Die Forderung nach "Friedensverhandlungen statt Waffenlieferungen" beinhaltet zwei Tricks, die in den letzten Jahren inflationär genutzt werden - leider weil es so gut funktioniert:
Der erste Trick ist, etwas so zu fordern oder zu behaupten, dass es sich so anhört als ob das, was gefordert oder behauptet wird, noch nie passiert ist.
"Die Klimaaktivisten sollen erst mal Vorschläge machen!"
Fakt ist aber: Natürlich machen sie seit Jahren Vorschläge.
"Deutschland zahlt als einziger die Entwicklungshilfe für alle anderen!"
Fakt ist aber: Natürlich zahlen andere auch und oft genug auch wesentlich mehr.
"Warum muss ausgerechnet Deutschland als einziger alle Flüchtlinge aufnehmen?"
Fakt ist aber: Deutschland ist weder das einzige Land, das Flüchtlinge aufnimmt und auch nicht das, das die meisten aufnimmt.
"Warum soll Deutschland immer vorangehen und zuerst seine ganze Wirtschaft auf Nachhaltigkeit umstellen?"
Fakt ist aber: Deutschland ist so langsam, dass wir inzwischen so weit hintendran sind, dass es schon ein Wunder bräuchte, um in einer absehbaren Zeit wenigstens ins Mittelfeld aufschließen.
Und genau so ist es mit "Verhandlungen", die angeblich nicht stattfinden, weil man ja lieber Waffen liefere: Selbstverständlich gab und gibt es und wird es selbstverständlich auch weiter Versuche für Verhandlungen geben. Sie haben halt bisher nichts erreichen können. (*Waffenlieferungen und Sanktionen erhöhen sogar wie Wahrscheinlichkeit für Verhandlungen, denn ihr Zweck ist ja, den Druck hoch zu halten, damit Putin auch irgendwann merkt, dass er nicht ohne Verhandlungen weiter kommt).
Aber es geht noch weiter, das war ja nur ein Trick: Diesen kombiniert man nämlich auch noch mit einem zweiten Trick, nämlich der angegriffenen Partei zu unterstellen, das Gegenteil von dem zu wollen, was man sich gerade als eigene Forderung rausgepickt und so zuvor unterstellt hat, dass es nicht passiert. Also "Waffen liefern".
Es ist allerdings so: Niemand _will_ das und man sieht das zB daran, wie lange das dauert und wie lange sich zB der Kanzler geziert hat, überhaupt das Wort "Waffenlieferung" in den Mund zu nehmen.
Warum macht man das? Es geht den "Friedensaktivist*innen" um Wagenknecht und Schwarzer nicht um Frieden. Es geht - wie allen Populisten - um eine Erzählung, in der es zwei absolute Seiten gibt. Die eigene und die falsche. Das geht nur, wenn die andere Seite vollständig abgelehnt werden kann. Und dafür muss man die andere Seite erst mal so konstruieren, dass alles, was man selbst behalten will, dort nicht mehr vorhanden ist. Also darf der Gegner nicht mehr "Frieden wollen" und "verhandeln". Und daher formuliert man seine Forderungen so, dass es einen Gegensatz gibt und verknüpft das mit der Behauptung, der Gegner wolle das Gegenteil von "uns".
Wer diese Rhetorik verwendet, dem geht es um etwas anderes als die Sache, von der er spricht. Denn sie ist austauschbar. Seit mindestens 2015 erzählen die immer gleichen Leute mit der immer gleichen Rhetorik, dass es ein "Wir" und ein "Die" gibt. Das Thema wechselt: Asylbewerber*innen, Flüchtende, Vegane Freitage, Corona-Impfungen, Gendern, Klima.
Wenn man das Prinzip dieser Rhetorik ein mal verstanden hat, ist es erstaunlich einfach, zu erkennen, wenn sie wieder mal angewendet wird. Es lohnt sich also, darauf zu achten. Denn es ist wie bei des Kaisers neuen Kleidern. Wenn man einmal gesehen hat, dass der Kaiser nackt ist, können die Wagenknechts, Schwarzer, Höckes, Merze oder Lindners sich den Mund fusselig reden: Man erkennt es sofort als das Gaslighting, das es ist.