Wie man Shitstorms erzeugt, indem man über sie berichtet wenn sie noch gar nicht da sind
Ein bisschen Hypekunde: Die meisten angeblichen Shitstorms sind in Wirklichkeit keine, sondern zunächst mal Diskussionen in sehr kleinen Nischen. Was Medien inzwischen aber gerne tun ist, immer wieder solche Diskussionen zu suchen und zu behaupten, es gäbe da gerade einen massiven Streit, der die Gesellschaft "spaltet".
Den gab es aber bis dahin gar nicht und "gespaltet" hat der auch nichts neues (darüber schrieb ich schon mal), sondern der berichtete "Streit" entsteht gemeinhin erst durch die Aufmerksamkeit, die die Medien durch den Bericht darüber dafür erzeugen. Denn Medien haben immer noch eine relevante Reichweite, um ein Thema zu pushen, aber nur wenn man es so emotional, provokant und provokativ wie mur möglich präsentiert und leider hat sich in den letzten Jahren dort herumgesprochen, dass Kontroversen am meisten Klicks und "Engagement" (in Form von zig Menschen, die sich tagelang ununterbrochen gegenseitig beschimpfen) bringt - die Währung, von der sie glauben, die wichtigste im Internet zu sein.
Derzeit lässt sich das wieder schön beobachten and Hand des "Winnetouverbotes", das angeblich irgendwelche woken Linken fordern würden und den Ravensburger Verlag dazu gebracht hätten, ein Kinderbuch - übrigens nicht von Karl May geschrieben - nicht mehr weiter zu veröffentlichen. Magnus Nufer hat auf Twitter mal nachgesehen, wann der "Shitstorm" wirklich stattfand und fand heraus: nicht während der Zeit, in der er laut Medien stattfand und nicht seitens derjenigen, die ihn angeblich angezettelt haben:
Nichts von dem, was zuvorderst natürlich wieder die Bildzeitung berichtete ist wirklich passiert, aber alle Medien und Verlage sind inzwischen auf den Hype-Zug aufgesprungen und heizen den "Shitstorm" kräftig an mit immer abstruseren, absichtlich missverständlich formulierten Headlines wie "ARD will nie wieder Winnetou zeigen" (worum es wirklich geht: 2020 sind die Senderechte ans ZDF gegangen. Völlig normaler Vorgang, der auch nichts mit der jetzigen Diskuusion zu tun hat) und freuen sich einen Ast darüber, endlich wieder mal eine öffentliche "Debatte" zu steuern. Denn darum geht es eigentlich - man möchte Relevanz demonstrieren. Auf der einen Seite ist das natürlich eine sehr zynische Sicht auf die eigene Arbeit und den Umgang mit seinem Publikum, auf der anderen Seite ist es auch sehr traurig und zeigt eine gewisse Verzweiflung, wenn man dort keine anderen Möglichkeiten mehr sieht, relevant zu sein, als im künstlichen Anheizen von Pseudoaufregungen, die keinerlei Mehrwert für irgendwen haben. Am Ende nicht mal für sie.
Weiterer Input:
Datenanalyse der Winnetou-Debatte
Bildquelle: Twitterthread von Magnus Nufer
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