ziehe meinen Raumanzug an und vergrab mich den Rest des Abends in Mass Effect.
Immerhin hab ich hier ja auch noch Teil 2 liegen, da muss ich ja keine Zeit schinden.
Und hier verpasse ich auch grade nichts.
ziehe meinen Raumanzug an und vergrab mich den Rest des Abends in Mass Effect.
Immerhin hab ich hier ja auch noch Teil 2 liegen, da muss ich ja keine Zeit schinden.
Und hier verpasse ich auch grade nichts.
gilt den Vollidioten des Internet, die gestern abend völlig unnötig glaubten, eine Riesenwelle starten zu müssen, weil gestern Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein im ZDF gesagt hat, für Miroslav Klose müsse sein Treffer doch "ein innerer Reichsparteitag" sein.
Ich hab erst noch gegrinst, als die ersten verdutzten Tweets kamen. "Was hat die grade gesagt?", "Hab ich mich verhört?" und so weiter. Aber es blieb nicht dabei. Man begann, sich aufzuschaukeln und in einer seltsam hysterischen Art und Weise zu empören, inklusive schräger Auswüchse wie Klose sei ja polnischer Herkunft, da gehe so ein Spruch ja doppelt nicht, und das ZDF müsse reagieren, warum hat sich der ZDF-Twitterkanal noch nicht zu diesem Skandal geäußert (nach 10 Minuten)... ein Trauerspiel begann, in dem ich und einige andere offenbar zu spät begannen, mal nachzuhaken, wo denn eigentlich das Problem gesehen wird. Man konnte aber auch gar nicht so recht glauben, dass der Ausdruck so derart missverstanden werden kann.
Ich hatte gestern per Twitter einige Diskussionen mit einzelnen Internetcommunitybenutzern, die ich auf ihren Irrtum aufmerksam machen wollte, die sich aber mit Händen und Füßen gegen Aufklärung wehrten. So erklärte man mir auf meinen Hinweis, daß diese vermeintlich böse Redewendung in einer kreuzwissenschaftlichen Quelle als in den 30er Jahren als Widerstandsform und Parodie auf den Nazipomp entstandene Form erklärt wird, man nehme Informationen aus der Wikipedia grundsätzlich nicht Ernst. Dabei verlinkte ich nicht auf einen Wikipedia-Artikel sondern auf das Zitat der Originalquelle und nicht wie derselbe Twitterer zuvor auf eine obskure Webseite ohne Quellenangaben, in deren Beispielen die unterschiedliche Konnotation von "innerem" und "äußerem" Reichsparteitag sogar ebenfalls vorkommt, aber nicht erklärt wird (wahrscheinlich weil dem Autor des Zitats der Unterschied geläufig ist) und an der eine Ergänzung hängt, die schlicht falsch ist. Und völlig unbelegt.
Ich sammel daher hier jetzt mal ein paar Zitate und Aussagen, die erklären, wie dieser "innere Reichsparteitag" tatsächlich gemeint ist. Nur, damit die Besserwisser im Steinigungsblutrausch hinterher nicht sagen können, es hat ihnen keiner gesagt.
Erstmal die hoffentlich auch bei hyperkritischen Geistern anerkannte Quelle, nämlich der Volkskundler Lutz Rörich in seinem Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Bd. 5, S. 1682 (Ausg. 1988):
Volksfest: Es ist mir ein Volksfest, ironische Verstärkung der Wendung 'Es ist mir ein Vergnügen', 'Es ist mir angenehm', 'Es freut mich sehr'; ebenso: 'Es ist mir ein innerer Reichsparteitag' oder 'Es ist mir ein innerer Vorbeimarsch', mit parodistischer Beziehung auf die bombastischen Reichsparteitage der Nationalsozialisten in den dreißiger Jahren aufgekommen. (zit.)
Dann ein paar Zitate von Leuten, die anscheinend noch im richtigen Alter sind, um zu wissen worum es bei dieser Redewendung geht. Gerd Brunzema schreibt z.B. sehr genervt:
(...) Man verspottete damit nämlich den abgrundtief ernst gemeinten Protz, Prunk und Tralala der NS-Parteitage in Nürnberg.
Meine Mama sagt das heute noch. Und die hält sich danach immer den Mund zu. Und zwar nicht, weil sie irgendwas Nazi-verherrlichendes gesagt hätte.
Im Gegenteil.
