Es gab einige Dinge, von denen ich - und eigentlich alle Welt - zwischen den Siebzigern bis fast in die Neunziger hinein überzeugt waren, dass es sie bis zu Jahr 2000 geben wird. Fast nichts davon ist eingetroffen. Es gibt keine fliegenden Autos, kein Holodeck und keine Städte unter Wasser. Das meiste hat sich tatsächlich überlebt: Es braucht viele dieser Dinge nicht geben. BEi einigen aber tut es mir sehr Leid, dass es sie wohl sie geben wird.
Hier daher eine Liste solcher Dinge, die ich gerne gesehen hätte, die aber nicht mehr nur als etwas verspätet angesehen werden müssen sondern von denen ich annehme, dass ich sie nicht mehr erleben werde:
1. Kolonien auf dem Mars
Oder wenigstens auf dem Mond. Wobei der Mars tatsächlich wahrscheinlicher war - was will man denn auf dem Mond? Außer vielleicht Atomabfälle endlagern? Das war in den Siebzigern keine Frage ob, sondern nur die Frage, wann. Irgendwann hat sich die Idee, Menschen in den Weltrauf und auf andere Planeten zu schaffen, aber wieder völlig verflüchtigt. Man hörte fast vollständig auf, hier Engagement zu zeigen und nur das Space Shuttle Programm war was Neues. Allerdings ist auch das schon Anfang der Achtziger mehr oder weniger stillgestanden, die Dinger haben einfach nur zwanzig Jahre lang Satelliten in die Umlaufbahn geschubst weil man sie halt noch hatte und wurden dann schließlich eingemottet als die Technik am Ende völlig veraltet war. Zumindest ist das mein Eindruck.
Mir ist allerdings auch klar, warum man da den Fokus änderte. Instrumente und Roboter sind nicht so leicht kaputtzubekommen wie Menschen. Außerdem muss man denen keine Häuser bauen, Nahrung mitgeben und sie überhaupt aufwändig am Leben halten.
Aber ich finde es schade, dass man von der Vision so sang und klanglos zurückgetreten ist. Es geht ja auch ein wenig um das Prinzip. Hätte man sowas gemeinsam geschafft, wäre das nicht nur ein technisches Kunststück gewesen sondern es hätte die Erde kleiner gemacht. Was uns allen gut getan hätte.
2. Saubere Energie
Das Thema, bei dem ich seit den Siebzigern immer wieder dachte "Ach, jetzt dann aber!". Die Ölkrisen 1973 und 1979, von denen mir vor allem zweitere sehr gut in Erinnerung ist, führten damals zu allen möglichen Diskussionen, wie man Energie erzeugt, ohne ständig Dinge zu verbrennen. Der saure Regen in den Achtzigern bestätigte die Dringlichkeit, von Kohle wegzukommen. Three Miles Island und später vor allem Chernobyl bestätigte, dass der Mensch die Atomkraft nicht kontrollieren kann.
Dann kamen sechzehn Jahre Helmut Kohl. Sechzehn Jahre kompletter Stillstand unter Regierungen, deren Wirtschaftsfreundlichkeit dazu führte, dass Deutschland in fast allen Zukunftstechnologien den Anschluss verpasste. Und in denen das Thema nachhaltige Energie komplett und mit voller Absicht stillgelegt wurde. Die Achziger und Neunziger unter Kohl waren ein deutscher Dämmerzustand. Dass Kohl Probleme durch "Aussitzen" löste war überall spürbar. Es erzeugte ein eigentlich völlig falsches Gefühl von Stabilität, auf das Wahl für Wahl zu viele Deutsche hereinfielen, als dass man irgendwas hätte ändern können.
Und wenn ich mir anschaue, wie momentan die "Energiewende" von politischer Seite aus möglichst unmöglich gemacht wird nur um irgendwann sagen zu können "Seht ihr, es geht nun mal nicht anders... ", sag ich "Dejá vu" und hake das Thema ab.
