10 Bücher
Stöckchen-Zeit! Per Facebook diesmal, von Mirja. Es geht darum, zehn Bücher zu nennen, die einen großen Einfluss auf mich hatten. Das müssen - so verstehe ich die Aufgabe jedenfalls - weder meine Lieblingsbücher sein oder solche, die ich gerne empfehlen würde, sondern die irgendwie zu meiner Biografie gehören. Finde ich eine schöne Idee. Allerdings funktioniert das nicht in einem Facebook-Status mit einer Liste von 10 Titeln ohne die Information, warum ausgerechnet dieses Buch hier aufgezählt wird. Ich interessiere mich viel mehr für die Geschichte hinter den Titeln. Daher leg ich mal etwas vor. Hier also meine 10 Bücher (ich hätte auch 20 gewusst) und die Geschichten dahinter.
1. Das große Peanuts Buch (Charles M. Schultz)
(jedenfalls müßte es das gewesen sein, herausgegeben 1972 kommt jedenfalls hin, um die Zeit haben mein Bruder und ich uns das Lesen beigebracht.)
Dieses Buch steht stellvertretend für einige Bücher mehr, die ich immer und immer wieder gelesen habe, wenn wir bei unserer Tante und Kusinen zu Besuch waren. Ich liebte natürlich alle Geschichten mit Snoopy und zitiere auch heute noch regelmäßig daraus ("DEN HUND BERÜHRT!"), was heute freilich kaum jemand mehr versteht. Was das tollste an diesem Buch war: Es war irrsinnig dick und nicht wie andere Comic-Bücher in einer viertel Stunde durchgelesen. Man konnte sich locker ein, zwei Stunden darin versenken.
2. Himbeereis und weiße Mäuse (Erna Funck-Neuville)
Grundschule, zweite Klasse. Unsere Nachbarin, in die ich mit 5 Jahren mächtig verknallt gewesen bin, schenkte meinem Bruder dieses Buch und es dürfte daraufhin bei uns beiden zum sicher meistgelesenen Buch geworden sein. Ich hab es mindestens 50 mal gelesen - sehr oft mehrmals hintereinander. Viel später erst habe ich bemerkt, wie viel meiner ständigen Subversivität ich diesem Buch zu verdanken habe.
Was ich bis heute großartig daran finde ist, dass es konsequent aus der Sicht eines Drittklässlers geschrieben ist und dem lesenden Kind an keiner einzigen Stelle unterschwellig eine "erwachsene" Moralvorstellung verkauft wird. Außerdem habe ich vor einigen Jahren von der Autorin eine Ausgabe geschickt bekommen, zu einem geradezu idealen Zeitpunkt, als es mir mal extrem schlecht ging.
3. ??? und der schreiende Wecker (irgendein Ghostwriter)
Das erste drei Fragezeichen-Buch, das ich gelesen habe. Vierte Klasse, müßte also 1978 unterm Weihnachtsbaum gelegen haben. Danach kamen noch ungefähr zwanzig weitere, aber das hier war bis zum Schluss mein Lieblingsbuch, weil es - zumindest in meiner damaligen Wahrnehmung - das spannendste und ernsthafteste von allen gewesen ist. Irgendwann wurde die Serie immer flacher (oder ich älter) und ich wechselte das Genre von Krimis zu zu SciFi und Fantasy.
Mit den Hörspielen, die ja viele so toll finden - bin ich übrigens nie warm geworden, die gabs aber auch erst, nachdem ich schon aufgehört hatte, die Bücher zu lesen.
4. Haie und kleine Fische (Wolfgang Ott)
Es war 1979, ich war fast Elf und es waren die Sommerferien, bevor ich ins Gymnasium gekommen bin. Ich wollte für einen Urlaub ein dickes Buch und habe von Wolfgang Ott "Haie und kleine Fische" gekauft. Und zwar nur deswegen, weils das dickste Buch war, das ich für Sieben Mark Achtzig bekommen habe. Aber ich habs auch wirklich gelesen und erinnere mich gut daran, dass ich vor allem von der Beschreibung des Kriegsalltags beeindruckt war und wie sich normale Menschen in so einer Zeit verhalten. Die Sexszenen las ich dagegen nur mit etwas distanziertem Interesse, das fand ich wohl nicht so spannend.