IM GEGENTEIL, IHR DEPPEN!!!!
Hier ein - aus der Erfahrung des Schicksals dieses schon ignorierten Kommentares wahrscheinlich auch recht fruchtloser - Versuch in Stefan Niggemeiers Artikel Ein innerer Reichsparteitag:
(...) Allein die Kombination "innerer" und "Reichsparteitag" zeigt doch schon, daß es sich um ein ironisches Wort aus dem geistigen Widerstand gegen die Nazis handelt. "Reichsparteitag" war die totale Öffentlichkeit der NSDAP, an der jeder "Volksgenosse" zustimmend teilzunehmen hatte; wer in seinem Innern(!) den RP beging, war eben genau dagegen, hat es aber aus bekannten Gründen 33-45 nicht kundgetan (das konnte die Rübe kosten!). KMH stammt aus Erlangen und hat in Nürnberg gearbeitet – wie die allermeisten heutigen Nürnberger voller Ingrimm auf das historische Nazi-Spektakel (...)
Malte versucht es mit einem passenden Vergleich:
(...) In weiten Teilen meines Bekanntenkreises ist es üblich, jemanden, der mit irrationalem Eifer eine Sache verfolgt, als Lampen-, Hygiene-, Socken- oder Fernseh-Nazi zu bezeichnen. Meine Bekannten verharmlosen damit nicht etwa den Holocaust, ganz im Gegenteil. Genauso ist die Formulierung vom inneren Reichsparteitag eine Form der spöttischen Distanzierung vom Nazi-Jargon, die unter den real existierenden Schweinen einen Besuch der Gestapo nach sich gezogen hätte. (...)
Ja. Es ist wohl offensichtlich, dass der Auslöser hier war, dass Frau Müller-Hohenstein eine Redewendung benutzt hat, die nicht (mehr) jeder kennt (oder vielleicht auch ausserhalb Frankens - wo auch ich herkomme - weniger bekannt ist als auch ich dachte) und dass diejenigen, die sie nicht kennen, ihn falsch verstehen bzw. sogar ins Gegenteil der eigentlichen Bedeutung umkehren.
Allerdings ist das viel größere Problem ein ganz anderes: Daß es so viele Leute gibt, die mit einer sturen Ignoranz, gemischt mit Hysterie und einem ordentlich stinkenden Haufen Selbstgerechtigkeit herumlaufen. Statt mit Hirnen.
Update: Ob der recherchegewohnte Qualitätsjournalismus die Dinge vielleicht richtigstellen ... ach Gott, wie komm ich denn auf diesen abwegigen Gedanken.
Der Spiegel titelt morgen so:
Und ich weiß nicht, was mich daran mehr ärgert: Die unverhohlene Lust an der Destruktivität oder das billige Bespielen des Triggers Häme. "Aufhören!" ist ein Ruf, den frustrierte Zuschauer skandieren, wenn die Vorstellung auf der Bühne saugt. Die Presse ist aber kein Zuschauer. Es nervt schon genug, wenn die Bildzeitung ständig für "uns Deutsche" spricht, da muss der Spiegel nicht auch noch damit anfangen.
Wenn der frustrierte Bürger als Ausdruck seines Ohnmachtsgefühls "Aufhören!" ruft, dann kann man das gerne berichten. So aber ist der Titel eine bille Anwanzerei. Und wie einfach wäre ein besserer Titel gewesen. Einer der zum doch hoffentlich irgendwo noch vorhandenen Selbstverständnis des Journalismus passt. Eine konstruktive Forderung. Zum Beispiel "Anfangen!"
Wie viel lieber hätte ich also eine Presse, die einen Schritt weiter denkt und von der Regierung verlangt, sich endlich wie eine solche zu benehmen und aktiv zu regieren beginnt. Die sie auffordert, die Klientelpolitik sein zu lassen, für das ganze Volk zu arbeiten wie es ihre Aufgabe wäre und endlich die wirklich brennenden Probleme anzugehen: Das Steuersystem zu ändern, das Gesundheitssystem zu reparieren, echte Bildungspolitik zu machen, sich aus der Abhängigkeit von Konzernen und Lobbyisten zu lösen, dumme Symbolpolitik sein zu lassen. Wenn diese Regierung das machen würde, wäre ich viel froher darüber als wenn sie hilflos scheitert.
