Wenn Politiker mit ihren Aufgaben überfordert sind dreschen sie regelmäßig lauthals auf irgendeine Randgruppe ein, die sich nicht wehren kann. Also diejenigen, die keine Lobby haben und leicht als Sündenbock zu missbrauchen sind. Sie glauben wahrscheinlich sogar, damit besondere Volksnähe zu zeigen und im ersten Moment bekommen sie ja sogar eine entsprechende Rückmeldung - allerdings halt von den besonders ekligen Teilen der Gesellschaft wie die muffigen rechtsradikalen Stammtische und den Haushalten der bürgerlichen Dauerunzufriedenen, denen es bei bestem Einkommen nicht beizubringen ist, dass es kein Faulenzertum ist, wenn man mit höchstens 600 Euro im Monat und dafür von Arge und Sozialämtern komplett dauerüberwacht über die Runden kommen muss.
Das ist kein besonders deutsches Problem sondern ein ganz allgemeines - man sehe rüber nach Frankreich - und es ist natürlich auch überhaupt kein neues. Nun sind's seit Monaten die Ausländer und speziell Muslime, die im Sperrfeuer der Bildzeitung, den Sarrazins und Seehofers dieses Landes zur aktuellen Wurzel allen Übels erklärt werden, weil ihre schiere Übermacht die deutsche Kultur nicht weniger als komplett zu vernichten drohe. Das Boot sei also mal wieder voll und die Gefahr, dass Deutschland in 20 Jahren ein muslimischer Gottesstaat sein wird groß. Eine Hysterie, die bei maximal 8% Ausländeranteil in Deutschland und maximal 2% Muslimen freilich komplett abwegig ist. Dennoch, um einfach mal ein paar Zahlen parat zu haben, wenn man mal wieder in eine solche Diskussion gerät, ist es vielleicht ganz gut, das hier zu wissen:
2009 sind mehr Menschen aus Deutschland weggezogen als eingewandert. Und schaut man sich speziell die Türkei an, sind 10.000 Menschen mehr aus Deutschland dorthin weg- als von dort nach Deutschland zugezogen.
Etwas genauer schlüsselt das die FR auf:
2009 verließen 734.000 Personen Deutschland. Die Hauptzielländer der Auswanderer waren Polen (123.000), Rumänien (44.000), die Türkei (40.000), die USA (36.000) und die Schweiz (30.000)
2009 zogen nach Angaben des Statistischen Bundesamts vom Mittwoch 721.000 Menschen nach Deutschland. (...) Hauptherkunftsländer der Zuwanderer waren im Jahr 2009 Polen (123.000), Rumänien (56.000), die USA (30.000), die Türkei (30.000) und Bulgarien (29.000).
Womit sich das ganze Thema für mich komplett erledigt hätte, denn es existiert hier kein Problem, das man irgendwie dringend lösen müsste. Die Probleme, die es dagegen sehr wohl gibt und die dringend angegangen gehören sind diejenigen, von denen die Politiker mit Ausländer- und Muslimbashing ablenken wollen: die völlig vermasselte Bildungspolitik, der härteste Sozialabbau in der Geschichte des Landes zur Bezahlung von Rettungsfonds für Banken, eine schier unverschämte Umverteilung von Gewinnen in die Privatwirtschaft und Risiken und Verluste in die Gesellschaft, der Abbau von Demokratie mit Hilfe von möglichst undurchsichtigen technokratischen Prozessen, die völlige Überforderung vor den Anforderungen der Zukunftstechnologien (die ja schon längst nicht mehr zukünftig sind) und die generelle Spaltung und Entsolidarisierung der Gesellschaft.
Weshalb ich gar nicht einsehe, mit ihnen auch nur noch eine Minute länger über Scheinprobleme wie Ausländer und Muslime zu diskutieren.
