Hat etwas gedauert, aber jetzt ist auch der Feed umgestellt. Durch die nette Hilfestellung von @michael_timm gings ratzfatz.
Verleger - also Leute, die von Musikern oder Autoren Lieder und Texte zu einem günstigen Preis einkaufen, dann die Kopien der Musik oder der Texte zu einem höheren Preis verkaufen und dadurch Geld verdienen - haben ein Problem: Das was sie tun kann inzwischen jeder.
Verleger haben sich schon immer gegen alle Möglichkeiten gewehrt, die es normalen Menschen erlaubt, Musik und Texte zu vervielfältigen. Fotokopierer sind ihnen schon immer zuwider gewesen, Tonbandcassetten waren ebenfalls schon in den Siebzigern der Untergang des Abendlandes. Man versuchte immer schon, den Vorgang "kopieren" zu kriminalisieren und spricht seit jeher von "fehlendem Unrechtsbewusstsein". Man verteidigt in Wahrheit aber nur das Monopol auf eine Technik, die nur Gewinn bringt, so lange sie nicht allen zur Verfügung steht.
Der Kampf gegen die Technik ist inzwischen so ziemlich verloren, aber man hat doch noch ziemlich lange dafür sorgen können, die Entwicklung hinzuziehen. Das war nicht etwa Kurzsichtigkeit, wie es der Musikindustrie im letzten Jahrzehnt gerne mal vorgeworfen wurde: Ich habe vor Jahren schon gesagt, dass für die Musikindustrie die CD so irrsinnig rentabel ist, dass für sie jedes Jahr, das die CD durch das Ausbremsen und Verzögern des Aufbaus legaler digitaler Vertriebswege überlebt, Gold wert ist (Was inzwischen auch nicht mehr nur eine Behauptung ist). Außerdem hat man die Zeit genutzt, statt der Beschränkung des Zugriffs auf Vervielfältigungstechniken Gesetze durchzudrücken, die die Nutzung der Inhalte beschränken: Man erhält schon lange keine Schallplatte mehr, mit der man tun kann was man will sondern lediglich diverse Erlaubnisse, sich Musik unter ganz bestimmten Vorraussetzungen anzuhören. Und jede Menge Verbote dazu. Interessanterweise nennt man das "Urheberrechte", was eigentlich eine Anmaßung ist, denn Verlage sind ja nicht die Urheber der Musik, sondern waren immer nur ein Kopienvertrieb und sind jetzt Lizenzverkäufer.
Etwas weniger kontrovers wurde über die Buch- und Zeitungsverlage diskutiert, die jedoch dieselben Probleme und auch dieselben Wege einschlugen. Kopierer in Bibliotheken wurden schon früher ebenso verteufelt wie heute Google für die Digitalisierung von Büchern. Auch hier wird absichtlich kriminalisiert, ich erinnere mich an Razzien auf Flohmärkten Anfang der Achtziger, bei denen man nach "Raubkopien" (von dort kenne ich diesen Begriff nämlich eigentlich) von Büchern suchte.
Aber Bücher waren nie so stark gefährdet, auf Bildschirmen lesen war lange Zeit unbequem und wenn man unterwegs ist ist die digitale Kopie im Gegensatz zu mp3-Dateien auf winzigen Playern besser als das Original, denn ein simples Buch ist eben immer noch robuster und viel leichter zu handhaben als irgendein Lesegerät, auch wenn sich das gerade zu ändern scheint. Außerdem hat man nicht das Problem, sich über den Tisch gezogen zu fühlen wie bei einer CD, da man die Kosten für ein Buch normalerweise schon noch ganz ok findet. Man zahlt für 40 Minuten lesen ja nunmal keine 15 Euro, um das mal direkt zu vergleichen.
Der Krieg, den die Verleger führen, ist daher weniger einer gegen die Konsumenten die beginnen, Kopiertechniken zu nutzen, so wie ihn die Musikindustrie führt, sondern der gegen diejenigen, die Veröffentlichungstechniken nutzen. Wie zum Beispiel Suchmaschinen, freie Journalisten und Autoren, Blogger und so weiter. Leute eben, die ihre Arbeit nicht durch Verlage verbreiten lassen und diesen so die Gelegenheit geben, mit dem Vertrieb ihrer Texte Geld zu verdienen, sondern ihr Zeug einfach selbst verbreiten. Eventuell auch noch ohne überhaupt Geld dafür zu verlangen. Das ist für Verleger natürlich doppelt ärgerlich: Erstens weil sie sich natürlich ausrechnen können, wie viel Kohle sie eigentlich hätten verdienen können, würden all diese Texte und Inhalte dem alten Verlagsverfahren unterworfen sein und zweitens weil die Konsumenten natürlich nicht bei Verlagen für Inhalte zahlen, die sie woanders kostenlos bekommen. Letzteres ist allerdings ein selbstgemachtes Problem, denn gerade im Journalismus ist der Qualitätsabbau so weit fortgeschritten, dass man jenseits der Presse immer häufiger die besseren Informationen findet (Aber das ist ein anderes Thema, das jetzt hier nicht ausführen möchte).