5. Transit nach Scorpio (Kenneth Bulmer a.k.a. Alan Burt Akers)
Eigentlich ist das ja eine ganze Reihe von Büchern. Eine Fantasy-Geschichte, die - wie ich inzwischen weiß - ziemlich dreist von Edgar Rice Burroughs John Carter-Büchern abgekupfert ist. War mir damals aber nicht bewusst. Ich habe in Lohr im dortigen Gymnasium das große Glück gehabt, dass es dort erstens eine riesige Leihbibliothek gab und zweitens der Bibliothekar ein großer SciFi- und Fantasy-Nerd gewesen ist. Daher befand sich dort eine entsprechend gut sortierte und üppige Abteilung mit allen Klassikern und den wichtigsten Autoren und Autorinnen des Genres. Die habe ich alle dort kennengelernt: Heinlein, Clark, Tanith Lee, Moorcock, de Camp, you name it.
Die Scorpio-Bücher von Bulmer/Akers waren dort auch vorrätig und so konnte ich ohne viel Geld auszugeben, das ich eh nicht hatte, eine ansonsten unerschwinglich lange Buchreihe durchziehen. Die Story ist banal, chauvinistisch und alles andere als Weltliteratur. Aber es ging darum, dass jemand aus seiner Zeit und seiner Welt in eine andere versetzt wurde - eine der Monomyth sehr ähnliche Exposition - und dieses Motiv ist für einen Nerd in der siebten Klasse, der zu dieser Zeit sehr hart mit Mitschülern und dem Internatsleben kämpfte, natürlich extrem reizvoll.
6. Standbein, Spielbein (Axel Maria Marquard)
Ein kleines Gedichtbuch, das ich irgendwann mal während meines Zivildienstlehrganges in Trier gekauft hatte, völlig zufällig, weil ich gerade irgendein Buch kaufen wollte. Aber die Gedichte waren so derartig eingängig, dass ich mir viele von ihnen schon nach ein, zwei mal lesen merken konnte. Ein wenig absurd, ein wenig lakonisch, immer irgendwie lustig allein schon der Sprache wegen, begleiten mich die Gedichte dieses Buches schon seit nunmehr fast 25 Jahren. Teile davon sind in meinen normalen Sprachgebrauch eingegangen ("geh schlaf", "Müde sich am Morgen heben meine Lider, senken ob der Sorgen diesen Tags sich wieder.", "Das liegt am Tabaksdunst, am Qualm. Jetzt fehlt mir schon der Reim auf Qualm.") .
Was leider tragisch ist: Ich weiß nicht mehr, wo das Buch ist und ich hätte es so gerne wieder. Heute (18.9.) ganz überraschend im Briefkasten: Das Buch. Wie toll, Danke, liebe Isa! Das ist eine schöne Überraschung!
7. Worte ohne Lieder (Georg Kreisler)
Das hab ich mir gekauft, weil ich dachte, das ist sicher lustig. Kreisler mochte ich schon länger, allerdings kannte ich ihn halt als schwarzhumorigen Liedermacher. Die Kurzgeschichten und Essays in diesem Buch sind aber zum größten Teil ganz anders. Es sind nachdenkliche, sogar schöne, bittersüße und hoffnungsvolle Texte, die einem beim Lesen das Gemüt streicheln und einem dann gut tun, wenn man mal alleine ist. Zumindest ging es mir so.
Ich hab ehrlich gesagt, keine große Erinnerung mehr an den Inhalt, nur an die Wirkung, die dafür sorgte, dass ich das Buch eine ganze Zeit lang gerne immer wieder in die Hand genommen habe um ein, zwei Geschichten zu lesen. Ich hab daher keine Ahnung, ob die Texte heute noch so funktionieren würden.
8. Der Hexer von Salem (Wolfgang Holbein)
Ich hab so ein seltsames Verhältnis zu Holbein: Einerseits ist er einfach mal kein guter Autor. Viele seiner Bücher haben eine gute - aber irgendwo immer ein wenig abgekupferte - Grundidee, die er aber in den seltensten Fällen zu einem befriedigenden Ende führt. Dann ist da sein legendär beschränkter Wortschatz und die sich ständig wiederholenden Beschreibungen (man hat den Eindruck, dass er ganze Absätze immer und immer wieder benutzt) und auch die Protagonisten scheinen immer irgendwie dieselben zu sein. Dennoch kann ich mit seinem Hexer was anfangen.