Der Opposition könnte sie übrigens auch was erklären. Nämlich, dass immer nur einfach dagegen sein keinem einzigen Bürger in diesem Land weiterhilft. Oder dass sie Vertrauen dafür gewinnt, daß sie es auch nur einen Deut besser machen würde.
"Der Wähler" wünscht sich doch eigentlich eine funktionierende, konstruktive und für alle verantwortlich handelnde Regierung, und es ist den meisten Menschen wahrscheinlich eigentlich recht egal, wer nun da vorne herumsteht - Hauptsache er macht seinen Job gut. Ich habe Merkel nicht gewählt, aber ich kann - anscheinend im Gegensatz zum Spiegel und den Oppositionsparteien - durchaus akzeptieren dass sie jetzt erst mal Kanzlerin ist. Sie ist nämlich einigermaßen demokratisch gewählt worden und es bringt absolut nichts, jetzt Jahre lang erbost die Faust zu recken weil man die Wahl nicht gewonnen hat: Wenn man glaubt, man kanns besser sollte man durch gute Vorschläge überzeugen. Und dadurch den Wähler davon, nächstes Mal anders zu wählen.Wenn ich stattdessen als Opposition einfach nur vier Jahre schmollend oder krakeelend in der Ecke stehe überzeuge ich niemanden und wenn ich mich als Presse nur über das Scheitern der Regierung meines Landes freue dann hab ich meine Aufgabe verfehlt, sollte ich mich tatsächlich noch als "vierte Macht" betrachten. Man kann - als Presse oder Opposition - seine Macht nicht nur destruktiv einsetzen. Aber das würde einem ja wahrscheinlich den schnellen, egoistischen Erfolg kosten.
Hm. Ich könnte den ganzen Kommentar eigentlich auch in zwei Sätzen zusammenfassen:
Ich kann Leute nicht ausstehen, die anderen beim Scheitern zusehen und sagen "Hätt ich Dir auch gleich sagen können" - das ist nämlich mal so richtig asozial. Und die Regierung soll nicht aufhören, sondern endlich mal anfangen, ihren Job zu machen.
Update: Ähnliches von Johnny.
Update: Haha! Das Lied zur Geste.
Jetzt blogge ich seit 10 Jahren und hab in dieser ganzen Zeit nie verstanden, wie Trackbacks eigentlich funktionieren. Ich hab sie über blogger.com auch nie zum Laufen bekommen (vielleicht hätte ich sie dazu auch kapieren müssen) und daher auch nie wirklich beachtet. Deswegen kommt mir das jetzt ein wenig wie Technikmagie vor:
Grade hab ich meinen ersten Trackback ever bekommen. Und ich hab immer noch keinen Schimmer, wie das funktioniert sondern nur den Haken "Trackbacks" im b2evo-Backend dringelassen.
Wollt ich nur kurz loswerden. Weitermachen.
In der Vergangenheit waren Thilo Sarrazins Äusserungen mindestens populistisches Stammtischgeschwätz. Ärgerlich, weil er einmal mehr diesen verlogenen "Man muss in Deutschland auch unbequeme Wahrheiten aussprechen dürfen"-Gestus vor sich herträgt, den z.B. auch schon Möllemann oder Westerwelle bemüht haben, um sich zu Helden einer spiessig-feigen, neidzerfressenen Möchtegernmittelklasse machte, die sich in ihrer kleingeistigen Welt voller Vorurteile von Staat, den Klassen unter der ihren und vom Humanismus gegängelt, unterdrückt und ständig benachteiligt fühlen.
Freilich kann das niemand wirklich nachvollziehen, der sich diese dauernöligen und nur in ihren Inzuchtkreisen laut zeternden Menschen anschaut, denn es geht diesen Leuten ja vergleichsweise gut bis sehr gut. Und die Verständnislosigkeit, die wir ihnen entgegenbringen, weil wir einfach nicht einsehen wollen, wie schrecklich schwer es dieser Menschenschlag hat, bestätigt lediglich ihr Selbstbild: Wir sind ja Opfer der Hirnwäsche von Gutmenschen.
Es wurde natürlich bei den vergangenen Brandstiftereien von Sarrazin jedes mal die Frage diskutiert, ob das was er da sagte eigentlich nur xenophob war oder schon ausländerfeindlich oder gar rassistisch. Er verstand es allerdings bisher erstaunlicherweise jedes mal ganz gut, zumindest nicht so eindeutig zu werden, daß er dabei sogar in der SPD bleiben konnte.
