Demo JETZT in Berlin:
Samstag, 26. Februar 2011, 12:30 Uhr,
Potsdamer Platz, Berlin, an der historischen Ampel
Ende: Bundesverteidigungsministerium, Stauffenbergstraße
Kategorie: ".. politik und so"
Es gibt so viele davon: Leute, die sich ihre Karriere kaufen können, inklusive des "Erwerbs" (oder wer glaubt denn wirklich, so jemand schreibt mehrere 100 Seiten selbst?) eines Doktortitels als notwendiges Statussymbol. Leute, die eloquent Stunden lang komplett inhaltsleere Satzhülsen in Kameras und Mikrophone hineinlächeln können. Leute, denen eine Art Kompetenzdarstellung statt echter Kompetenz völlig genügt. Eine moderne Kaste, eine ganze Schicht ist hier gemeint. Eine Schicht reichen Scheins, die glaubt, zu scheinen reiche.
Dass solche Leute, die einen Doktor in ihrem ansonsten an Praxis auffällig dünnen Lebenslauf unter "Karriere" auflisten von denen auseinandergenommen werden, die ihre Doktorarbeit unter "Bildung" einordnen, finde ich völlig legitim. Ich hoffe nur, dass sie nicht bei der Entlarvung eines Schaumschlägers aufhören. Wir haben sie so satt, diese Kaste von reichen Nichtsnutzen. Es gibt noch so viele mehr von denen und sie haben schon einen großen Teil unseres ehemals auf Wissenschaft ausgerichtetes Bildungssystems in ein gut auf sie zugeschnittenes Karrieresystem umgebaut.
Entlarvt sie alle, vielleicht ist dann endlich wieder mehr Platz für die Kompetenten.

ist ein Begriff, den wir wahrscheinlich in nächster Zeit öfter hören werden. Es ist - selbstverständlich - eine Luftblase. Es entspringt dem wunderlichen Wortschatz der politischen Wunschwelt. Das lustige Paralleluniversum, in dem die Welt flach ist und das Internet somit mit Bleistift auf Papier veröffentlicht wird oder wahlweise auch mal durch eine Ansammlung von Röhren fließt - jedenfalls irgendwie mechanisch funktioniert. Man kennt das von Kindern, die Abstraktes verdinglichen, um sie als etwas anfassbares begreifen zu können (oder auch: Gott ist ein alter Mann mit Bart).
Frau Aigner nun hat diesen "digitalen Radiergummi" heute in einem Interview mit der SZ mal etwas genauer beschrieben:
Deutsche Informatiker haben mittlerweile eine Art digitalen Radiergummi entwickelt: ein System, mit dem jeder seine Dateien und Bilder mit einem Verfallsdatum versehen kann, bevor er sie ins Internet stellt. Nach Ablauf dieser Frist kann die Datei nicht mehr aufgerufen werden. Wenn es funktioniert, käme das einem Radiergummi doch sehr nahe und ließe sich auch weltweit verkaufen. Ich freue mich, dass der Erfinder Michael Backes, Professor für Informationssicherheit und Kryptographie der Universität des Saarlandes, die Technologie bei einer Fachkonferenz meines Ministeriums am 11. Januar in Berlin vorstellen wird. (...)
Und man merkt sofort: Sie spricht anscheinend von DRM bzw. einer sehr naiven Vorstellung davon. Das gibt es natürlich schon sehr lange, funktioniert aber nur in in sich abgeschlossenen, zentralisierten und für den Endnutzer nur als passiver Konsument zugänglichen Systemen (siehe HD+). Im von Frau Aigner beschriebenen Umfeld, also für Dateien und Daten, die von Endnutzern ins Internet gestellt werden, kann und konnte DRM aber nie funktionieren. Die Diskussionen darüber, warum DRM scheitern musste sind allerdings schon vor Jahren zur Genüge geführt worden und gingen an den Politikern offenbar spurlos vorbei.
Immerhin ist Frau Aigner nun aber zumindest schon im richtigen Jahrtausend angekommen.