Was tun also die Verleger, um freie Publikation einzuschränken? Dasselbe wie die Musikverlage: Sie versuchen, zu kriminalisieren, was zuvor nicht kriminell war. Sie versuchen, möglichst viele Rechte für sich in Gesetze zu drücken. Aktuell ist es da das "Leistungsschutzrecht", durch das sie versuchen, neue Zäune an Stellen errichten, wo momentan das Recht noch auf der Seite der Konsumenten oder Autoren ist. Der aktuell geleakte Forderungskatalog ist ein Paradebeispiel für Maximalforderungen einer Lobby. Ich greife nur mal einen sehr weitreichenden Punkt heraus:
Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sollten nicht nur Teile des Presseerzeugnisses wie einzelne Beiträge, Vorspänne, Bilder und Grafiken geschützt werden. Schutzwürdig sind beispielsweise auch Überschriften, Sätze, Satzteile etc., soweit sie einer systematischen Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe in Verbindung mit dem Titel des Presseerzeugnisses dienen.
Was man auch unverquast kürzer ausdrücken kann: Wir wollen das Zitatrecht abschaffen. Niemand soll mehr zitieren dürfen, selbst wenn er die Quelle des Zitats angibt (Lustigerweise ist die Formulierung vor lauter Verschlüsselung dieser Forderung so missglückt, dass man nach dieser Lesart weniger falsch macht, wenn man bei Zitaten die Quellenangabe weglässt).
Es lohn sich, das gesamte Dokument durchzulesen. Natürlich muss man immer im Hinterkopf behalten, dass es sich hier um den feuchten Wunschtraum einer einzigen Lobby handelt, man den Ball einfach sehr weit ins Feld wirft, um so viel Verhandlungsmasse zu haben wie möglich. Dennoch zeigt es, wo man in Zukunft hinsehen muss, worauf man sich einstellen muss, wogegen es Argumente und besser noch gute Alternativen zu entwickeln gilt. Das passiert ja auch schon. Es ist ja nicht so, dass es nur diese eine Lobby gibt, auch Autoren, Vertreter von alternativen Lizenzmodellen wie Creative Commons und Verfechter von freiem Informationszugang sind immer besser organisiert. Man muss also gerade nicht allzu sehr erschrecken, sondern es ist erst mal gut, dass man jetzt eine Blaupause der Pläne des Gegners in der Hand hat.
"Be kinder than necessary, for everyone you meet is fighting some kind of battle."
Nachdem ich vorgestern so angegrätzt war und mir den Ärger auch mit den entsprechend scharfen Worten von der Backe geschrieben habe, überlegte ich, warum ich eigentlich wirklich so sauer gewesen bin.
Ich kam auf folgendes: bin ein großer Fan des Internet. Ich habe so viele wunderbare Menschen kennengelernt. In Foren, übers Bloggen und auch schon per Twitter. Ich möchte diese böse, hämische, destruktive, mobbende Seite des Internet am liebsten nicht sehen, in der Menschen gehänselt und runtergemacht werden weil irgendwelchen Trollen grade langweilig ist oder die glauben, sich auf Kosten anderer profilieren zu können. Ich mag die Seite des Internet, in der man gutwillig ist. In der man auf Fehler aufmerksam gemacht wird und Hilfe bekommt, um besser werden zu können. Die Seite, die Solidarität mit denen zeigt, die sie nötig haben, weil sie sonst unter die Räder kommen. Die spontane, kreative Seite. Die mitfühlende Seite.