Heute nun gibt es (man möchte seufzen "schon wieder") Neues vom Sprücheklopfer, allerdings verschlägt es einem da mal eben den Atem, denn was er in einem Vortrag zum Thema "Bildung, Demografie, gesellschaftliche Trends" sagte, ist Rassismus in Reinstform:
(...) "Wir werden auf natürlichem Wege durchschnittlich dümmer", zitiert die Nachrichtenagentur dpa Sarrazin am Donnerstag. Der 65-Jährige brachte dies dem Bericht zufolge mit Hilfe umfangreicher Zahlen in Zusammenhang mit Zuwanderern "aus der Türkei, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika". Sie wiesen weniger Bildung auf als Einwanderer aus anderen Ländern.
Einwanderer bekämen zudem mehr Kinder als Deutsche, sagte Sarrazin. Es gebe "eine unterschiedliche Vermehrung von Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Intelligenz", sagte der frühere Finanzsenator Berlins. Intelligenz werde von Eltern an Kinder weitergegeben, der Erbanteil liege bei fast 80 Prozent. (...)
Es wundert schon etwas, daß eine Nachrichtenagentur es für eine Nachricht hält, wenn jemand altbackene rassistische Theorien aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts kolportiert - nichts anderes ist die Gruselmär, Zuwanderer seien weniger intelligent als "wir" und "wir" - wer auch immer damit gemeint ist - würden daher immer dümmer, weil sie ihre minderintelligenten Gene hier verbreiteten würden. Fehlt eigentlich nur das Wort "Durchrassung", dann hätte er nicht nur die Ansichten sondern auch das Vokabular ganz anderer Parteien unter die Leute gebracht.
Immer noch als SPD-Mitglied, wohlgemerkt.
Das ist ja so ein Klischee-Standardsatz in eher zweitklassigen Filmen. Meistens angebracht, wenn dem Zuschauer klar gemacht werden muss, daß die Person, die ihn ausspricht eine Amnesie hat oder aus einer Trance oder einem schrägen Traum aufwacht.
Heute morgen ging es mir genau so. Ich wachte auf und musste überlegen, wo ich bin. Welcher Tag heute ist. Mit richtig Mühe die Fakten zusammenklauben, die eigentlich immer klar und deutlich vorliegen, sich aber heute Nacht erfolgreich aus meinem Hirn entfernt haben. Nicht nur ein bisschen, sondern vollständig. Direkt nach dem Aufwachen überlegen zu müssen, in welchem Bett man sich befindet ist vielleicht noch ganz lustig, aber für einige Sekunden überhaupt nichts klares über sich selbst zu wissen - Wo bin ich? Wie sieht mein Leben aus? Lebe ich alleine? Arbeite ich (und wenn ja, was und muss ich heute arbeiten?)? Hab ich Kinder (konnte ich als erstes beantworten, weil zumindest einer von ihnen in einem Traum vorkam)? Was muss ich als nächstes tun?
Das ganze dauert vielleicht gerade mal 10 Sekunden, kommt einem aber sehr viel länger vor. Ich hab das so zwei bis drei mal im Jahr und es passiert entweder nach Nächten wie der vergangenen, die extrem schwül war, in der ich deswegen sehr unruhig geschlafen habe und in der ich immer wieder aus Träumen aufwachte, die ich in normalen Nächten überschlafen und vergessen hätte. Irgendwie sammeln sich dadurch so Haufen von Bildern und Handlungsfetzen, die sich aufstapeln und die Bilder und fakten vom "echten Leben" mehr und mehr überdecken. Oder wenn ich in einem meiner langjährigen Fortsetzungsträume lande, in denen scheinbar parallele Alternativrealitäten neben diesem hier ablaufen in denen ich ein Teil der Besetzung bin. Dadurch, daß sie sich schon fast so echt anfühlen wie die Wirklichkeit hier muss ich mich nach dem Aufwachen auch erstmal wieder in dieser Welt einsortieren. Aber wie gesagt, das wars heute nicht - leider, muss ich sagen, denn diese Variante der Realitätsverschwurbelung ist hinterher wesentlich weniger verwirrend und währenddessen viel angenehmer.