(Und wer wissen will, worüber sie da im Speziellen redet: Das erklärt Kristian hier mal eben.)
Es wird eine denkwürdige Woche für die Bedeutung, die Netzpolitik in den Parteien hat: Zum ersten Mal wird ein netzpolitisches Gesetz gescheitert sein, bevor es verabschiedet wurde. Das ist kein Zufall, sondern der momentane Stand eines laufenden Prozesses.
Wie ich das meine? Ich liste mal ne Auswahl an Gesetzen, den Grad der wahrnehmbaren Gegenwehr und was damit passiert ist auf (es gibt noch einige Gesetze mehr in den letzten Jahren. Ich denke aber, das Bild wird deutlich):
vor 2006 - Diverse Überwachungsgesetze ("Otto-Katalog", Schäubles Terror-Gesetze, Bankdatenfreigabe an Ämter,...): Werden im Netz kritisiert, aber kein öffentlich sichtbarer Protest - werden sämtlich verabschiedet.
2007 - E-Perso (Speicherung biom. Daten, Funkchip): Netz protestiert - Gesetz wird verabschiedet.
2007 - Vorratsdatenspeicherung: Netz kritisiert - Gesetz wird verabschiedet (ausgesetzt durch BVG-Urteil).
2008 - Online-Überwachung ("Staatstrojaner"): Netz protestiert - Gesetz wird verabschiedet.
2009 - Netzsperren (Zensursula): Netz protestiert, erfolgreiche Petition - Gesetz wird verabschiedet, aber nicht angewendet
2010 - JMStV: Netz protestiert - Gesetz wird in letzter Minute von NRW-Parteien abgelehnt.
2011 - Wird Netzpolitik endlich ein Kompetenzfeld statt Verhandlungsmasse für Parteigeschacher? Die Zeichen stehen doch ganz gut finde ich ...

Eiwei, da geht mal wieder die Welt unter wegen eines Gesetzes bzw. genauer gesagt eines Staatsvertrages, der den Jugendschutz in den Medien regeln soll, stattdessen aber offensichtlich wahnsinnig viel anderes tut. Mir persönlich ist das Werk ziemlich Wumpe. Natürlich wäre es besser (weil wesentlich weniger peinlich für unsere Politikerkaste), würde er nicht in Kraft treten aber da wahrscheinlich ist, dass ers tut - warum sollten unsere Gesetzgeber auch einen jahrelangen Lauf an sinnlosen Gesetzesverabschiedungen unterbrechen - schreib ich hier mal meine (durchaus laienhafte und somit gewährfreien) Ansichten darüber auf, was dieser seltsame Vertrag ist und was nicht:
Er ist
- zuallererst ein mal der Beweis für die seit langem gehegte Vermutung, dass es viel zu viele Politiker und Juristen gibt, die nicht den geringsten Schimmer haben, wie das Internet eigentlich funktioniert.
- daher im Prinzip auf das meiste, was im Internet passiert, wie man dort veröffentlicht und wie man die veröffentlichten Inhalte rezipiert überhaupt nicht anwendbar.
- wenn überhaupt für irgendjemanden umsetzbar, dann für "klassische" Publikationsformen (sprich: Medien aus dem letzten Jahrhundert) und Internet-Publikationen, die wie klassische Publikationen aussehen, nur eben im Internet (TV-Mediatheken, Magazine und all der Schmampf, der seinerseits das, was das Internet ausmacht, nicht wirklich verstanden hat).
- keine neue Gefahr für Communities, Blogger, Twitterer, private Meinungsäußerungen, politische Arbeit und Kommunikation im Netz. Also für Leute, die das Netz so verwenden, wie es nun mal heutzutage funktioniert. Wenn man sich durchliest, wie man sich die praktische Anwendung der neuen Regelungen vorstellt, wird schnell offensichtlich, dass wir Internetbenutzer hier überhaupt nicht gemeint sind (selbst wenn wir gemeint gewesen sein sollten).
