Fragebogen 2021
Der Fragebogen, Folge 19. (Hier die vorigen: 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013,
2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003)
Mein Pandemiejahr 2021 war - wenn man es rein statistisch betrachtet und abzählt, wie viele Tage davon entspannt waren und wie viele nicht - ein sehr ruhiges. Es fing in mehrerer Hinsicht schwierig an, plätscherte dann sehr lange durch den restlichen Frühling und - kurz unterbrochen von einer Flutkatastrophe vor der Haustür - in den Sommer und den halben Herbst und hörte am Ende wieder mit enorm viel Arbeit auf. Das täuscht aber. Die Zeiten, in denen es nicht ruhig war, waren für sich alleine schn und dann auch noch für ein einziges Jahr ganz besonders dramatisch und meine persönliche Situation am Ende des Jahres ist so krass anders als am Beginn wie schon lange nicht mehr.
Das Jahr begann leider damit, dass mein Vater gestorben ist. Ich schreibe dazu sicher auch noch irgendwann ausführlicher, aber es soll dann nicht um seinen Tod gehen sondern um sein Leben. Daher muss das immer noch etwas warten. Ich hatte ja schon mal hier irgendwo erwähnt, dass ich weniger schreibe, je näher mir etwas geht. Dann rede ich lieber mit meinen Lieben. Und das hab ich auch getan.
Die längere Strecke des Jahres hab ich das weiter gemacht, ws ich letztes Jahr begonnen habe: Ein neues Zuhause eingerichtet, mich langsam und sehr bewusst in eine neue Lebenssituation begeben und am Ende ein Kapitel - mein Leben in Köln - abgeschlossen. Im November hab ich die Schlüssel abgegeben, der Umzug war erledigt und jetzt wohne ich, nein wir, in Wuppertal. Wie sich das auswirkt, nicht mehr eine zusätzliche Wohnung bezahlen zu müssen, werde ich erst in den kommenden Monaten sehen, aber ich glaube, das wichtigere ist, dass ich jetzt mit weniger Ballast aus dem Jahr komme als ich hineinging und mich in einem Leben wiederfinde, das mir selbst und dem, wie ich inzwischen bin und mich fühle, entspricht.
Jetzt zum alljährlichen Fragebogen:
Zugenommen oder abgenommen? Nochmal etwas abgenommen (bin im Durchschnitt bei 74 Kilo).
Haare länger oder kürzer? Gleich kurz, zwischendurch allerdings auch mal Pandemielänge.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger? Gleich geblieben, denke ich, allerdings merklich langsamer, wenn es darum geht von Nah- auf Fernsicht zu schalten.
Mehr bewegt oder weniger? Weniger.
Mehr Kohle oder weniger? Mehr, allerdings sind die laufenden Kosten durch den Umzug letztes Jahr auch - zunächst - mehr geworden, so dass sich das nicht auf "mehr übrig" ausgewirkt hat.
Mehr ausgegeben oder weniger? Mehr.
Der hirnrissigste Plan? Es gab weder hirnrissige Pläne noch ungeplant hirnrissige Aktionen. In einer Pandemie macht man das vielleicht auch besser nicht.
Die gefährlichste Unternehmung? Da muss ich schon sehr suchen. Wirklich gefährlich war nichts, daher dürfte das risikoreichste, das ich dieses Jahr gemacht habe, für einen Vortrag darüber, ob jetzt im Internet alle wahnsinnig geworden sind oder das nur so aussieht (und warum), eine Bahnreise nach Schweinfurt gewesen sein exakt an den zwei Tagen, an dem die Bahn massiv gestreikt hat. Ich bin aber pünktlich hin und relativ problemlos wieder zurück gekommen.
Der beste Sex? Ja.
Die teuerste Anschaffung? Der neue Rechner von Sohn 2.
Das leckerste Essen? Das ist tatsächlich mal sehr einfach und eindeutig zu beantworten. Wir waren in diesem Jahr auf einer mit Freund*innen gemeinschaftlich organisierten Veranstaltung namens "It's full of Food" und es ging einfach nur darum, vier Tage lang sehr gut zu kochen und zu essen. Allerdings zu sagen, was genau dort am leckersten war, ist wiederum unmöglich. Aber wir haben von dort eine chinesische Chicken-Stew in unsere regelmäßige Kochplanung aufgenommen und inzwischen schon mehrmals nachgekocht.
Das beeindruckendste Buch? Ich hab dieses Jahr sogar wieder ein paar Bücher gelesen, um mich zu entspannen, aber beeindruckend war davon keins. Bin auch gar nicht so sehr in Stimmung für beeindruckende Bücher, ich hab zB "Die Ermordung des Commendatore" von Murakami weglegen müssen, weil ich merkte, dass ich dafür etwas mehr Muße brauche, als ich hatte, um ihn wirklich zu genießen.
Der ergreifendste Film? Wonderstruck. Ein kleiner Film auf Amazon Prime, von dem ich noch nie was gehört hatte und über den ich irgendwie per Zufall stolperte. Die Handlung ist schwer zu beschreiben, aber es sind viele Dinge dran, die ich ohnehin sehr gerne habe: er spielt in zwei Zeitsträngen (in den Fünfzigern und Siebzigern), nimmt konsequent subjektiv die Perspektive der zwei Kinder ein deren Geschichte er erzählt und allein schon die Stimmung und Atmosphäre - gerade in den Siebzigern - ist es Wert, ihn zu sehen.