Und dann sitze ich plötzlich mitten in diesem Internet, das eine Sportreporterin wegen eines garantiert harmlos gemeinten (und fehlinterpretierten) Zitates am liebsten am nächsten Baum aufgehängt hätte. Das doofe, trollige, spiessige Internet schwappte mitten in mein schönes, gutes, kluges Internet hinein. Sogar das böse, verschlagene, verlogene Internet begegnete mir: Das nämlich, in dem Menschen Aufwand und Kreativität dafür aufwenden, z.B. eine Wikipediaseite zu faken, nur um die schon längst widerlegten Argumentation doch noch irgendwie zu stützen statt einen Irrtum zuzugeben.
Aber das war gestern.
Inzwischen habe ich den Boden wieder freigewischt und die Wolken die mein Internet so sehr verdunkelten lösen sich auf oder ziehen erstmal weiter (ich nehme an, sie hängen noch ne Weile bei Stefan Niggemeier rum). Ich vermeide es, auf Links zum Thema zu klicken. Ich weiss, dass die "Journalisten" sich auf die Geschichte stürzten - muss ja vermeintlich kaum Arbeit in Recherche gesteckt werden. Ich lese daher für ein paar Tage nur sehr vorsichtig Nachrichten, vorzugsweise auf englischen Newsseiten. Ich muss nicht nachsehen, was geschrieben wird um es zu wissen. Ich will, dass es wieder nett ist. Ich will, dass ich wieder nett bin.
Heute war/ist - außerhalb des kleinen, deutschen Internets - der Cheer Up Keanu Day. Eine dieser seltsamen kreativen, einfach nur netten Aktionen, für die ich das Internet doch wieder sofort gern habe und die "normale" Menschen gerne mal bestenfalls naiv finden oder einfach gleich überhaupt nicht verstehen. Ich erkläre das auch gar nicht erst sondern denke, wen es interessiert, der kann ja gerne selbst ein wenig recherchieren (ich kann zur Hilfe aber gern einen Startpunkt vorschlagen).
Wie ist das? Wie wollen wir denn behandelt werden von anderen? Nicht nur im Internet sondern überhaupt? Wie wollen wir mit anderen umgehen? Ich für meinen Teil möchte nicht ständig Rants schreiben; ich will nicht Schadenfroh sein, meinen Vorteil ausnutzen, mein Ego auf Kosten anderer polieren. Zynisch sein ist so einfach. Und - ich hab schon mal darüber geschrieben - abgebrüht sein ist nichts anderes als Feigheit.
Ich möchte schöne Dinge erleben, gute Menschen kennenlernen, auf jeden Acht geben, freundlich und offen sein, davon ausgehen, dass jeder Mensch genug Schweres mit sich herumträgt. Ich möchte mitfühlen und trösten und mich über wirkliche Ungerechtigkeiten empören. Ich möchte für meine Freunde und Liebsten da sein und gebe mir viel Mühe, jemand zu sein, mit dem man schöne Dinge machen und erleben und auf dessen Hilfe man sich verlassen kann. Ich möchte Fehler verzeihen und wenn sie nicht der Rede wert sind auch ignorieren. Ich schaffe all das oft genug nur halb oder gar nicht. Aber wenn ich es schaffe, dann geht es mir gut. Und wenn ich es schaffe, dass es auch anderen gut geht, dann geht es mir wunderbar.
Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich nicht gerne wunderbar fühlen würden. Vielleicht wissen sie nur gar nicht, dass das wirklich geht.
ziehe meinen Raumanzug an und vergrab mich den Rest des Abends in Mass Effect.
Immerhin hab ich hier ja auch noch Teil 2 liegen, da muss ich ja keine Zeit schinden.
Und hier verpasse ich auch grade nichts.
gilt den Vollidioten des Internet, die gestern abend völlig unnötig glaubten, eine Riesenwelle starten zu müssen, weil gestern Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein im ZDF gesagt hat, für Miroslav Klose müsse sein Treffer doch "ein innerer Reichsparteitag" sein.
Ich hab erst noch gegrinst, als die ersten verdutzten Tweets kamen. "Was hat die grade gesagt?", "Hab ich mich verhört?" und so weiter. Aber es blieb nicht dabei. Man begann, sich aufzuschaukeln und in einer seltsam hysterischen Art und Weise zu empören, inklusive schräger Auswüchse wie Klose sei ja polnischer Herkunft, da gehe so ein Spruch ja doppelt nicht, und das ZDF müsse reagieren, warum hat sich der ZDF-Twitterkanal noch nicht zu diesem Skandal geäußert (nach 10 Minuten)... ein Trauerspiel begann, in dem ich und einige andere offenbar zu spät begannen, mal nachzuhaken, wo denn eigentlich das Problem gesehen wird. Man konnte aber auch gar nicht so recht glauben, dass der Ausdruck so derart missverstanden werden kann.
