ich das gut kann.
3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen? 1. Das Sommerloch, das mir ein paar Monate Kopfzerbrechen bereitet hat. 2. Wie Politik und Medien den gesellschaftlichen Egoismus massiv vorangetrieben haben. 3. Meine Nervosität, wenn Dinge, die einfach Zeit brauchen eben Zeit brauchen.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte? Dass man sich auf mich verlassen kann.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat? Meine Ungeduld auszuhalten.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat? Noch so eine Frage, die ich fast jedes Jahr nicht wirklich beantworten kann. Vielleicht muss ich die auch mal rauswerfen oder mit einer anderen ersetzen.
2022 war mit 1 Wort...? Vorbereitung.
(Quelle)
Es ist zwar durchaus erstaunlich, wie gut AI Software anscheinend menschliche Eigenschaften aufweist - zum Beispiel gehen ja grade auch zig Beispiele von wirklich beeindruckenden Grafikgeneratoren herum, die offensichtlich hervorragende Designskills zeigen - aber die Wirklichkeit ist ja, dass AIs nur "simulieren", dh sie erlernen Texte und Bilder und Designs, die Menschen erzeugt haben, erzeugen davon Mashups und testen die Plausibilität an den Reaktionen darauf.
Bei genauerer Betrachtung merkt man das auch, denn keins der Ergebnisse zeigt wirklich eine "bewusste" Intention der AI selbst. Die einzige "Qualtität", die AIs ausmacht ist die Fähigkeit, zu verschleiern, dass sie eigentlich keine eigene Intention hat und somit auch gar keine eigene Kreativität. Die Ergebnisse sehen kreativ aus, aber das liegt eben am Material, das sie benutzt und kombiniert. Sie lernt auch nicht, eine Aussage für ihre Erzeugnisse zu erdenken, sondern nur, wann die User "zufrieden" damit sind.
So entsteht gerade eine Fehlwahrnehmung darüber, was AIs tatsächlich tun und was dafür notwendig ist, damit sie es "richtig" machen. Die Faszination ist dieselbe, die wir haben, wenn wir David Copperfield bei einem sehr guten Zaubertrick zuschauen. Aber genauso wenig, wie David Copperfield mit seiner Illusion, innerhalb von Sekunden von New York an die Chinesische Mauer und zurück zu teleportieren, Flugreisen ersetzen wird, werden AIs selbständig und bewusst Kunst erschaffen.
Wir mögen halt aber auch Zaubertricks, daher mag ich AIs trotzdem. Ich finde es auch echt cool, dass die Google AI so gut gelernt hat, welche Antworten uns davon überzeugen, sie habe ein Bewusstsein. Aber sie hat keins, sondern führt die Anweisung aus, eines zu simulieren - was sie mit Texten, die sie aus Konversationen zwischen Menschen herauszieht, so lange testet, bis die Reaktion darauf den größtmögliche Match zu den Reaktionen in echten Konversationen ergibt.
Und das ist eben etwas, was AIs wirklich sehr gut können.
Ein bisschen Hypekunde: Die meisten angeblichen Shitstorms sind in Wirklichkeit keine, sondern zunächst mal Diskussionen in sehr kleinen Nischen. Was Medien inzwischen aber gerne tun ist, immer wieder solche Diskussionen zu suchen und zu behaupten, es gäbe da gerade einen massiven Streit, der die Gesellschaft "spaltet".
Den gab es aber bis dahin gar nicht und "gespaltet" hat der auch nichts neues (darüber schrieb ich schon mal), sondern der berichtete "Streit" entsteht gemeinhin erst durch die Aufmerksamkeit, die die Medien durch den Bericht darüber dafür erzeugen. Denn Medien haben immer noch eine relevante Reichweite, um ein Thema zu pushen, aber nur wenn man es so emotional, provokant und provokativ wie mur möglich präsentiert und leider hat sich in den letzten Jahren dort herumgesprochen, dass Kontroversen am meisten Klicks und "Engagement" (in Form von zig Menschen, die sich tagelang ununterbrochen gegenseitig beschimpfen) bringt - die Währung, von der sie glauben, die wichtigste im Internet zu sein.
