Viereckige Augen - früher war alles besser. Nein, anders. Nein, genauso.
Bitte schaut euch mal dieses Video an: https://www.youtube.com/watch?v=Qu3e4nL6_y0
Das Nostalgieproblem - also die Annahme, dass früher alles besser war - wird in diesem Video recht gut erklärt. Ich möchte aber eine Ergänzung hinzufügen, da es 2x wirklich ganz kurz davor ist, eine wesentliche Erkenntnis zu formulieren, aber dann nicht dort hingelangt - vor allem, weil am Schluss die Frage gestellt und offen gelassen wird, ob es nicht vielleicht doch so ist, dass die derzeitigen Kritikpunkte über neue Medien doch valide sind.
Die Antwort ist: Ja, sie sind valide, aber das waren die Punkte von früheren Medienkritiken, die er im Video auflistet, zu ihrer Zeit auch und hier ist die Erkenntnis, die im Video zwar offen vor uns liegt, aber nicht benannt wird: Es sind nicht die Medien selbst - also ihre Technik und Mechanismen -, die problematisch sind, denn die sind ja offensichtlich austauschbar. Es ist der Lern- und Adaptionsprozess, um mit Medien umzugehen, wenn sie sich verändern oder neu entstehen. Ob es Bücher waren, dann Filme, Radio, Fernsehen, Computerspiele und die gesamte Bandbreite an medial gestützen Interaktions/Konversationsmitteln: Es musste und es muss auch weiterhin immer die Kompetenz entwickelt werden, diese zu nutzen und das Ungleichgewicht zwischen Sendern und ihren Möglichkeiten und Empfängern und ihren Fertigkeiten auszugleichen.
Der Autor des Videos fällt am Ende ein bisschen auf genau die Effekte herein, die es vorher beschreibt (und er vermutet das ja sogar, weiß aber nicht genau, warum), denn er ist heute im Umgang mit den aktuellen Medien in einer anderen Situation als im Umgang mit den Medien, mit denen er aufgewachsen ist. Für die hat er nämlich ein Verständnis in einer Zeit entwickelt, in der er nicht bewusst darüber nachgedacht hat, dass er das überhaupt tut.
Das ist aber dieselbe Situation die Kinder, Jugendlichen und junge Menschen heute durchleben und da er ja zuvor schon herausgearbeitet hat, dass es vor allem ein Problem der älteren Generationen ist, deren Erfahrungen auf Veränderungen nicht mehr anwendbar sind, könnte er dennoch sehen, dass so, wie er damals ein "natürliches" Verständnis für die Medien seiner Jugend entwickelt hat, dasselbe für die jüngeren Generationen heute gilt.
Und wenn er diese vor manipulativen Algorithmen, Fakenews und Suchtspiralen warnt, ist das zwar valide - denn wie gesagt: die gibt es - aber die Gefahr ist am Ende dieselbe wie die Suizidgefahr durch "Die Leiden des jungen Werther", das sich verlieren in Traumwelten durch Dungeons&Dragons, das Abgleiten in geschlossene Subkulturen durch Heavy Metal Musik oder die Reizüberflutung durch 50 Fernsehkanäle statt nur dreien.
Und so ist es genau, wie er sagt: Am Ende warnt er die falschen vor viereckigen Augen, denn wirklich lernen, mitzukommen müssen die älteren Generationen. Und das ist die Erkenntnis, die fehlt: Wir könnten das gut, wenn wir uns die Kompetenzen der jungen Menschen abschauen würden. Aber das ist nicht so leicht, wenn wir glauben, dass wir diejenigen sind, die schon alles wissen und den Jüngeren beibringen müssen, mit Medien umzugehen.
(Und als empirischen Beweis dafür möchte ich gerne mal darum bitten, nachzusehen, aus welchen Alterskohorten diejenigen wohl kommen, die ständig wütend und unreflektiert unter all die Klickbait-Artikel kommentieren und jede noch so offensichtlich falsche Fake-News teilen).
Noch kein Feedback
Formular wird geladen...