Arbeit/keine Arbeit
Wovor wir alle Angst haben - und zwar zu Recht haben müssen, denn der Sturz, den der Verlust seines Arbeitsplatzes für einen Menschen in Deutschland hat ist so real wie fatal - beschreibt Frau Fragmente in ihrem heutigen Blogeintrag:
... Die Novembertage reihen sich leer aneinander, leer bleibt auch mein Briefkasten. Meine Welt schrumpft, wird zu einer Welt voller Geräusche – das Klingeln des Briefträgers, das Klackern der Briefkastenschlitze – und voller Lärm. Unter mir die Alkoholikerin, ihr Fernseher läuft die ganze Nacht. Neben mir ein Neunzehnjähriger, der gerade sein erstes HipHop-Album aufnimmt. Seine Beats, die mich nachts um zwei aus dem Schlaf reißen, verderben mir die Tage. Aber ich glaube ja, dass ein neuer Job, ein Umzug, ein gutes Gehalt, eine andere Wohnung nur noch kurze Zeit, allerhöchstens ein paar Wochen entfernt sind, jeden Tag kann eine Einladung zum Vorstellungsgespräch im Briefkasten sein. Was aber im Briefkasten liegt, das ist Post von der Bank. Lastschriften sind geplatzt, weil die Bank mir den Dispo gestrichen hat, dafür gibt es übrigens keinen Brief, das passiert einfach so, wieder was gelernt. Ein fallender Dominostein: die Kreditkartenabrechnung kann nicht abgebucht werden, die Kreditkarte wird gesperrt, Amazon storniert alle Bestellungen, darunter auch das Weihnachtsgeschenk für die beste Freundin. Ich zaubere von irgendwoher ein paar Hundert Euro, und fühle mich arm, arm an Möglichkeiten, unfrei...
Unsere Gesellschaft (und wir selbst auch) definiert unseren und den Wert anderer Menschen in allererster Linie darüber, welchen Arbeitsplatz wir haben. Das ist das Hauptkriterium, von dem abhängt, wie wir leben können und wie wir leben dürfen! Wie unglaublich irre ist das eigentlich? Was ist das denn für ein Kriterium?
Es gibt in dieser Gesellschaft keinen schlimmeren, keinen gefährlicheren Absturz, als den, der unweigerlich folgt wenn wir unseren Arbeitsplatz verlieren. Wir verlieren dann nach und nach alles: Geld, Achtung (auch die vor uns selbst), Selbstvertrauen, ein unglaublich großes Stück unserer Teilhabe an der Gesellschaft, ein großes Stück unseres Freundeskreises und am Ende unsere Energie, Lebensfreude, Gesundheit. Und das einzig, weil wir nicht in der Lage sind, unsere Arbeitskraft gegen Geld einzutauschen.
Sich davon freizumachen ist nahezu unmöglich, denn das sind sehr reale Gefahren, der Sturz ist echt, das Konto irgendwann leer und alle utopische Theorie nutzlos, sobald das Teilnehmen am Leben in Deutschland schlicht nicht mehr bezahlbar ist. Eine wirklich alternative und dennoch gute Daseinsform zu finden ist für die meisten Menschen in dieser Situation illusorisch, die es schaffen sind die Ausnahmen.
Viele unserer virtuellen Probleme sind dagegen ein Witz. Womit ich nicht sagen möchte, dass man sich um die nicht mehr kümmern muss, aber einen Moment zum reality check hin und wieder einzulegen schadet auch nicht.
3 Kommentare
Kommentar von: Kai [Besucher]
Wahre Worte! Leider eben die blanke Realität. Der Gedanke “das lege ich mir lieber jetzt zu, denn wer weiß wie lange ich das mir noch leisten kann!” ist heute Programm.
Kommentar von: roland [Besucher]
und wenn man dann weiß, wie zufällig sowas läuft (siehe bei mir jüngst) ists noch absurder.
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Lose!
Lose!
Arbeitslose!
Erster Preis: Arbeit!
…ich kann ihren Phantomschmerz “ich bin kein Naturwissenschaftler” mehr sehr, sehr gut nachvollziehen. Habe ich auch alle paar Monate mal wieder.
Aber es nützt nichts, der Vergangenheit hinterherzutrauern. Hauptsache, man hat was zu beißen auf dem Tisch und ein Dach überm Kopf (und ist gesund).