Wir wollen eine Kostenlosgesellschaft
Das soll also das Hauptargument der Kampagne sein, mit der man der "Netzgemeinde", deren Vereinen und auch den Piraten entgegentritt? Wirklich? "Die wollen alles umsonst!"? Ein Argument, dass ungefähr so lange funktioniert, bis man jemanden danach fragt und der sowas sagt wie "Nö, wir wollen eigentlich nur einen der Zeit, der technischen Entwicklung und dem veränderten Konsumentenverhalten angemessenen fairen Interessenausgleich zwischen Künstlern, Verwertern und Konsumenten, da es momentan ein Missverhältnis gibt, das stark zu Gunsten der Verwerter und zu Ungunsten von Künstlern und Konsumenten ausfällt"? Was glaubt ihr denn, wie erfolgreich das funktioniert? Ungefähr so erfolgreich, wie Kohl und Strauß in den Achtzigern die Grünen als "Anarchisten und Terroristen" bezeichnet haben? Meint ihr nicht, dass nicht schon oft genug bewiesen wurde, dass nicht Ernst nehmen einfach nicht klappt? Dann müsst ihr halt noch mal da durch.
Ich wüßte ja wirkliche Probleme, die man bei Piraten oder Nerds oder der vermeintlichen "Internetgemeinde" ansprechen könnte - die noch viel zu hohe Selbstbezogenheit in den Zielen zum Beispiel. Oder dieses immer erstmal zu kurz springen - gerade wenns darum geht, Autoren und Künstler zu verstehen. Oder dass man immer erst mal mit Arroganz und Großkotzigkeit reagiert, wenn man ihnen diese oder jede andere Ignoranz nachweist (Hat einer der Piraten noch mal Lust auf ein paar echt peinliche Zitate zum Thema Feminismus? Ich hab nen ganzen Order voll). Oder - was ich auf der re:publica thematisiert hätte, wäre mein Vortragsthema ins Programm gekommen - dass Nerds einen ziemlich gefährlichen Hang zu Technokratie haben und ihre ganz eigene Spießigkeit pflegen.
Es gibt also Kritikpunkte. Und es gibt auch Bewegung und Entwicklungen. Aber die gibt es zum Beispiel ausgerechnet beim Urheberrecht, wo es inzwischen auf Grund dessen, dass sich Künstler bei den Piraten engagieren, auch rumgesprochen hat, dass es Unterschiede zwischen Kunst/Kultur und Wissenschaft/Forschung gibt und die "Freiheit aller Information" für letztere ja ganz sinnvoll ist, aber für erstere so eben nicht funktioniert, sondern gesondert betrachtet werden muss. Und da passt der Vorwurf "Die wollen alles umsonst!" ja schon jetzt nicht mehr.
So lange man also bei Strohmann-Argumenten bleibt - zu denen auch "Die haben ja immer noch nur ein einziges Thema!" und "Das ist ja nur ne Protest-Partei!" gehören - und selbst nichts wirklich signifikantes an der eigenen Art und Weise, Politik zu machen ändert (außer etwas symbolisches Mimikri zu betreiben), wird man sich also weiterhin Wahl für Wahl wundern, wer die Piraten warum wählt und die Wähler, die offensichtlich schon längst die Alternative zur vielbeschworenen Alternativlosigkeit sehen, beschimpfen. Und ich schau ihnen weiter dabei zu und amüsiere mich.
5 Kommentare
Kommentar von: Sven [Besucher]
Kommentar von: Sanníe [Besucher]
Kostenloskultur gibt es natürlich - und zwar überall. Wie oft meinem Mann, der sein Geld mit professioneller Baumfällung verdient, schon angeboten wurde, er könne die Arbeit ja umsonst machen, er dürfe ja das ganze Holz behalten! Und Webdesigner kennen das Argument, so eine Seite sei ja schließlich Werbung für sie! Groupon, Topdeals und MyHammer sind da nur die Weiterführung des realen Lebens im Web.
Offenbar ist das Parteiprogramm ganz schwer zu finden, deshalb bin ich ja auch dafür, sie in ihrer eigenen Welt zu erwischen: Ausgedruckte Piraten-Programme in jeder Talkshow (und zuvor an die Redaktion) mit einem Lesezeichen beim Urheberrecht. Wer so einen Packen auf dem Schoß hat, wird zugeben müssen, sich einfach nicht damit beschäftigt zu haben.
(Man, wie mich das nervt immer und überall die Piraten verteidigen zu müssen. Viel lieber wäre mir ja, die anderen hätten auch ein paar Antworten. Oder wenigstens Fragen.)
Kommentar von: jensscholz [Mitglied]
> Man, wie mich das nervt immer und überall die Piraten verteidigen zu müssen.
Oh ja. Ganz genau das. Man könnte eigentlich schon viel weiter im Diskurs sein.
Kommentar von: opadidi [Besucher]
geht mir fast genau so nur daß ich es mir nicht generell zur Aufgabe gemacht habe.Aber man kommt bei soviel geistigen Dünnpfiff garnicht mehr drumrum.Letztlich ist man mittlerweile froh wenn in China auf dem Platz des himmlischen Friedens eine Schaufel umfällt.
Kommentar von: Olaf Tietze [Besucher]
Danke!
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Die Piratenpartei will das Urheberrecht abschaffen. Weiß man doch. So wie Grüne wollen, dass wir alle Vegetarier werden. Die Linken wollen alles kommunistisch verstaatlichen. Die Sozen verprassen unsere Steuergelder. Die FDP wollen nur Steuern hinterziehen. Und die Union sind alles verkappte Nazis.