Verleger - also Leute, die von Musikern oder Autoren Lieder und Texte zu einem günstigen Preis einkaufen, dann die Kopien der Musik oder der Texte zu einem höheren Preis verkaufen und dadurch Geld verdienen - haben ein Problem: Das was sie tun kann inzwischen jeder.
Verleger haben sich schon immer gegen alle Möglichkeiten gewehrt, die es normalen Menschen erlaubt, Musik und Texte zu vervielfältigen. Fotokopierer sind ihnen schon immer zuwider gewesen, Tonbandcassetten waren ebenfalls schon in den Siebzigern der Untergang des Abendlandes. Man versuchte immer schon, den Vorgang "kopieren" zu kriminalisieren und spricht seit jeher von "fehlendem Unrechtsbewusstsein". Man verteidigt in Wahrheit aber nur das Monopol auf eine Technik, die nur Gewinn bringt, so lange sie nicht allen zur Verfügung steht.
Der Kampf gegen die Technik ist inzwischen so ziemlich verloren, aber man hat doch noch ziemlich lange dafür sorgen können, die Entwicklung hinzuziehen. Das war nicht etwa Kurzsichtigkeit, wie es der Musikindustrie im letzten Jahrzehnt gerne mal vorgeworfen wurde: Ich habe vor Jahren schon gesagt, dass für die Musikindustrie die CD so irrsinnig rentabel ist, dass für sie jedes Jahr, das die CD durch das Ausbremsen und Verzögern des Aufbaus legaler digitaler Vertriebswege überlebt, Gold wert ist (Was inzwischen auch nicht mehr nur eine Behauptung ist). Außerdem hat man die Zeit genutzt, statt der Beschränkung des Zugriffs auf Vervielfältigungstechniken Gesetze durchzudrücken, die die Nutzung der Inhalte beschränken: Man erhält schon lange keine Schallplatte mehr, mit der man tun kann was man will sondern lediglich diverse Erlaubnisse, sich Musik unter ganz bestimmten Vorraussetzungen anzuhören. Und jede Menge Verbote dazu. Interessanterweise nennt man das "Urheberrechte", was eigentlich eine Anmaßung ist, denn Verlage sind ja nicht die Urheber der Musik, sondern waren immer nur ein Kopienvertrieb und sind jetzt Lizenzverkäufer.
Etwas weniger kontrovers wurde über die Buch- und Zeitungsverlage diskutiert, die jedoch dieselben Probleme und auch dieselben Wege einschlugen. Kopierer in Bibliotheken wurden schon früher ebenso verteufelt wie heute Google für die Digitalisierung von Büchern. Auch hier wird absichtlich kriminalisiert, ich erinnere mich an Razzien auf Flohmärkten Anfang der Achtziger, bei denen man nach "Raubkopien" (von dort kenne ich diesen Begriff nämlich eigentlich) von Büchern suchte.
Aber Bücher waren nie so stark gefährdet, auf Bildschirmen lesen war lange Zeit unbequem und wenn man unterwegs ist ist die digitale Kopie im Gegensatz zu mp3-Dateien auf winzigen Playern besser als das Original, denn ein simples Buch ist eben immer noch robuster und viel leichter zu handhaben als irgendein Lesegerät, auch wenn sich das gerade zu ändern scheint. Außerdem hat man nicht das Problem, sich über den Tisch gezogen zu fühlen wie bei einer CD, da man die Kosten für ein Buch normalerweise schon noch ganz ok findet. Man zahlt für 40 Minuten lesen ja nunmal keine 15 Euro, um das mal direkt zu vergleichen.
Der Krieg, den die Verleger führen, ist daher weniger einer gegen die Konsumenten die beginnen, Kopiertechniken zu nutzen, so wie ihn die Musikindustrie führt, sondern der gegen diejenigen, die Veröffentlichungstechniken nutzen. Wie zum Beispiel Suchmaschinen, freie Journalisten und Autoren, Blogger und so weiter. Leute eben, die ihre Arbeit nicht durch Verlage verbreiten lassen und diesen so die Gelegenheit geben, mit dem Vertrieb ihrer Texte Geld zu verdienen, sondern ihr Zeug einfach selbst verbreiten. Eventuell auch noch ohne überhaupt Geld dafür zu verlangen. Das ist für Verleger natürlich doppelt ärgerlich: Erstens weil sie sich natürlich ausrechnen können, wie viel Kohle sie eigentlich hätten verdienen können, würden all diese Texte und Inhalte dem alten Verlagsverfahren unterworfen sein und zweitens weil die Konsumenten natürlich nicht bei Verlagen für Inhalte zahlen, die sie woanders kostenlos bekommen. Letzteres ist allerdings ein selbstgemachtes Problem, denn gerade im Journalismus ist der Qualitätsabbau so weit fortgeschritten, dass man jenseits der Presse immer häufiger die besseren Informationen findet (Aber das ist ein anderes Thema, das jetzt hier nicht ausführen möchte).
Was tun also die Verleger, um freie Publikation einzuschränken? Dasselbe wie die Musikverlage: Sie versuchen, zu kriminalisieren, was zuvor nicht kriminell war. Sie versuchen, möglichst viele Rechte für sich in Gesetze zu drücken. Aktuell ist es da das "Leistungsschutzrecht", durch das sie versuchen, neue Zäune an Stellen errichten, wo momentan das Recht noch auf der Seite der Konsumenten oder Autoren ist. Der aktuell geleakte Forderungskatalog ist ein Paradebeispiel für Maximalforderungen einer Lobby. Ich greife nur mal einen sehr weitreichenden Punkt heraus:
Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sollten nicht nur Teile des Presseerzeugnisses wie einzelne Beiträge, Vorspänne, Bilder und Grafiken geschützt werden. Schutzwürdig sind beispielsweise auch Überschriften, Sätze, Satzteile etc., soweit sie einer systematischen Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe in Verbindung mit dem Titel des Presseerzeugnisses dienen.
Was man auch unverquast kürzer ausdrücken kann: Wir wollen das Zitatrecht abschaffen. Niemand soll mehr zitieren dürfen, selbst wenn er die Quelle des Zitats angibt (Lustigerweise ist die Formulierung vor lauter Verschlüsselung dieser Forderung so missglückt, dass man nach dieser Lesart weniger falsch macht, wenn man bei Zitaten die Quellenangabe weglässt).
Es lohn sich, das gesamte Dokument durchzulesen. Natürlich muss man immer im Hinterkopf behalten, dass es sich hier um den feuchten Wunschtraum einer einzigen Lobby handelt, man den Ball einfach sehr weit ins Feld wirft, um so viel Verhandlungsmasse zu haben wie möglich. Dennoch zeigt es, wo man in Zukunft hinsehen muss, worauf man sich einstellen muss, wogegen es Argumente und besser noch gute Alternativen zu entwickeln gilt. Das passiert ja auch schon. Es ist ja nicht so, dass es nur diese eine Lobby gibt, auch Autoren, Vertreter von alternativen Lizenzmodellen wie Creative Commons und Verfechter von freiem Informationszugang sind immer besser organisiert. Man muss also gerade nicht allzu sehr erschrecken, sondern es ist erst mal gut, dass man jetzt eine Blaupause der Pläne des Gegners in der Hand hat.