Seit dem letztem Wochenende bin ich alt. Oder sagen wir's anders: Seit dem letzten Wochenende ist mir bewusst geworden, dass ich älter bin als ich mich bisher fühlte. Keine Sorge, das wird kein Gejammer darüber, dass man weiß, man ist über Vierzig, wenn der Arzt schmerzende Schultern nicht mehr behandelt sondern nur sagt "Das ist halt so in Ihrem Alter, da lohnt ja auch keine Reparatur mehr.". Es geht vielmehr darum, dass mir vor Augen geführt wurde, dass hinter mir eine wesentlich längere Strecke liegt als sie mir bisher vorkam.

Der Anlass: Ich war am Wochende auf zwei Partys, die mich beide ziemlich ins Grübeln brachten.
Auf der einen feierte ein Paar 15 Jahre verheiratet sein (ach, das geht nicht in kryptisch, Isa und Axel halt). Wir kennen uns schon lange vor dem Internet - also seit nicht ganz 20 Jahren, weil wir in Heidelberg zusammen in einer WG gelebt haben und die Hochzeit vor 15 Jahren war dann auch so ungefähr der Moment, an dem wirklich alle in alle Himmelsrichtungen verschwanden, um mit diesem 'Leben nach dem Studium' zu beginnen.
Viele gerieten mir in den Jahren aus den Augen, Isas und meine liebste WG-Genossin und so viele dieser Menschen, mit denen ich in einer Zeit zu tun hatte, in der ich noch keine echte Vorstellung davon hatte, wie echtes Leben funktioniert (und ich nehme an, den anderen gings damals nicht so viel anders) - alles lag ja noch vor uns. Und jetzt traf man sich wieder und stellte fest: Da ist viel passiert. Jeder von uns hat eine immense Strecke zurückgelegt, die schwer bis gar nicht in fünfzehn bis zwanzig Minuten erzählt werden kann. Sohn Nummer zwei, den wir dabei hatten, kannte keiner, weil er ja 'erst' 13 ist. Sohn Nummer eins, den sie als WG-Baby kannten, war nicht dabei, weil er die Leute nicht kennt und als 18-jähriger das jetzt auch nicht dringend nachholen muss.
Der Unterschied 'mitte Zwanzig' - 'um die Vierzig' wurde mir so offensichtlich wie nie zuvor. Und auch sehr unvorbereitet, was mich im Nachhinein zusätzlich wundert. Der Abstand im Blick zurück, den man sonst gerne mal mit "das war ja so gesehen alles erst gestern", ist außer jeder Reichweite. So wie ich vor einigen Jahren den Kontakt zu der Person verlor, die ich in der Schule war, so wenig greifbar ist mir nun auch meine Studienzeit geworden. Mein Leben ist inzwischen ein komplett anderes in wirklich jedem Detail. So wie es das offensichtlich auch für die anderen so ist, mit denen ich gesprochen habe.

Das ist alles gar nicht tragisch - ich hab es inzwischen einigermaßen geschafft, herauszufinden wie ich leben möchte und wie nicht -, aber es macht wehmütig, weil ich mich offenbar von so einigem, das sich schleichend aus meinem Leben entfernt hat nicht wirklich verabschieden konnte.
Das zweite Fest war gleich am nächsten Tag. Ein Familienfest, auf dem ich ein sehr privates Gespräch geführt habe, das mich sehr berührte. Es ist nicht wichtig, über den Inhalt zu schreiben, was bemerkenswert war, war der Umstand, dass ich die Person an diesem Fest erst kennen gelernt habe und er mir dennoch sehr persönliche Dinge anvertraute. Auch darüber warum das so ist grüble ich inzwischen schon eine ganze Woche.
Und wie es so ist: Dieser Eintrag hat kein fertiges Fazit. Ich habe keine Krise und keine Zukunftsangst, habe nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben und finde es höchstens ein wenig erschreckend, nicht bemerkt zu haben, über wie vieles ich inzwischen ganz gut Bescheid weiß, wovon ich vor zwanzig Jahren noch keinen Schimmer hatte. Ich konnte recht schnell für mich klären, dass ich mir inzwischen ganz gut zurechtgeschnitzt habe, wie ich leben möchte und dass es auch leidlich gut funktioniert. Ich bin aber noch nicht durch mit allem Ich denke immer noch nach und merke, dass sich da noch etwas wichtiges ereignet hat, was sicher zu ein paar Veränderung führen wird. Ich weiß aber absolut noch nicht, was.