- ansonsten ne nette Gelddruckerei für Jugendschutzfilter-Hersteller, die den Leuten, die das Internet auch weiterhin nicht verstehen wollen, ihr Internet zu nem weiteren Fernsehsender machen.
Er ist freilich nicht
- im mindesten dazu geeignet, die Jugend vor irgendwas zu schützen. Die kennt sich im Netz ohnehin viel besser aus, weiß um die tatsächlichen Gefahren dort, die auch ein JMStV nicht verhindert und werden im Zweifelsfall nie irgendetwas von diesen Regelungen mitbekommen, so lange sie nicht Internetseiten ansurfen, die wie klassische Publikationen funktionieren. Allerdings nur deutsche: Wenn bei GameOne der Trailer eines Ballerspiels ab 18 erst nach 23 Uhr zu sehen ist, schaut man ihn sich halt einfach auf irgendeiner internationalen Spieleseite an.
- das Ende der freien Rede oder sowas wie die Einführung von Netzsperren durch die Hintertür. Ja klar, man sollte protestieren, Politiker überzeugen, dem Blödsinn lieber doch nicht zuzustimmen und all das. Aber nicht etwa, weil man sonst aufhören müsste zu bloggen sondern weil wir wirklich nicht noch ein weltfremdes Gesetz mehr brauchen, das jeden verwirrt, niemanden nutzt und letztendlich auch nie wirklich zur Anwendung kommen wird.
- ein Freibrief für neue Abmahnwellen. Die einzigen, die sich nun gegenseitig die Anwälte auf den Hals hetzen werden sind die schon öfter genannten Internet-Inhalteanbieter die wie Medien aus dem letzten Jahrhundert funktionieren. Da sag ich aber: Von mir aus, viel Spaß.
Daher ist es
- natürlich richtig, sich über diesen JMStV aufzuregen und dagegen zu protestieren. Nämlich weil er so strunzdumm ist. Und weil er nicht die Jugend schützt. Und weil er ein Beweis für die Unfähigkeit unserer Politiker ist. Und weil er zeigt, wie wenig man in den Gremien unseres Landes, die eigentlich vorausdenken können müssten, immer noch versteht, was das Internet eigentlich ist und wo man es vor allem als Gefahrenquelle betrachtet anstatt endlich auch mal zu erkennen, welche großartigen Möglichkeiten es uns bietet. Da muss erst ein Heiner Geißler kommen und erklären, warum Proklamationspolitik in Zukunft nicht mehr funktionieren wird und selbst dann kapiert es keiner von denen, nicht mal die Grünen.
- völlig unnötig, jetzt Blogs zu schließen, Kommentare zu sperren, sich zu anonymisieren oder seinen Webserver in ein Land zu verlegen, das bei Regierungsvertretern und Justiz als für Strafverfolgung unerreichbar gilt - Indien zum Beispiel. Ich will die Leute, die das tun oder ankündigen zu tun aber beileibe nicht davon abhalten, im Prinzip ist das ja auch eine Protestform und grade hab ich ja gesagt, es ist richtig, gegen den JMStV zu protestieren. Aber andererseits hat niemand je verlangt, dass Blogs geschlossen werden sollten. Die Gefahr für uns, eine Abmahnung für etwas zu bekommen, was wir ins Internet schreiben ist kein bisschen gestiegen - beleidige nen blöden Promi oder schimpfe über eine Firma oder ein Produkt und die Wahrscheinlichkeit von Anwaltspost steigt realistisch. Die Gefahr, die vom JMStV ausgeht ist dagegen nicht mal hypothetisch höher als der Anteil von medizinischen Wirkstoffen in Globuli. Ein wenig erinnert mich die Hysterie, mit der hier hantiert wird an die unserer Terrorwarnminister der letzten Wochen.
Oder in Twitterkürze: So lange ein 10-jähriges Kind die Bildzeitung mit dem Tittenfoto vornedrauf kaufen kann dürfte der #jmstv 99% der Blogs nicht betreffen.
