Die Angst der Angstlosen
Weil mir grade dieser Tweet in die Timeline gespült wurde nutze ich ihn mal als Gelegenheit, ein bisschen über Angst zu schreiben und wieso Maskengegner immer noch nicht zufrieden sein werden, obwohl doch jetzt alle - so wie sie sich das ja wünschten - tun können was sie wollen.
Maskengegner, Pandemieleugner, Impfgegner oder wie auch immer wir sie nennen wollen sprechen ja erstaunlich oft über Angst. Sie behaupten, Masken werden aus Angst getragen und sie erklären allen Umsichtigen ständig, der Unterschied zu ihnen sei, dass sie keine Angst haben.
Masken und Impfungen sind aber natürlich keine irrationale Reaktion auf Angst sondern Maßnahmen, ein Risiko, das von einer ansteckenden Infektionskrankheit ausgeht, zu verringern. Wenig emotional, das ganze. Und Masken tun nicht weh und sorgen dafür, dass man ganz normal seinem Alltag nachgehen kann. Wo kommen also diese hochemotionalen Reaktionen gegen Masken her?
Eine Maske zu tragen zeigt - ob gewollt oder nicht - neben dem rein praktischen Nutzen auch, dass man die Situation ernst nimmt und damit auch, dass sie real ist und existiert. Und hier ist der Unterschied: Menschen, die sich gegen das Tragen von Masken wehren, geht es nicht primär um die Maske selbst, sondern darum, dass sie die Pandemie sichtbar macht. Und damit real. Wenn wir den Tweet da oben lesen, können wir das Problem gut erkennen: er erkennt, dass er trotz Aufhebung der Maskenpflicht immer noch Angst hat und zwar jetzt - in seiner Wahrnehmung - deshalb, weil andere Menschen die Maske immer noch tragen. Er muss nicht mal "schräg angesehen" werden, um sich unwohl zu fühlen.
Was ist also wirklich sein Problem, wenn es nicht die Leute sind und wenn er doch keine Maske tragen muss?
Was er tat ist seine Angst vor der Pandemie auf die Maske zu externalisieren. Die Maske repräsentiert dann die Quelle seiner Angst und er kann sie bekämpfen, weil man die - im Gegensatz zu einem unsichtbaren Virus - ja sieht (und netterweise keine direkte Gefahr von ihr ausgeht). Sein Problem jetzt ist aber, dass er zwar keine Maske mehr tragen muss, aber irgendwie ist sie immer noch überall sichtbar. Die Masken, und somit die Pandemie, sind nicht einfach verschwunden, wie er sich das gewünscht hat.
Und weil er ohnehin schon so viel mit Projektionen arbeitet, entwickelt er direkt ein paar neue: der Kampf gegen den Zwang, eine Maske zu tragen wird ersetzt durch eine Opfererzählung. Die Angst, die trotz des Sieges gegen die Diktatur überraschenderweise immer noch da ist, bekommt eine neue Repräsentanz, diesmal die anderen Menschen, die weiter ihre Masken tragen. Sie wirken bedrohlich auf ihn, obwohl sie ihm nichts tun und sogar "nett wie immer" sind.
Er scheint mir zum Glück jemand zu sein, der auf Konflikte nicht mit Angriff reagiert sondern mit Flucht, aber es gibt genug Beispiele von Tätlichkeiten seitens Maskengegnern, weil die bereits das Tragen einer Maske als Aggression gegen sich auffassen und sich dagegen "wehren".
Der Begriff Angst prägt also nicht von ungefähr die gesamte Rhetorik dieser Menschen. Ihre ist so groß, dass sie sie externalisieren.
1 Kommentar
Formular wird geladen...
Yep, es war mir auch aufgefallen, dass der Angstbegriff immer von denen benutzt wird, die angeben, keine zu haben, um sie auf andere zu projizieren, die sich eher als vernünftig-vorsichtig bezeichnen.
Ich glaube, es ging nie um Masken, oder Impfungen. Es ging eher immer um das Gefühl, Opfer zu sein und sich auflehnen zu wollen.
Ich hab in meinem Umfeld jemanden der ‘Maskengesichter hässlich’ findet, früher in Mutlangen demonstriert hat und sich zu Beginn der Maskenpflicht weigerte, in der Nähe eine Bushaltestelle eine zu tragen/auf Aufforderung eine anzuziehen, weil er es nicht einsah - nicht einsehen wollte.
Ähnlich wie (das ist jetzt ein großes Fass) manche aus dem RAF-Umfeld dann zur NPD gewechselt sind. Einfach nur immer weit weg vom Mainstream. Ist der rechts/konservativ, ist man links, ist der links/liberal ist man rechts.
Und das Fass wird noch größer:
Was wenn das das Modell von Leuten wie Bolzonaro, Trump, Le Pen und Putin ist? Ich MUSS mich ja im politischen Diskurs absetzen. Also nehme ich per se die Gegenposition des politischen Gegners ein.
Oder Merz: Wenn er bei der Ukraine nicht schießen kann, dann schießt man halt auf Familienministerinnen. Einfach immer dagegen, egal wie sinnvoll.
Das scheint mir die Grund"logik” solcher Positionierungen zu sein.