Ich hatte gestern per Twitter einige Diskussionen mit einzelnen Internetcommunitybenutzern, die ich auf ihren Irrtum aufmerksam machen wollte, die sich aber mit Händen und Füßen gegen Aufklärung wehrten. So erklärte man mir auf meinen Hinweis, daß diese vermeintlich böse Redewendung in einer kreuzwissenschaftlichen Quelle als in den 30er Jahren als Widerstandsform und Parodie auf den Nazipomp entstandene Form erklärt wird, man nehme Informationen aus der Wikipedia grundsätzlich nicht Ernst. Dabei verlinkte ich nicht auf einen Wikipedia-Artikel sondern auf das Zitat der Originalquelle und nicht wie derselbe Twitterer zuvor auf eine obskure Webseite ohne Quellenangaben, in deren Beispielen die unterschiedliche Konnotation von "innerem" und "äußerem" Reichsparteitag sogar ebenfalls vorkommt, aber nicht erklärt wird (wahrscheinlich weil dem Autor des Zitats der Unterschied geläufig ist) und an der eine Ergänzung hängt, die schlicht falsch ist. Und völlig unbelegt.
Ich sammel daher hier jetzt mal ein paar Zitate und Aussagen, die erklären, wie dieser "innere Reichsparteitag" tatsächlich gemeint ist. Nur, damit die Besserwisser im Steinigungsblutrausch hinterher nicht sagen können, es hat ihnen keiner gesagt.
Erstmal die hoffentlich auch bei hyperkritischen Geistern anerkannte Quelle, nämlich der Volkskundler Lutz Rörich in seinem Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Bd. 5, S. 1682 (Ausg. 1988):
Volksfest: Es ist mir ein Volksfest, ironische Verstärkung der Wendung 'Es ist mir ein Vergnügen', 'Es ist mir angenehm', 'Es freut mich sehr'; ebenso: 'Es ist mir ein innerer Reichsparteitag' oder 'Es ist mir ein innerer Vorbeimarsch', mit parodistischer Beziehung auf die bombastischen Reichsparteitage der Nationalsozialisten in den dreißiger Jahren aufgekommen. (zit.)
Dann ein paar Zitate von Leuten, die anscheinend noch im richtigen Alter sind, um zu wissen worum es bei dieser Redewendung geht. Gerd Brunzema schreibt z.B. sehr genervt:
(...) Man verspottete damit nämlich den abgrundtief ernst gemeinten Protz, Prunk und Tralala der NS-Parteitage in Nürnberg.
Meine Mama sagt das heute noch. Und die hält sich danach immer den Mund zu. Und zwar nicht, weil sie irgendwas Nazi-verherrlichendes gesagt hätte.
Im Gegenteil.
IM GEGENTEIL, IHR DEPPEN!!!!
Hier ein - aus der Erfahrung des Schicksals dieses schon ignorierten Kommentares wahrscheinlich auch recht fruchtloser - Versuch in Stefan Niggemeiers Artikel Ein innerer Reichsparteitag:
(...) Allein die Kombination "innerer" und "Reichsparteitag" zeigt doch schon, daß es sich um ein ironisches Wort aus dem geistigen Widerstand gegen die Nazis handelt. "Reichsparteitag" war die totale Öffentlichkeit der NSDAP, an der jeder "Volksgenosse" zustimmend teilzunehmen hatte; wer in seinem Innern(!) den RP beging, war eben genau dagegen, hat es aber aus bekannten Gründen 33-45 nicht kundgetan (das konnte die Rübe kosten!). KMH stammt aus Erlangen und hat in Nürnberg gearbeitet – wie die allermeisten heutigen Nürnberger voller Ingrimm auf das historische Nazi-Spektakel (...)
Malte versucht es mit einem passenden Vergleich:
(...) In weiten Teilen meines Bekanntenkreises ist es üblich, jemanden, der mit irrationalem Eifer eine Sache verfolgt, als Lampen-, Hygiene-, Socken- oder Fernseh-Nazi zu bezeichnen. Meine Bekannten verharmlosen damit nicht etwa den Holocaust, ganz im Gegenteil. Genauso ist die Formulierung vom inneren Reichsparteitag eine Form der spöttischen Distanzierung vom Nazi-Jargon, die unter den real existierenden Schweinen einen Besuch der Gestapo nach sich gezogen hätte. (...)
