Jetzt sind sie also dran, die Autisten und Asperger. Ein indirekter Hinweis, dass ein Amokläufer die ein oder andere Eigenschaft mit Autisten gemein gehabt haben könnte reicht aus, um Klickstrecken und Artikel zu veröffentlichen, die unserer genormten Gesellschaft die Bestätigung gibt, dass nur kranke Menschen krankes tun.
Mal abgesehen davon, dass Autismus nicht gleich Asperger ist und beides keine Persönlichkeitsstörungen sind. Unwichtige Details, über die sich nur Haarespalter aufregen. Und natürlich Autisten. Sollen sich nicht so anstellen und lieber ihre Medikamente nehmen (die es nicht gibt), damit sie nicht austicken.
Wenn unsere Küchenpsychologen in den Redaktionen ihre Zwanziger-Stricknadeln auspacken, dann werden aus Gerüchten schnell Symptome und aus den Symptomen Gründe. Alles in eine halbwegs passende Kiste gepackt und schon sind Autisten Amokläufer. Nichts neues, Autismus is the new Killerspiele is the new Death Metal is the new Gammler is the new Swingkids. Man kann sich ja nicht immer wiederholen: Aber es gibt ja genügend andere, wenn eine dieser einfachen Erklärungen langwierig widerlegt wurde.
Jetzt also die Autisten.
Eltern dürfen sich wieder gruseln - und es ist vor allem mal wieder der Spiegel*, das Hausblatt für den verklemmten deutschen Oberlehrer in uns allen, der die subtilen Ängste vor allem, was einem seltsam und unnormal vorkommen könnte, schürt. Nicht mehr darüber, ob das Kind durch Computerspiele den Verstand verliert oder wegen zu viel Feminismus zum unmännlichen Weichei mutiert. Diesmal pflanzt man ihnen die Frage in den Hinterkopf, ob dieser eine Mitschüler in der Klasse, der Autist, nicht vielleicht irgendwann unweigerlich zur Gefahr für alle werden könnte und ob es nicht besser wäre, diese bedauernswerten Kreaturen in eine eigene, ihrem Leiden angemessene Einrichtung zu stecken. Wäre ja sicher auch in ihrem Interesse, die können ja nichts dafür.
Eine andere Erklärung für solche Artikel habe ich nicht. Doch, eine: Quote machen durch das kolportieren von Schauermärchen. Aber das wäre ja komplett unjournalistisch. Von sowas ist der Spiegel ja weit entfernt.
Wenn es so wäre, dass Asperger sein und bestimmte Dinge, die einem in der Schule passieren und die man angeblich mit dieser Disposition nicht parsen und verarbeiten könnte - ich schreibe angeblich, denn es ist schlicht nicht wahr, dass man das nicht kann, es ist vielmehr so, dass sich Leute, die das so darstellen nur nicht vorstellen können - reicht, um auszuticken, hätte ich mindestens drei Amokläufe hinter mir.
Aber wie sagte schon der große Alan Rickman in seiner Rolle als Sheriff von Nottingham: "I had a very sad childhood, I'll tell you about it sometime... It's amazing I'm sane."
Update 17.12.2012:
Und BILD kombiniert die vom Spiegel hübsch hingehaltene Kmbination aus Zündholz und Benzinkanister und titelt mit genau der Assoziation, die ja angeblich überhaupt nicht beabsichtigt war und eröffnet unverblümt die Jagd.
Mir fehlen die Worte. Nicht einmal mehr eine passende Beleidigung fällt mir ein.
Update 16.12.2013:
Der Jahrestag. Und RTL sendet zwei Sätze - jedes Wort ein Fehler.
(* Und nein, ich verlinke den Artikel nicht. Er ist erstens nur ein Beispiel und zweitens wird er seit einer Weile ständig umgeschrieben, was ja nett ist, aber meinen Punkt nicht verändert.)