Update: So wie sich das liest, bestätigt Udo Vetter hier meine Laiensicht vollumfänglich.
Es kann echt nicht so weitergehen mit Dir: Warum musst du bei jeder Terrorwarnung so schrecklich peinlich sein und dir so unsouverän in die Hose machen? Du willst doch eigentlich groß und stark sein, oder? Dann benimm Dich endlich mal nicht mehr wie ein schisseriges Weichei und nimm dir mal ein Beispiel an erwachsenen Menschen: Die müssen zum Beispiel jeden Morgen aufstehen und gehen arbeiten, obwohl sie wissen, dass sie jederzeit von einem Bus überfahren werden könnten.
Verlangen die deswegen, dass Busse abgeschafft werden? Rennen die wie panische Hühner durch die Gegend und schreien lauthals herum "Oh mein Gott! Ein Bus! Da kommt ein Bus! Wir müssen jetzt alle ruhig und besonnen bleiben!" (selbst wenn sie irgendwo wohnen, wo es gar keine Busse gibt) und sind es genau nicht? Also, ruhig und besonnen?

(Das Bild ist Satire, okay? Und ich weiß dass Körting nur Berliner Innensenator ist, aber er schaut so schön verzweifelt...)
Es ist nicht in Ordnung, wenn wir das Gefühl haben müssen, unserem Staat und unseren Politikern erklären zu müssen, dass die Welt nicht immer sicher ist, dass schlimme Dinge passieren können und dass man das aushalten muss. Es ist wirklich beschämend, euch dabei zusehen zu müssen, wie ihr euch mit schwerbewaffneter Polizei in Innenstädten und Forderungen nach noch mehr Überwachung und sogar Denunziation aufplustert: Wisst ihr nicht, dass das Angst- und Trotzreaktionen sind, die euch als ein Haufen hysterische, unsouveräne Maulhelden erscheinen lässt?
Souverän geht anders. Vielleicht schaut ihr euch dazu mal an, wie es "der Souverän", also dein Volk, macht. Die stehen einerseits zu ihrer Angst und andererseits ihren Mann. Bzw. ihre Frau, wie z.B. Ines hier:
... Ich habe Angst, wenn die Menschen, die ich liebe, in den nächsten Tagen Flugzeuge besteigen werden. Ich habe Angst, wenn ich mit der U-Bahn in die Arbeit fahre. Münchner Innenstadt. Rush Hour. Christkindlmarkt. Ich habe plötzlich sogar ein bisschen Angst vor Männern mit Turban. Meine Angst ist völlig irrational. Ich weiß, dass meine Angst die Macht derer schürt, welche sie auslösen. (...)
[Aber] ich bin dagegen, dass man meine Angst vor Terror und Krieg schürt und ausnutzt um meine Grundrechte aus den Angeln zu heben und sie zu verändern, um das Bürgertum besser überwachen zu können. (...) Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem man die Panik schürt, vor der man gerade noch gewarnt hat, nur um die eigenen Interessen durchzubringen. Ich möchte nicht von Menschen regiert werden, die in mir Vorurteile gegen Minderheiten aufflammen lassen. Ich will meiner Regierung ihre nackte Panik nicht an ihren unüberlegten Handlungen ansehen.
So geht souverän und so geht erwachsen sein und mit einem Problem bewusst umzugehen. Nimm dir mal ein Beispiel dran, Staat. Und hör auf zu flennen! Das sieht so Scheiße aus! Oder müssen wir dir erst alle links und rechts eine runterhauen, damit Du wieder zur Besinnung kommst?
Mann, ey. Alle zwei Jahre derselbe Scheiß mit dir!