Ja. Es ist wohl offensichtlich, dass der Auslöser hier war, dass Frau Müller-Hohenstein eine Redewendung benutzt hat, die nicht (mehr) jeder kennt (oder vielleicht auch ausserhalb Frankens - wo auch ich herkomme - weniger bekannt ist als auch ich dachte) und dass diejenigen, die sie nicht kennen, ihn falsch verstehen bzw. sogar ins Gegenteil der eigentlichen Bedeutung umkehren.
Allerdings ist das viel größere Problem ein ganz anderes: Daß es so viele Leute gibt, die mit einer sturen Ignoranz, gemischt mit Hysterie und einem ordentlich stinkenden Haufen Selbstgerechtigkeit herumlaufen. Statt mit Hirnen.
Update: Ob der recherchegewohnte Qualitätsjournalismus die Dinge vielleicht richtigstellen ... ach Gott, wie komm ich denn auf diesen abwegigen Gedanken.
Der Spiegel titelt morgen so:
Und ich weiß nicht, was mich daran mehr ärgert: Die unverhohlene Lust an der Destruktivität oder das billige Bespielen des Triggers Häme. "Aufhören!" ist ein Ruf, den frustrierte Zuschauer skandieren, wenn die Vorstellung auf der Bühne saugt. Die Presse ist aber kein Zuschauer. Es nervt schon genug, wenn die Bildzeitung ständig für "uns Deutsche" spricht, da muss der Spiegel nicht auch noch damit anfangen.
Wenn der frustrierte Bürger als Ausdruck seines Ohnmachtsgefühls "Aufhören!" ruft, dann kann man das gerne berichten. So aber ist der Titel eine bille Anwanzerei. Und wie einfach wäre ein besserer Titel gewesen. Einer der zum doch hoffentlich irgendwo noch vorhandenen Selbstverständnis des Journalismus passt. Eine konstruktive Forderung. Zum Beispiel "Anfangen!"
Wie viel lieber hätte ich also eine Presse, die einen Schritt weiter denkt und von der Regierung verlangt, sich endlich wie eine solche zu benehmen und aktiv zu regieren beginnt. Die sie auffordert, die Klientelpolitik sein zu lassen, für das ganze Volk zu arbeiten wie es ihre Aufgabe wäre und endlich die wirklich brennenden Probleme anzugehen: Das Steuersystem zu ändern, das Gesundheitssystem zu reparieren, echte Bildungspolitik zu machen, sich aus der Abhängigkeit von Konzernen und Lobbyisten zu lösen, dumme Symbolpolitik sein zu lassen. Wenn diese Regierung das machen würde, wäre ich viel froher darüber als wenn sie hilflos scheitert.
Der Opposition könnte sie übrigens auch was erklären. Nämlich, dass immer nur einfach dagegen sein keinem einzigen Bürger in diesem Land weiterhilft. Oder dass sie Vertrauen dafür gewinnt, daß sie es auch nur einen Deut besser machen würde.
"Der Wähler" wünscht sich doch eigentlich eine funktionierende, konstruktive und für alle verantwortlich handelnde Regierung, und es ist den meisten Menschen wahrscheinlich eigentlich recht egal, wer nun da vorne herumsteht - Hauptsache er macht seinen Job gut. Ich habe Merkel nicht gewählt, aber ich kann - anscheinend im Gegensatz zum Spiegel und den Oppositionsparteien - durchaus akzeptieren dass sie jetzt erst mal Kanzlerin ist. Sie ist nämlich einigermaßen demokratisch gewählt worden und es bringt absolut nichts, jetzt Jahre lang erbost die Faust zu recken weil man die Wahl nicht gewonnen hat: Wenn man glaubt, man kanns besser sollte man durch gute Vorschläge überzeugen. Und dadurch den Wähler davon, nächstes Mal anders zu wählen.Wenn ich stattdessen als Opposition einfach nur vier Jahre schmollend oder krakeelend in der Ecke stehe überzeuge ich niemanden und wenn ich mich als Presse nur über das Scheitern der Regierung meines Landes freue dann hab ich meine Aufgabe verfehlt, sollte ich mich tatsächlich noch als "vierte Macht" betrachten. Man kann - als Presse oder Opposition - seine Macht nicht nur destruktiv einsetzen. Aber das würde einem ja wahrscheinlich den schnellen, egoistischen Erfolg kosten.
