Verschiedene Game-Magazine berichten heute davon, dass Ubisoft für den kommenden Titel "Asassins Creed: Unity" die Entwicklung eines weiblichen Spieleravatars mit der Begründung eingestellt hat, dass ihnen das zu viel Arbeit war:
"It's double the animations, it's double the voices, all that stuff and double the visual assets," Amancio said. "Especially because we have customizable assassins. It was really a lot of extra production work."
Was mich auf Facebook in eine kleine Diskussion verwickelte. Jetzt bin ich gar nicht so sehr an Asassins Creed interessiert, aber dieser Fall erinnerte mich doch sehr an Watch Dogs, wo Ubisoft im Prinzip genau dieselbe Situation erzeugt hat: Auch in Watch Dogs darf man als Spieler ausschließlich die eine weiße, männliche Hauptperson Aiden Pierce steuern. Auch hier wird man in Multiplayer-Sessions andere Spieler als irgendwelche Passanten, diese sich selbst wiederum aber als Aiden sehen. Was für ein dämlicher Fuckup ist das denn?
Jaja, aber wie viele Frauen spiele denn schon Computerspiele? Und warum sollte denen was ausmachen, ob die Spielfigur männlich ist? wurde dort gefragt. Als ob das eine Begründung sei. Klar: Ich kenne genug spielende Frauen, die auch mit der männlichen Figur spielen, wenn nur das angeboten wird. Das ist aber doch so, wie wenn Du irgendwo bist und es nur Filterkaffee gibt. Dann trinkst Du halt den, bevor Du gar keinen Kaffee bekommst.
Heutzutage hat man doch aber höhere Ansprüche an Spiele und der Wunsch nach Repräsentation (dabei gehts nicht nur um Frauen, auch um Hautfarben, Körpergrößen, Ethnien, Berufe usw.) wird seit Jahren lauter und wird inzwischen von vielen Spielen auch mehr oder weniger umgesetzt - die Dauerbrenner der letzten Jahre - Mass Effect, Borderlands, Dragon Age, die hier geradezu vorbildlichen Saints Row Spiele - werden seit Jahren deswegen gefeiert.
Ubisoft aber produziert seine beiden aktuellsten, next Generation Flagship-Games momentan ausschließlich für weiße Jungs.
Gerade bei Watch Dogs ist das ein riesiges WTF, dass man sich den Charakter nicht selbst bauen kann. Jeder weiß, dass alle Story-Cutscenes bei Mass Effect oder den Saints mit allen Modellen funktionieren, ohne dass die Story verwässert wird. Im Gegenteil: Die Immersion ist viel größer, weil man sich das Aussehen seines Characters selbst zusammengebaut hat. Und selbst wenn man sich einen aussuchen müßte: Watchdogs hat ja unzählige Modelle, um die Stadt zu beleben, die man im Multiplayer ja sogar (für den Mitspieler sichbar) auch bewegt. Wo sind da die riesigen Aufwände?
Im Gegenteil, den Spielern vorzuschreiben, ausschließlich Aiden als Figur spielen zu dürfen ist doch völlig unnötig und wirkt sich sogar extrem hinderlich für das Spiel aus. Wie bekloppt ist es, dass man im Multiplayer selbst immer Aiden lenkt und der Gegner einen Random Character? Den wiederum nur der jeweils andere sieht? Das haben andere Spiele seit Jahren tausendmal besser gelöst!
Und wenn man vorhat, ernsthaft ein Spiel für die nächste Generation der Spielentwicklung zu machen, mit einem nie dagewesenen Realitätsgrad, dann sollte man sich nun mal auch um ein realistisches Setting bemühen. Dazu gehört eine realistische Repräsentation.
Ubisoft schafft es es ja auch gleichzeitig, auf mehr als 200 Fahrzeugtypen mit völlig unterschiedlichem Verhalten stolz zu sein. Oder auf ultrarealistische Wetterbedingungen, die sich auf die gesamte Physik der Spielwelt auswirkt. Oder auf die exakteste Auswirkung von über 500 Waffentypen. Oder auf eine realistische, autarke Fauna. Oder die beste Wasserphysik, die man je in einem Spiel erleben konnte... oder, oder, oder.
Und dann reicht es nicht für ein realistisches Bewegungsmodell mehr, das sich immerhin auf 50% der Charaktere im Spiel auswirkt, die dort ständig unterwegs sind? Wirklich? Das soll die Begründung sein?
Ubisoft, ich glaube, ich kenne die tatsächliche Begründung. Ihr wollt nicht. Es interessiert euch - auf fatale Weise - nicht. Ihr habt eine so archaische Vorstellung von euren Kunden, die euch erlaubt, Diversität komplett zu ignorieren. Allerdings irrt ihr euch hier sehr. Das merkt ihr eventuell noch nicht gleich, aber vielleicht macht ihr euch mal die Mühe, zu untersuchen, wie viel mehr Prestige und wie viel mehr Verkäufe eurer neuen Flagship-Games ihr mit Leichtigkeit hättet erreichen können.
Und dass ihr nicht wollt ist klar: Ihr konntet Watch Dogs auch über ein halbes Jahr verschieben, um die Spielwelt zu perfektionieren. Und habt dabei dennoch darauf verzichtet, die Spielfigur auch als Frau zur Verfügung zu stellen. Wie viel eindeutiger hätte man es noch machen können?
Update: Es wird immer peinlicher. Auch in Ubisofts kommenden FarCry kommen sie mit derselben Ausrede.
Ich sags noch mal so deutlich wie ich es kann: Das Fehlen von Frauen in Ubisoft-Spielen ist ein Problem der Einstellung, kein technisches Problem. Selbst wenn es so wäre, dass es zu aufwändig ist, im Nachhinein eine weibliche Figur in die Spiele zu programmieren liegt das nur daran, dass Ubisoft ganz offensichtlich seine Spiele schon von vorneherein grundsätzlich ohne Frauen darin plant, designed und entwickelt.
Würde Ubisoft von Anfang an berücksichtigen, dass es in ihren Spielen selbstverständlich Frauen als Spielfiguren gibt, wären sie gar nicht erst in die Situation gekommen, sie nachträglich einbauen zu müssen.