Update: Wir haben keine Angst.
kommt grade von Malte und ich will ihn am liebsten auswendig lernen denn ich glaube, es wird keinen besseren mehr geben (was nicht heißt dass es grade keine gibt). Es ist so schwer, irgendwas daraus zu zitieren, weil ich gar nicht will, dass ihr euch nur einen kurzen Absatz davon durchlest. Da ist jedes Wort, jede Folgerung, jede Catchline auf dem Punkt. Es geht um das eigene kleine Anders sein, die Scheinargumentationen der Politiker, das Unwohlsein über Gleichmacherei und gesellschaftliche Homogenisierung, dass man genervt von anderen sein will und dürfen muss, weil die Welt nicht nur aus Leuten besteht, die man mag, dass man das aber gleichzeitig aus demselben Grund gefälligst auszuhalten hat.
Ok, doch ein Absatz:
Bin ich gleichgültig? Aber sicher! Die allermeisten Menschen sind nicht ich, was ich für einen Fehler halte, aber für verzeihlich. Wenn Idiot sein ein Aufenthaltshindernis wäre und ich die Kriterien aufstellen dürfte, was einen zum Idioten macht, dann wäre Deutschland entvölkert. Der Rapper form schreibt in seinem Blog über Ausländer: "Sie können genauso auch ihre Frauen schlagen, Schwule hassen, ihre Kinder nicht liebevoll erziehen oder sonst was tun, genau wie das alle anderen machen." Er hat recht. Wer seine Frau schlägt, der ist kein Fall für die Integrationsdebatte, sondern für den Strafrichter. Wir haben Gesetze, die es einzuhalten gilt, ob man Christ ist, Atheist, Pamela Anderson-Verehrer oder Muslim. Man bleibt allerdings Deutscher, auch wenn man gegen sie verstößt. Oder ist Klaus Zumwinkel etwa ein Beispiel für misslungene Integration?
Und jetzt bitte hier lang und den Rest lesen.
Wenn ich heute die Nachrichten sehe erinnere ich mich mich sehr lebhaft an die Zeit, als ich 13 Jahre alt war. Auch da wurde gegen alle Widerstände gebaut und die Zahlen und Fakten klingen doch sehr ähnlich:
Am 14. November 1981 demonstrierten in Wiesbaden mehr als 120.000 Menschen gegen die Startbahn-Pläne. Dem Landeswahlleiter wurden 220.000 Unterschriften für ein Volksbegehren übergeben. Der Frankfurter Magistratsdirektor Alexander Schubart rief auf der Kundgebung zu einer „Besichtigung“ des Flughafens am nächsten Tag auf. Tags darauf blockierten über Stunden Startbahngegner die Eingänge zum Flughafen. Als die Polizei mit Gewalt gegen die Demonstration vorging, flüchteten die Demonstranten auf die benachbarte Autobahn, wo sie Barrikaden errichteten. Zur Räumung der Autobahn setzte die Polizei per Hubschrauber abgesetzte Bundesgrenzschutz-Einheiten ein.
Über eine Woche war die Innenstadt von Frankfurt und anderen Städten des Rhein-Main-Gebietes durch tägliche Protestaktionen faktisch gesperrt. Eine Besetzung des Frankfurter Hauptbahnhofs wurde von Ordnungkräften verhindert. Am späten Abend des 3. November 1981 kam es in der Rohrbachstraße im Frankfurter Stadtteil Nordend zu einem schwer umstrittenen Polizeieinsatz gegen eine Startbahndemonstration, bei dem mehrere Demonstranten schwer verletzt wurden. (...)
Die Bilder in den Nachrichten waren ebenfalls ähnlich und auch die zunächst scheinbar großen Mobilisierungserfolge: Auch die Gegner der Startbahn West setzten sich aus allen gesellschaftlichen Schichten zusammen, auch hier wurde der Druck aus der Bevölkerung immer größer und erschien fast übermächtig. Und auch hier ist man dann irgendwann auf die Hardliner-Schiene gewechselt, wodurch zwar zunächst alles noch ein mal eskalierte, aber wodurch man eben auch erreichte, dass die bürgerlichen Lager zu Hause blieben und nur noch die bildwirksamen "Chaoten" zu den Demos kamen.