Hm. Ich könnte den ganzen Kommentar eigentlich auch in zwei Sätzen zusammenfassen:
Ich kann Leute nicht ausstehen, die anderen beim Scheitern zusehen und sagen "Hätt ich Dir auch gleich sagen können" - das ist nämlich mal so richtig asozial. Und die Regierung soll nicht aufhören, sondern endlich mal anfangen, ihren Job zu machen.
Update: Ähnliches von Johnny.

Update: Haha! Das Lied zur Geste.
Jetzt blogge ich seit 10 Jahren und hab in dieser ganzen Zeit nie verstanden, wie Trackbacks eigentlich funktionieren. Ich hab sie über blogger.com auch nie zum Laufen bekommen (vielleicht hätte ich sie dazu auch kapieren müssen) und daher auch nie wirklich beachtet. Deswegen kommt mir das jetzt ein wenig wie Technikmagie vor:
Grade hab ich meinen ersten Trackback ever bekommen. Und ich hab immer noch keinen Schimmer, wie das funktioniert sondern nur den Haken "Trackbacks" im b2evo-Backend dringelassen.
Wollt ich nur kurz loswerden. Weitermachen.
In der Vergangenheit waren Thilo Sarrazins Äusserungen mindestens populistisches Stammtischgeschwätz. Ärgerlich, weil er einmal mehr diesen verlogenen "Man muss in Deutschland auch unbequeme Wahrheiten aussprechen dürfen"-Gestus vor sich herträgt, den z.B. auch schon Möllemann oder Westerwelle bemüht haben, um sich zu Helden einer spiessig-feigen, neidzerfressenen Möchtegernmittelklasse machte, die sich in ihrer kleingeistigen Welt voller Vorurteile von Staat, den Klassen unter der ihren und vom Humanismus gegängelt, unterdrückt und ständig benachteiligt fühlen.
Freilich kann das niemand wirklich nachvollziehen, der sich diese dauernöligen und nur in ihren Inzuchtkreisen laut zeternden Menschen anschaut, denn es geht diesen Leuten ja vergleichsweise gut bis sehr gut. Und die Verständnislosigkeit, die wir ihnen entgegenbringen, weil wir einfach nicht einsehen wollen, wie schrecklich schwer es dieser Menschenschlag hat, bestätigt lediglich ihr Selbstbild: Wir sind ja Opfer der Hirnwäsche von Gutmenschen.
Es wurde natürlich bei den vergangenen Brandstiftereien von Sarrazin jedes mal die Frage diskutiert, ob das was er da sagte eigentlich nur xenophob war oder schon ausländerfeindlich oder gar rassistisch. Er verstand es allerdings bisher erstaunlicherweise jedes mal ganz gut, zumindest nicht so eindeutig zu werden, daß er dabei sogar in der SPD bleiben konnte.
Heute nun gibt es (man möchte seufzen "schon wieder") Neues vom Sprücheklopfer, allerdings verschlägt es einem da mal eben den Atem, denn was er in einem Vortrag zum Thema "Bildung, Demografie, gesellschaftliche Trends" sagte, ist Rassismus in Reinstform:
(...) "Wir werden auf natürlichem Wege durchschnittlich dümmer", zitiert die Nachrichtenagentur dpa Sarrazin am Donnerstag. Der 65-Jährige brachte dies dem Bericht zufolge mit Hilfe umfangreicher Zahlen in Zusammenhang mit Zuwanderern "aus der Türkei, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika". Sie wiesen weniger Bildung auf als Einwanderer aus anderen Ländern.
Einwanderer bekämen zudem mehr Kinder als Deutsche, sagte Sarrazin. Es gebe "eine unterschiedliche Vermehrung von Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Intelligenz", sagte der frühere Finanzsenator Berlins. Intelligenz werde von Eltern an Kinder weitergegeben, der Erbanteil liege bei fast 80 Prozent. (...)
Es wundert schon etwas, daß eine Nachrichtenagentur es für eine Nachricht hält, wenn jemand altbackene rassistische Theorien aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts kolportiert - nichts anderes ist die Gruselmär, Zuwanderer seien weniger intelligent als "wir" und "wir" - wer auch immer damit gemeint ist - würden daher immer dümmer, weil sie ihre minderintelligenten Gene hier verbreiteten würden. Fehlt eigentlich nur das Wort "Durchrassung", dann hätte er nicht nur die Ansichten sondern auch das Vokabular ganz anderer Parteien unter die Leute gebracht.
Immer noch als SPD-Mitglied, wohlgemerkt.