3. Keine unheilbaren Krankheiten
Ok, natürlich war allen auch schon in den Siebzigern klar, dass es das so nicht geben wird. Gemeint war, dass man medizinische Durchbrüche machen wird, die es der Menschheit erlauben wird, vormals tödliche Krankheiten wie Krebs zu heilen oder den Verfall im Alter zu verhindern. Das ist durchaus eine klare, rationale Erwartung gewesen. Das Vertrauen in die technische und medizinische Entwicklung war so groß. Allerdings kam dann AIDS und das war schon mal ein riesiger Dämpfer. Und es hörte nicht auf. Jede Menge Autoimmunkrankheiten, resistente Viren, mutierte Bakterien, Alzheimer... Anstatt das Leben immer beschwerdefreier wurde gab es plötzlich immer gefährlichere Krankheiten.
Wahrscheinlich stimmt das Bild so nicht. Wahrscheinlich können wir heute wesentlich mehr heilen als noch vor dreißig Jahren. Was man sich aber damals wünschte war das Gefühl, dass die Medizin das Leben spürbar ungefährlicher machen würde. Das ist nicht eingetroffen. Die Erwartung, den Körper einfach mal reparieren zu können wenn es ihn richtig übel erwischt hat - Krebs, Zuckerkrankheit, Gicht, Multiple Sklerose, Parkinson, Nierenversagen... - hat sich nicht erfüllt und inzwischen denke ich, das wird es auch nicht mehr tun.
4. Ganztagesschulen
Mal ab von den "ganz großen" Dingen, bei denen man sich zumindest noch einigermaßen erklären kann, warum es nicht hinhaute damit: Was mich wirklich völlig verblüfft ist, dass sich das Ganztagesschulsystem nicht durchgesetzt hat. Ich war von der neuten Klasse bis zum Abi auf einer Schule, in der grundsätzlich von halb neun morgens bis vier Uhr nachmittags reguläre Schulzeit war. Wer mitrechnen kann stellt fest: Das ist genau die Zeit, die man braucht, um schlicht die doppelte Menge an Zeit für dieselbe Menge Stoff zu vermitteln. Und so funktionierte das auch: Es gab einfach 90 statt 45 Minuten Unterricht für eine Fachstunde. Die Vorteile lagen auf der Hand. Weniger Stress, viel mehr Zeit, um in Ruhe alles erklärt zu bekommen und zu verstehen, viel mehr Zeit um Aufgaben und Methoden durchzuführen, die auch mal längere Zeit benötigten (Yay, Chemie-Experimente!) und vor allem: Sehr wenige Hausaufgaben.
Ich war mir damals 100% sicher, dass meine Kinder genau so eine Schule besuchen werden. Jetzt ist Sohn 1 schon längst aus der Schule und Sohn 2 braucht auch nicht mehr lang und beide haben genau dasselbe schrecklich ineffektive, die Lust auf Lernen und Wissen vernichtende, Eltern überfordernde Schulsystem durchlebt wie wir selbst vor über 20 Jahren. Und wenn ich sage, es hat sich nicht das Geringste getan dann übertreibe ich kein Bisschen, denn Sohn 2 hat letztes Jahr was als Schullektüre lesen müssen? Die Vorstadtkrokodile! Ein Buch, das die Realität von Jugendlichen im Jahr 1977 abbildet! Das war nicht nur noch vor der Atarikonsole geschweige denn dem C64, da gabs noch nicht mal Videorecorder!
Grundschüler lernen übrigens auch heute noch schreiben mit "Vater und Sohn" (1934-37) Bildergeschichten. Die Chance, dass sich bei so einem Schulsystem also irgendwann noch was zu meinen Lebzeiten tun wird hab ich daher abgeschrieben.
Das Einzige, das sich übrigens über jede Erwartung hinaus wie irre weiterentwickelt hat ist Unterhaltungstechnik.
Vielleicht sollte ich ein Stöckchen draus machen, mich interessiert brennend, ob ihr auch solche Dinge habt. Falls ihr also nen Blogartikel schreibt, schreibt mir das doch bitte in die Kommentare.
Henk schreibt über Erinnerungen an die Zukunft: Das Jahr 2000