Warum die Querdullies unseres Freundeskreises es schwer haben, wieder zurück zu kommen und warum sie gar nicht verstehen werden, warum wir genervt sind
Um mal wieder einen aktuellen Anlass (Xavier Naidoos Versuch, in die Konsensgesellschaft zurück zu kommen) für einen Artikel zu nutzen, schreibe ich was über Krisenaussteiger und ihre "Rückkehr".
Erstmal zur Lage: Ich hab ja schon gesagt, dass die Gesellschaft sich gar nicht so sehr "spaltet", wie es in Medien gerne dargestellt wird, sondern dass das ein Logikfehler ist: Die Mehrheiten in der Gesellschaft verändern sich gar nicht so sehr, wir beschäftigen uns nur viel mehr mit den Extrempositionen, wodurch die Verhältnisse unsichtbar werden.
Der 2. Faktor, der gerne falsch dargestellt wird und sich als ein Folgefehler daraus ergibt ist, dass sich hier gar keine zwei Extreme bilden, sondern nur eines: Menschen, die auf Krisen mit Realitätsflucht reagieren, spalten sich ab. Die Mehrheit bleibt aber einfach dort, wo sie ist. D.h die Dynamik ist eigentlich, dass sich ein gewisser Prozentsatz von Menschen aus dem gesellschaftlichen Konsens ausklinkt und in eine Parallelrealität wechselt.
Was gut ist: Die meisten von ihnen kommen nach der Krise auch wieder zurück. Soviel also vorweg.
Worum es mir jetzt geht ist die Dynamik, die sich an genau dieser Stelle ergibt, die man auch bei Naidoo grade beobachten kann*: Das Misstrauen gegen die Rückkehrer ist massiv und das ist auch verstärkt dadurch, dass es so klingt, als ob sie relativ locker damit umgehen: "Bin da ein bisschen auf Quatsch reingefallen, aber jetzt ist wieder alles klar" und wir denken "WTF, Du hast 2 Jahre total am Rad gedreht, hast gefährliche Verschwörungsmythen verbreitet, warst super aggressiv, Du hast alle um Dich herum gefährdet und Dich dabei auch noch als Opfer gebärdet. Wie kommst Du darauf, dass wir jetzt sagen 'Ach prima, dann hallo, magst Du nen Kaffee? Was machen wir morgen?'"
Diese Diskrepanz werden wir im Laufe der kommenden Zeit öfter spüren und ich möchte erklären, wieso unsere Rückkehrer so entspannt sind und wir nicht: Das kennen wir nämlich von woanders. Wer mit Kindern eine lange Strecke fährt, hat sicher schon mal erlebt, wie nervig es sein kann, wenn die Kids die ganze Fahrt lang immer weiter eskalieren. Nach dem hundertsten Mal "Wann sind wir da?" und "Wie lange dauerts noch?" und "Ich will nach Hause!" ist auch der geduldigste Mensch mit den Nerven durch und völlig fertig, wenn man endlich zu Hause ist. Denn nicht nur hat man vier Stunden fahren müssen, sondern auch zusätzlichen Stress ausgehalten, weil man die Kids trösten, beschwichtigen, beruhigen musste (oder die Nerven verlor und selbst aggressiv wurde).
Es ist aber auch so, dass sobald man zu Hause ist, die Kinder auf einen Schlag wieder völlig entspannt und gut gelaunt sind und überhaupt kein Bewusstsein dafür zeigen, warum die Eltern immer noch so gestresst sind: Wir sind doch jetzt da. Ist doch alles prima.
So ähnlich wie den Kindern geht es den Rückkehrern: Sie melden sich bei einem, als wäre nichts gewesen und verstehen gar nicht, warum man ihnen so reserviert begegnet: Die Krise ist doch rum, jetzt können wir uns doch wieder treffen. Dass sie uns 2 Jahre das Leben schwerer gemacht haben, als es mit der Krise für alle eh schon war, kommt ihnen nicht in den Sinn. Was auch logisch ist, denn sie waren ja nicht in unserer Welt sondern in ihrer eigenen und haben daher überhaupt keinen Bezug zu unserem Erleben. Und mit dem Abschluss der Krise schließen sie auch mit ihrer Parallelwelt ab. Das heißt, sie haben überhaupt keinen Ballast, den sie mitbringen und können sich quasi ganz entspannt wieder in den Alltag einfügen, den sie zuvor ohne es zu merken mit ihrem Verhalten massiv belastet haben.
Daher stellt sich die Frage: Wie gehen wir damit um? Kindern kann man keinen Vorwurf machen, wenn sie nach der stressigen Autofahrt einfach wieder auf "normal" umschalten. Aber Erwachsenen? Die auch noch beleidigend waren, Hass verbreitet haben, ihre Umwelt gefährdet haben?
Ich hab da keine pauschale Antwort. Ich nehme an, es kommt auf jeden Einzelfall an. Und auch, wie hoch die eigene Stressstabilität ist. Ob es noch etwas zu reparieren gibt und wie bereit der Rückkehrer ist, das zu reflektieren und zu verarbeiten. Aber vielleicht hilft ja schon, wenn man ein bisschen mehr darüber weiß, was da eigentlich passiert ist.
* 2 Disclaimer:
Ich behaupte hier nicht, dass alle Verschwörungsfuzzies so denken und dass für alle von ihnen gilt, dass sie nur für eine Weile aus realen Krisen flüchten. Es gibt zB auch gefährliche antidemokratische Leute, die genau wissen, was sie da tun.
Und: Es geht nicht um Naidoo. Er ist lediglich der Anlass für diesen Post gewesen. Ich glaube, dass Naidoo nur zu einem Teil in die beschriebene Kategorie fällt und er ganz andere Probleme hat, die wesentlich schwerer wiegen. Ich glaube nicht, dass er zB seinen Antisemitismus abgelegt hat oder es jemals tut. Der hat ja eine ganz andere Ursache und ist in seiner Weltsicht komplett internalisiert. Den bemerkt er auch gar nicht, er denkt ja sein Problem ist, dass er vor 2 Jahren noch weiter abgedriftet ist.
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