Die beste Musik? Abba. Ja, sorry. Ich bin einer von denen, für die die Abba-Reunion genau den Nostalgie-Nerv trifft, der mir gut tut. Und ich finde, dass ein neues Abba-Album etwas ist, was der Welt überhaupt gerade sehr gut tut.
Das schönste Konzert? Haha.
Die meiste Zeit verbracht mit...? Homeoffice. Und wie letztes Jahr schon, mit meinem kleinen Cluster: Eva, Luna und Lewin, der jetzt auch Teil "unserer" Villa ist und im November in eine der Dachwohnungen hier gezogen ist.
Die schönste Zeit verbracht damit...? ...mich hier nach und nach immer mehr in unserer Wohnung breit und heimisch zu machen und Köln und die vorige Wohnung dort langsam und stückweise hier nach Wuppertal zu transferieren.
Vorherrschendes Gefühl 2021? Zufriedenheit. Da muss ich ein bisschen ausholen, denn es sind ja schon einige dramatische Dinge passiert und mit dem Tod meines Vaters habe ich auch sicher noch lange nicht abgeschlossen. Aber ich habe letztes Jahr damit begonnen, mich viel mehr und viel bewusster mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen, das mich direkt umgibt und betrifft und ich wollte das dieses Jahr weiter tun.
Ich bin ja jemand, der auch gerne mal ein bisschen Öffentlichkeit haben mag - und die hatte ich durchaus auch dieses Jahr -, aber die ist normalerweise anstrengend. Meine Kraft tanke ich nicht da draußen, sondern mit Dingen, für die ich niemanden brauche: Klavier spielen, schreiben, spazieren gehen. Daher ist die Pandemie-bedingte Kontaktarmut für mich auch nichts, was mich - abgesehen von den beruflichen Implikationen - belastet. Natürlich freue ich mich auch wieder auf zum Beispiel eine re:publica und auf Menschen, die ich seit 2 Jahren nicht mehr gesehen habe, aber ich hatte letztes Jahr nach den ersten Monaten der Pandemie und dem Umgang durch Politiker*innen und Medien etwas Angst, dass am Ende alles wieder so ist wie vorher und das wie ein Mantra vorgetragene "zurück zur Normalität" für viele nur bedeutet, wirklich jede Erkenntnis aus der neuen Situation zu ignorieren und jede daraus möglicherweise positive Veränderung aus Prinzip zu verneinen oder zu verhindern.
Es ist jetzt aber ein bisschen so wie im Marvel-Kinouniversum nach dem "Endgame": Wenn die Normalität endlich zurückkehren wird, wird sich in der langen Zeit dazwischen zu viel verändert haben, als dass man einfach dort weitermacht, wo es vor der Pandemie aufgehört hat und das ist auch gut so.
Was ich letztes Jahr gemacht habe war, dafür zu sorgen, dass es für mich auf jeden Fall anders sein wird, wenn ich wieder "raus" komme und dieses Jahr dafür gesorgt zu haben, dass ich auf ganz anderen Füßen stehe, finde ich extrem beruhigend: Denn selbst, wenn am Ende alle anderen möglichst wenig aus den letzten 20 Monaten lernen und verändern wollen - ich habe die Zeit genutzt, um alten Ballast loszuwerden und mein Leben ganz in Ruhe mehr - oder sogar ganz - an meiner derzeitigen Person und Verfassung zu orientieren und aufzustellen. Das macht mich sehr zufrieden, denn ich bin niemand, der radikal alles ändert sondern versucht, eine Entwicklung zu vollziehen, die auch nicht wirklich aufhört. Die Pandemie gab mir dafür die nötige Zeit, Luft und Klarheit.
2021 zum ersten Mal getan? Ein Elternteil verloren.
2021 nach langer Zeit wieder getan? Wireframes geschrubbt.
3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen? 1. Die FDP-Ferengi in der neuen Bundesregierung. 2. Dass im November alles gleichzeitig passierte. Das was passiert ist, war schon alles gut - vor allem der Umzug und ein großer Auftrag, der mich jetzt extrem gut ins nächste Jahr bringt -, nur alles gleichzeitig war halt sehr stressig. 3. Der Beweis der bislang zwar theoretisch bekannten Weisheit, dass 10% der Menschen asoziale Egoisten sind, der durch Covidioten und die Schlangenölverkäufer, Gurus und Krisengewinnler, denen sie folgen, erbracht wurde.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte? Dass es ok ist, sich nicht mehr weiter zu quälen und in Ruhe zu gehen, weil er mir alles beigebracht hat, was ich wissen muss, um über die Runden zu kommen.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat? Geduld.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat? Ich weiß leider keinen. Es gab vielleicht auch einfach zu viele schöne Sätze, um einen einzeln auszusuchen.
2021 war mit 1 Wort...? Erdend.
1 Kommentar
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“Vorherrschendes Gefühl 2021? Zufriedenheit.”
Wie wunderbar! Das wünsche ich Dir auch für 2022.
Happy New Year!