Überwachung ist ein moralisches Problem
Das habe ich im Podcast mit Patrick Breitenbach vor einer Weile gesagt. Was ich damit meine will ich dann doch auch noch mal genauer erklären.
Überwachung ist weder ein neues noch ein technisches Problem. Das Internet eignet sich für Überwachung weil es so gebaut ist, wie es gebaut ist. Es kopiert Daten. Ständig. Auch die verschlüsselten. Auch die getunnelten. Auch die gestreamten. Der Übertragungsweg von Daten von A nach B ist eine Kette von Kopien. Wenn ein Paket Daten irgendwo verloren gehen, ist das nicht schlimm, denn dann wird das eine Paket nochmal kopiert. Kein Mensch muss mehr in dem Moment ein Tonband einschalten, in dem zwei Menschen kommunizieren und wenn mans verpasst ist die Kommunikation nicht mehr vorhanden. Datenübertragung zu kopieren ist viel leichter, als zu verhindern dass sie kopiert wird. Das Internet funktioniert so.
Daher ist Überwachung ein moralisches Problem. Die Politikerkaste als unsere Repräsentanz muss sich fragen, wie sie mit dieser Technik umgehen will, auf die sie sich mehr oder weniger uneingeschränkten Zugriff verschaffen kann.
Wir als Gesellschaft müssen uns fragen, wie wir mit dieser Technik umgehen wollen, die für unsere eigene Überwachung kaum Hürden bereitstellt.
Wir als jeder Einzelne müssen uns fragen, wie wir mit dieser Technik umgehen, die es uns erlaubt, so leicht in das Privatleben anderer Menschen blicken und eindringen zu können, die zum Beispiel nicht bemerken, dass sie ihre sehr privaten Fotos bei Facebook nicht nur ihren Freunden zeigen sondern versehentlich auch mal uns allen. Wir schicken uns die lustigen und peinlichen Konversationen fremder Menschen, die auf Failbook gepostet werden und lachen uns kaputt. Und eine Minute später unterzeichnen wir eine Petition gegen Überwachung (was ihr hoffentlich auch tut).
Moral ist ein großes Wort und stößt auch gern mal auf. Aber manche Themen verlangen nach einem solchen Anspruch und die Flucht in Zynismus ist einfach nur Feigheit. Die Frage danach, wie wir leben wollen ist kein Thema für eine Unterhaltungsshow. Sie ist die Frage, die sich jeder stellen muss. Und wenn es darum geht, zu verhindern, dass uns eine haltlose und tödliche Technokratie unser Leben in ein Panoptikum verwandelt, geht es um etwas ernsthaftes, großes. Etwas das nicht in einem Format abgehandelt oder delegiert werden kann, sondern eine ständige Dauerverhandlung erfordern.
Man hat das Problem zu lange für ein technisches gehalten. Piraten und Hacker und Nerds zeigen seit Jahren darauf, aber ehrlich gesagt haben wir immer nur geschafft, Symptome zu benennen. Jetzt haben sich 560 Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu Wort gemeldet. Das ist ein guter Anfang. Moralische Themen sind immer Kulturthemen, daher freue ich mich darüber, aber das kann nur der Anfang sein. Jetzt müssen die Musiker kommen und mal andere Argumente vertonen als die, warum man mit ihnen tollen Sex hat. Die Filmemacher, die Journalisten (ja, wo sind eigentlich die deutschen Journalisten gewesen, den ganzen Sommer? Können sich mal bei den Schweizern ne Scheibe abschneiden.), wir Blogger und Twitterer genauso: nichts gegen Unterhaltung oder fast-food-Aufregerthemen. Ehrlich. Aber doch nicht nur! Können wir mal drüber nachdenken, wie wir leben wollen? Nicht als cooles Projekt oder schicke Kampagne, sondern mal ernst genommen und als dauerhaftes Thema? Ohne nen Hashtag, dem man dann nen Grimme-Preis verleiht und vergisst?
Und es ist auch beileibe nicht so, als ob das nicht schon jede Menge Menschen tun. Vielleicht muss man die aber mal lauter drehen. Können wir das?
tl;dr:
Überwachung ist ein moralisches Problem, weil es nicht um die Entscheidung geht, eine Technik zu nutzen, sondern um die, Menschen zu überwachen.
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