Derzeit lässt sich das wieder schön beobachten and Hand des "Winnetouverbotes", das angeblich irgendwelche woken Linken fordern würden und den Ravensburger Verlag dazu gebracht hätten, ein Kinderbuch - übrigens nicht von Karl May geschrieben - nicht mehr weiter zu veröffentlichen. Magnus Nufer hat auf Twitter mal nachgesehen, wann der "Shitstorm" wirklich stattfand und fand heraus: nicht während der Zeit, in der er laut Medien stattfand und nicht seitens derjenigen, die ihn angeblich angezettelt haben:
Nichts von dem, was zuvorderst natürlich wieder die Bildzeitung berichtete ist wirklich passiert, aber alle Medien und Verlage sind inzwischen auf den Hype-Zug aufgesprungen und heizen den "Shitstorm" kräftig an mit immer abstruseren, absichtlich missverständlich formulierten Headlines wie "ARD will nie wieder Winnetou zeigen" (worum es wirklich geht: 2020 sind die Senderechte ans ZDF gegangen. Völlig normaler Vorgang, der auch nichts mit der jetzigen Diskuusion zu tun hat) und freuen sich einen Ast darüber, endlich wieder mal eine öffentliche "Debatte" zu steuern. Denn darum geht es eigentlich - man möchte Relevanz demonstrieren. Auf der einen Seite ist das natürlich eine sehr zynische Sicht auf die eigene Arbeit und den Umgang mit seinem Publikum, auf der anderen Seite ist es auch sehr traurig und zeigt eine gewisse Verzweiflung, wenn man dort keine anderen Möglichkeiten mehr sieht, relevant zu sein, als im künstlichen Anheizen von Pseudoaufregungen, die keinerlei Mehrwert für irgendwen haben. Am Ende nicht mal für sie.
Weiterer Input:
Datenanalyse der Winnetou-Debatte
Bildquelle: Twitterthread von Magnus Nufer
Letzten Mittwoch war ich in Berlin auf dem "Meta Press Day" und habe mir angehört, wie sich Meta für die nächsten Jahre in Sachen #metaverse aufstellen will. Das war tatsächlich interessant (und kann man alles nachsehen. Hier gibts auch ein Foto, auf dem man sehen kann, dass ich tatsächlich in Innenräumen konsequent Maske trage).
Was mir als alten Internetsack aufgefallen ist war, dass ich die - und ich glaube sogar, das ist völlig Ernst gemeint - Versprechen von mehr Inklusion, mehr Freiheit und mehr konstruktiver Interaktion, die die neue (bzw. eigentlich auch nur weiterentwickelte) Internettechnik bringen soll, schon öfter gehört habe in den letzten 25 Jahren.
"Alles wird dezentral und vernetzt, alle bekommen Zugang zu Informationen und Unterhaltung bei gleichzeitiger Ermächtigung der Einzelnen, mehr Souveränität, mehr Authentizität, besserer Schutz der Privatsphäre" und so weiter sind schon die Schlagworte des allerersten Internets gewesen - bis die Telkos es zentralisiert und diese bunte, vielmaschige Infrastruktur zu "Datenautobahnen" gemacht haben.
Und dann waren es dieselben Schlagworte für die sozialen Medien. - bis die Major Player, und allen voran Facebook, es zentralisiert und alle Vernetzungsoptionen gekappt haben.
Ich bin nicht gegen das Metaverse, ich glaube aber nicht, dass es sich anders entwickeln wird: Es wird gute technische Ideen geben, coolen Scheiß und super kreative Menschen hervorbringen. Es wird Kulturen und Subkulturen zusammenbringen und all das tun, was auch schon die vorigen Iterationen des Internets und seiner Technik hervorgebracht haben. Aber die Vorstellung, dass ein neuer/weiterentwickelter Satz technischer Standards irgendwie Menschen besser machen würde ist magisches Denken und davon sollten wir uns beim dritten mal vielleicht auch einfach mal verabschieden.
Die Realität ist - wie so oft - wesentlich unspektakulärer: Spaltung suggeriert ja, dass es einen halbwegs gleich großen Anteil von Progressiven und Konservativen gibt, die sich unversöhnlich gegenüberstehen. Dass das so gar nicht stimmt, sondern vor allem ein Fehlschluss ist, der aus dem medialen false balancing von Meinungen (Wir bekommen ständig 50/50 eine pro und eine contra Stimme gegenüber gestellt ohne dass berücksichtigt wird, wie hoch der Anteil der beiden Gruppen eigentlich ist) entsteht, wird seit einiger Zeit immer wieder angemahnt, aber so richtig angekommen scheint mir das noch nicht zu sein.
Am Beispiel des pinken Trikots können wir aber erneut sehen, wie klein die Gruppe derer ist, die sich über das ach so woke rosa Shirt echauffieren und das sogar in einem Umfeld, das gerne als positiv ausgedrückt "bodenständig" angesehen wird: Es ist nämlich ein massiver Verkaufsschlager.
Was sagt uns das: Die Aufregung ist gar nicht so groß wie sie erscheint. Und die Spaltung der Gesellschaft ist in Wirklichkeit gar nicht vorhanden - die Kritiker des "Wokismus" einer T-Shirtfarbe ist eigentlich eine winzige Minderheit, die es ja zu jedem Thema gibt und die es auch immer gab. Der einzige Unterschied ist, dass man ihre Bedeutungslosigkeit früher medial korrekt eingeordnet hat und man sie folgerichtig ignoriert hat.