Das mag daran liegen, dass diese Bücher ursprünglich eine Heftchenromanreihe waren und man schon dadurch keine Hochliteratur erwartet sondern eine Art TV-Serie in Schriftformat. Als solche funktionieren sie nämlich gut. Ein paar einfache Helden, Spannung, hin und wieder ein comic relief, das ganze eher trashig/pulpig, aber nie dumm oder unlogisch. Was ich natürlich mochte, war die Einbettung in den Cthulhu-Mythos - Lovecraft selbst ist ja sogar einer der ständigen Sidekicks des Hexers - und die selbstverständliche Art und Weise, mit der Magie und Okkultismus beschrieben wurde, ohne irgendwelche langwierigen Erklärungen. Das lief mir damals gut rein, wir hatten ja nichts - im Prinzip deckten die Hexer-Bücher damals die Bedürfnisse ab, die ich mir heute mit TV-Serien wie American Horror Story, Sleepy Hollow oder Supernatural befriedige.
9. Mister Aufziehvogel (Haruki Murakami)
Mein Verhältnis zu Murakami hab ich schon mal im Blog beschrieben. Das hat sich nicht geändert, vor kurzem habe ich 19Q4 gelesen und entgegen der vorherrschend schlechten Kritik hat auch das wieder die typische Wirkung gehabt.
Mister Aufziehvogel ist für mich aber immer noch das Buch, das mich am meisten beim Lesen nach und nach aus meiner Welt in eine andere, im ersten Moment fremde, nach einer Weile aber eine viel persönlichere, geschoben hat. Und da habe ich festgestellt, dass ich das mochte, weil man sich darin plötzlich nicht erklären oder mit anderen abgleichen musste. Ein sehr befreiendes und befriedigendes Gefühl.
10. Last Call (Tim Powers)
Ein toller Roman über Poker, Tarot, Götter- und Gangsterfamilien. Wenn ich eines dieser zehn Bücher empfehlen sollte, dann wäre es dieses. Daher möchte ich darüber gar nichts verraten. Das sollte man doch lieber selbst lesen. Was es mir gebracht hat? Ein paar kleine, aber wichtige Veränderungen meiner Einstellung zu Prinzipien, Geduld und Moral. Poker ist kein Spiel.
Jetzt werf ich weiter, aber ich ändere ein wenig die Regeln. Erstens: Ich bin altmodisch. Stöckchen gingen immer nur an drei Menschen weiter, nicht an zehn. Zehn ist typisch Facebook: Es macht alles extrem oberflächlich. Und zweitens: Ich möchte schon gerne etwas über die Gründe lesen, warum die Bücher zu eurem Leben gehören. Anders macht die Aufgabe doch gar keinen Sinn.
Und hepp, ich werfe weiter zu Frauke, Thomas und auch noch mal an Mirja, weil es mich interessiert, wie sich Deine Liste erklärt.
2 Kommentare

Kommentar von: jensscholz [Mitglied]

Ich weiß, dass der Titel heute “der seltsame Wecker” heißt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auf meinem Buch damals “schreiende” stand - vor allem, weil mir damals schon aufgefallen ist, dass als englischer Titel passend “the screaming clock” angegeben war. Außerdem war die Titelillustration etwas anders als die heute bekannte.
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??? und der schreiende Wecker?
Das könnte “??? …und der seltsame Wecker” sein, einer der “alten” “Drei Fragezeichen"-Romane, die aus dem US-Englisch übersetzt wurden. (Sonst würde ich ihn wahrscheinlich nicht kennen, denn die Zeit, in der ich “so was” las, liegt bei mir noch länger zurück als bei Dir. ;) )
Die frühen ??? wurden, so viel ich weiß, alle von Robert Arthur geschrieben, der, als gelernter Journalist, ein ausgesprochener Schnellschreiber gewesen sein soll. Ja, und irgendwoher (ich vermute: aus seiner journalistischen Arbeit) kannte er Alfred Hitchcock und konnte ihn wirklich von seiner genialen Geschäftsidee überzeugen …