Denn darum geht es bei dieser Strategie ja: Die Bilder im Fernsehen sind zwar schlimm, die Wut auf selbstherrlich daherfaselnde Innenminister groß, aber der gewünschte Effekt wird sich einstellen und die netten alten Damen und Herren werden nicht mehr zu den Demos kommen, weil sie Angst davor haben müssen, dort von Polizisten verprügelt zu werden. Das ganze ist dabei aber wahrscheinlich gar nicht mal eine 100% bewusste Entscheidung sondern eher ein technokratischer Prozess.
Und dann wird - wie die Startbahn West - auch diese Baustelle errichtet. Ich erinnere mich auch noch an die Betonwand, die man damals aufgebaut hat - ich bin gespannt, ob es so eine auch mitten in Stuttgart geben wird ...
Update: Tilman Aretz vermutet in seinem Kommentar bei n-tv ähnlich.
Eine Anwältin aus Lörrach lief in einem Krankenhaus Amok und erschoss dort einen Pfleger nachdem Sie zuvor ihren Mann und ihren Sohn tötete und ihre Kanzlei ansteckte.
Ein Amoklauf bei dem alle bisherigen Erklärungen der letzten Jahre einfach nicht passen: Eine Frau und kein vernachlässigter Jugendlicher, keine Killerspiele auf dem Rechner, keine böse Musik im CD-Player, keine Gewaltvideos im Schrank ... man steht offenbar vor einem völligen Rätsel.
(...) Bei ihrem Amoklauf war die Sportschützin nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft mit einer kleinkalibrigen Pistole und rund 300 Schuss Munition bewaffnet. (...)
Wenn man doch nur irgendeine Gemeinsamkeit fände, man könnte eventuell so viele Amokläufe in Zukunft verhindern. Aber ach, das wird wohl noch für lange Zeit weiterhin ein Wunschtraum bleiben.
Das dürfte von mir so ziemlich jeder schon mal gehört haben, weil das wahrscheinlich der Satz ist, den ich in den letzten zehn fünfzehn Jahren sicherlich am häufigsten ausgesprochen habe. Vor allem dann wenn es um Politikverdrossenheit geht und die Angewohnheit von Medien, Menschen nicht zu zeigen wie sie sind sondern wie man sie haben will.
Zwei Beispiele gehen momentan rum, die das, was ich damit sagen will, ganz gut verdeutlichen. Erstens: das Video hier, in dem zwei Mädels einen rechten Möchtegernreporter ziemlich gut Contra geben. Das sind beileibe keine PR-Profis, sie sind aufgebracht wegen der schmierigen Arroganz des Fragestellers und die Situation ist offensichtlich völlig spontan und überraschend für sie. Und dann bekommen sie es dennoch hin, ihn derart sauber seine Tricks zu entlarven und ihm die Meinung zu geigen dass es sich gewaschen hat. Von wegen uninteressierte Jugend bzw. dumme Ausländerkinder.
Zweitens und noch krasser, weil man besser im Moment gar nicht zeigen kann, wie wenig das, was wir im Fernsehen vorgesetzt bekommen, mit der Realität zu tun hat sondern reine Manipulation mit suggestiven Fragen und der richtigen Schnitttechnik ist: Schaut euch mal hier den Spiegel-TV Bericht an und spult vor bis 7:24. Nachdem offenbar jemand gefunden wurde, der Steinigungen befürwortet sieht man nach einer Weile einen recht aufgeregten jungen Mann, der offensichtlich dem Reporter vorwirft, seine Bibel nicht gelesen zu haben. Warum er das tut und warum er aufgebracht ist, sieht man nicht. Zumindest nicht hier.
Aber dafür hier, wo man auch die Fragen des Reporters zu hören sind und klar wird, warum der aufgeregte Junge Mann überhaupt die Bibel ins Feld führt. Das dürfte die momentan sauberste Demonstration dessen sein, was der junge Mann auch zwischendurch auch sinngemäß sagt "Sie wollen mit ihren komischen Fragen doch nur so lange provozieren, bis jemand endlich das gesagt hat, was Sie senden wollen."
(alle Links via Twitter)