Jetzt aber bin ich post-verwirrt. Ich musste mich heute morgen zwar nur kurz, aber dafür richtig heftig anstrengen, um zu mir zu kommen aber das schwurbelige Gefühl in Kopf und Bauch bleibt irgendwie länger erhalten. Es besteht noch eine gute Weile fort, nachdem ich bewusst eigentlich schon längst wieder im hier und jetzt stehe. Es fühlt sich so an, als ob ich Erinnerungs- und Gefühlsfetzen mit mir herumtrage, die hier gar nicht her gehören und eigentlich in den jeweiligen Träumen hätten zurückbleiben sollen. Sie kleben sich irgendwo an Eindrücke und banale Ereignisse wie einfahrende U-Bahnen, das Öffnen und Schließen von Türen, das Klingeln von Telefonen im Büro und ihr herumwabern sorgt dafür, daß diese Dinge - und dadurch die ganze gewohnte Normalität - sich nur ein klein wenig anders anfühlen.
Ach so: Ich schreibe das jetzt nicht auf, weil mich das irgendwie wundert oder ich mir Sorgen mache. Ich kenne das schon länger und glaube auch, daß das anderen genauso passiert und das gar keine so ungewöhnliche Sache ist. Ich schreibe das nur jetzt auf, damit ichs endlich mal aufgeschrieben habe, bevor es wieder ganz verschwunden ist und die Welt wieder so aussieht und sich anfühl wie immer.
(via weissichleidernichtmehr)
... und weils so übel ist noch ein ernster Link hinterher. BP buys search words to keep people away from real news on Gulf oil spill disaster:
In their most tenacious effort to control the ‘spin’ on the worst oil spill disaster in the history, BP has purchased top internet search engine words so they can re-direct people away from real news on the Deepwater Horizon catastrophe.
Irgendwie scheint man sich allgemein darauf geeinigt zu haben, Joachim Gauck als möglichen Bundespräsident gut zu finden. Nicht nur der Spiegel titelte ja mit ihm sondern sogar die gesamte Springerpresse macht einhellig für ihn mobil - was warscheinlich vor allem daran liegt, daß der erklärte Feind für Bild, Welt und Co die Linke ist und die Gauck nicht so doll mögen.
Seis drum, in diesem Fall ist die Unterstützung ja tatsächlich mal willkommen, denn auch ich halte Gauck zumindest für eine wesentlich interessantere und spannendere Figur als den farblosen und glatten Parteifunktionär Wulff. Allerdings hört das Interesse für den gesamten Vorgang "Wer wird der nächste Bundespräsident?" hier auch schon für mich auf. Mir ist es auch egal, obs am Ende Wulff wird - und nein, sein Faible für eine christliche Missionssekte finde ich auch nicht schlimm. Das ist nämlich ungefähr so gefährlich wie wenns draußen kurz regnet, also gar nicht.
Jedoch, unter den Bloggern ist Gauck ebenfalls beliebt und man macht sich Gedanken, wie man aus der "Internetcommunity" heraus für ihn Druck machen könnte. Jetzt wo man ja momentan seltsamerweise der Rücktritt Köhlers aus mir nicht wirklich einleuchtenden Gründen auch den Bloggern zuschreibt liegt es Nahe, diese Aufmerksamkeit für eine entsprechende Netzkampagne zu nutzen.
Ich bin gespannt, ob da was kommt, um mich zu beteiligen müsste ich allerdings erst noch etwas mehr über Gauck wissen. Ich kenne ihn nur oberflächlich als Chef dieser DDR-Vergangenheits-Aufbereitungsbehörde, wo er vor längerer Zeit wohl recht gute Arbeit geleistet hat. Aber wie er tickt und wo er politisch wirklich steht, was seine Botschaft an die Damen und Herren Politiker ist, und was er uns als Bürger zu sagen hätte, das weiß ich noch überhaupt nicht (zumindest gibt es da ja durchaus einige klare Kritikansätze).
Ein Zitat von ihm allerdings gefällt mir schon sehr gut und wenn er tatsächlich Bundespräsident werden würde, wäre es bei der kommenden Freiheit statt Angst Demo auf jeden Fall gut ganz groß quer über ein Banner geschrieben aufgehoben:
"Angst ist etwas Normales, im privaten wie im öffentlichen Leben - aber es kann nicht der Kompass sein."
Das reicht mir zwar noch nicht zum einfach jemanden uneingeschränkt toll finden, ist aber ja ein guter Anfang.
