Liebes Tagebuch (April)
Hab ich letzten Monat noch gesagt, ich fühle mich als Selbständiger sehr wohl? Stimmt immer noch. Aber dennoch kam Anfang April ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte, denn es war quasi genau der Job, für den ich vor 2 Jahren sagte, dass ich mich noch mal anstellen lassen würde und nach zwei Gesprächen, die mir sehr gut gefallen haben, war klar, dass ich das machen will. Das besonders Angenehme diesmal ist, dass ich aus einer Situation heraus verhandeln konnte, in der ich keinen Druck hatte und zu der ich auch jederzeit wieder zurückkommen kann, wenn sich herausstellen sollte, dass es nicht klappt. Nicht dass ich glaube, dass dazu Anlass besteht, aber es ist einfach mal ein schönes Gefühl der Sicherheit, das zu haben mich sehr entspannt. Über das wie und wo schreibe ich dann etwas später.
(Foto: Boris Bernhard)
Dann war ich letztes Wochenende auf einem Larp. Die weiße Dohle spielte im dreißigjährigen Krieg. Da es im Herbst noch einen zweiten Run geben wird, kann ich nicht viel erzählen, aber es ging um Flüchtlinge - von denen ich einer war -, um religiösen Wahn, um die Angst vor dem Fremden und darum, wie unterschiedliche Interessen dazu führen, dass sich am ende keiner mehr vertraut und sich jede gesellschaftliche Gruppierung nur noch um ihre eingenen Interessen kümmert. Für mich war interessant, dass ich verstanden habe, wie Parallelgesellschaften ticken: Es hatte sich mit meiner kleinen Gaunertruppe, die der eigenen "Familie" gegenüber schnell eine hundertprozentige Loyalität und ein Zusammenhalt entwickelt, der uns aber gleichzeitig gegen alle Autoritäten - ob das die Burgherrschaft, der Klerus oder ein Soldatentrupp war - abgrenzte, eine gar nicht so bewusst intendierte Abgrenzung ergeben, wie sie wahrscheinlich auch heute in Vorstädten oder bei ethnischen Minderheiten passiert. Und ich muss sagen: das hat sich sehr gut angefühlt, vor allem, weil wir sehen konnten wie schwach, korrupt oder ideologisch diese ihre Entscheidungen getroffen haben, in denen "wir" keine Rolle spielten.
Ein anderer Effekt, der im Debriefing am Sonntag ganz klar herauskam war, wie erschreckt die SpielerInnen darüber waren, dass sie entgegen besseren Wissens ein Gefühl der Rückerlangung von Kontrolle spüren konnten, als sie am Ende noch ein paar Hexen verbrannten. Der Gedanke war "Wenigstens passiert mal was" oder "Wenigstens tut jemand was", was man auch heute immer mal hört, wenn zum Beispiel ein Asylbewerberheim brennt. Die Erfahrung, dass man mal mitbekommt, wie dieser Gedanke zustande kommen kann - nämlich vor allem durch das Gefühl der Überwältigung und Machtlosigkeit durch die Umstände - war wohl sehr gruselig. Wer so nicht dachte, sagte dennoch nichts, sondern war insgeheim froh, dass es ihn nicht erwischt hat. Am Ende führte beides dazu, dass niemand sich dem sich entfaltenden, offensichtlichen Wahnsinn in den Weg stellte...
Was gabs noch? Ich war auf einer schönen Party eingeladen, die ein warmes und sonniges Wochenende lang dauerte. Sich mit Freundinnen und Freunden viel Zeit zum gemütlichen Feiern und Quatschen und essen und trinken zu nehmen ist etwas, was man viel öfter tun sollte. Leider bin ich sehr schlecht darin, sowas zu initiieren, daher war ich sehr dankbar, dass ich dabei sein durfte.
Das unangenehme Ereignis diesen Monats war, dass ich mir ein gefühlt riesiges Stück Backenzahn abgebrochen habe (Nie wieder Körnerbrot!) und ich jetzt einige Zahnarzttermine vor mir habe.
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