Ja, ich meine euch, Politiker! Es macht langsam keine Spaß mehr, über euch Witze zu machen, weil die Realität seit Wochen ständig die Satire einholt. Bov wird schon leicht wahnsinnig, wenn man in den letzten drei Tagen seinen Twitterstream liest, auf dem er fast minütlich versucht, dem desolaten Bild, das ihr da abgebt, durch immer noch zotigere Kalauer und Punchlines Herr zu werden.
Aber ach, es mag nicht gelingen, uns bleibt das Lachen langsam im Halse stecken, es sind Verzweiflungstaten, wenn wir lustige Facebookgruppen gründen, weil unser Innenminister keine blasse Ahnung hat, wovon er eigentlich redet. Ich meine, macht euch das eigentlich nichts aus, wenn ihr merkt, daß wir euch alle für doof wie weißes Brot halten?
(Innenminister de Maizière - nicht multitaskingfähig)
Wir wollen eigentlich gar nicht, daß ihr uns bestätigt. deswegen setzten wir ja inzwischen schon ganz weit unten an mit unseren Witzen. Aber die Befürchtung ist langsam, daß wir offenbar immer noch nicht weit genug unten angekommen sind - ihr macht den Eindruck völlig planloser Menschen. Als ob ihr euch auf eure Posten gekämpft habt und euch nun wundert, daß es dort echte Arbeit gibt und nicht nur Pöstchenschach und Pensionsansprüche. Und was noch schlimmer und inzwischen auch überhaupt nicht mehr lustig ist: Ihr vermittelt uns gerade den Eindruck als ob ihr völlig überfordert seid. Nicht nur der ein oder andere, nein, gleich alle auf einmal! Darüber können wir nicht lachen, das ist irrsinnig gefährlich!
Wenn ich Artikel wie diesen lese, in dem Sätze vorkommen wie
Es ist in der Tat ein Coup, der SPD und Grünen mit der Nominierung des ehemaligen Chefs der Stasi-Unterlagen-Behörde gelungen ist (...)
Man möchte sich das Gesicht der Kanzlerin für einen Moment vorstellen, als sie am Mittwoch per SMS von dem Personalvorschlag erfuhr. Dass sie das rot-grüne Angebot für einen gemeinsamen Kandidaten nicht annehmen konnte, dürfte ihr sofort klar gewesen sein. (...)
Selbstzufriedener hat man die Spitzen von SPD und Grünen zuletzt selten gesehen. (...)
Dann lese ich vor allem Parteipolitik heraus. Und zwar genau die Sorte Parteipolitik, die einem inzwischen so unendlich lästig ist, denn es geht doch immer nur darum, dem anderen eins auszuwischen. Gauck wäre eventuell sogar ein prima Kandidat gewesen. Aber SPD und Grüne verheizen ihn ohne jede Not einen Mann, der wirklich was geleistet und erarbeitet hat und daher prädestiniert wäre für eine Rolle, die unserer Politikerkaste erklären soll wie das geht, dieses erarbeiten und leisten. Man könnte ja jetzt nur noch hoffen, daß Merkel nun auch parteitaktisch agiert unnd so schlau ist, den Kandidaten Gauck einfach zu ursupieren und auch gutzuheißen*.
Aber in Wirklichkeit geht es uns auf den Senkel wie nichts anderes! Politiker in Deutschland verfolgen ja momentan nur noch genau drei Ziele:
1. Die eigene Karriere durch Seilschaftspolitik absichern.
2. Die gegnerische Partei schwächen, wo es nur irgend geht.
3. Sich auf gar keinen Fall um echte Probleme kümmern müssen.
Ja, das taten sie früher auch schon. Aber früher haben zumindest einige eben auch noch 4. ihre verdammte Arbeit gemacht, die eigentlich in der Jobbeschreibung steht!
Und da das inzwischen so viele von ihnen sind, die das nicht mehr machen, ist eben kaum mehr einer da, der noch die notwendige Arbeit macht. Das merkt man inzwischen an jeder Stelle: Bildung, Finanzen, Gesundheit, wo man hinschaut sitzt einer oder eine da und tut nichts. Und wenn doch, dann ist es irgendein für uns Steuerzahler teurer Gefallen an irgendeine Lobby, in deren Aufsichtsräten man sich damit für später einen Platz sichert.
Ich kann darüber inzwischen nicht mehr lachen.
* inzwischen bin ich ganz froh, dass aus Gauck nichts wurde, er hat sich mit seinen Äußerungen zum Thema Bürgerbeteiligung und Occupy-Bewegung für mich erledigt.