Es gibt bei uns Menschen diesen Wunsch nach der Person, die sich hinstellt und alles in Ordnung bringt. Je schlechter die Zeiten, desto lauter wird er auch formuliert, der "Ruf nach dem starken Mann". Der Fachbegriff dafür ist der "Benevolent Dictator".
Zum Glück hat eine gewisse Masse der Menschheit inzwischen begriffen: Es gibt ihn nicht, den Führer, der alles Heile macht und dann brav abdankt. Kein Diktator, der diesen Namen verdient, dankt ab. Wird er abgesetzt, wird er wiederkommen. Man wird ihn nur los, indem man ihn tötet oder er zufällig stirbt.
Aber der Traum vom "Benevolent Dictator" ist ein wichtiger Impulsgeber. Es ist aber in Wirklichkeit der Traum, dass wir es schaffen, nicht ein anderer. Der andere ist nur eine Projektion. Die Literatur ist voller Beispiele dafür, Hollywood bespielt diesen Traum seit jeher, PC-Spiele lassen einen genau diese Protagonisten lenken und die erfolgreichsten Erzeugnisse aller dieser kreativen Bereiche sind eben die, die diesen "Heldenepos" erzählen: Die drei Musketiere, Star Wars, Mass Effect.
Wenn wir uns also einig sind, dass der Wunsch nach dem guten Diktator, dem Helden, der ist, ihn in uns selbst zu erwecken und unser eigenes Leben so gut auf die Reihe zu bekommen, dass es einen Wert und eine Bedeutung hat, dann können wir vielleicht auch zugeben, dass wir diejenigen bewundern, die anscheinend genau das geschafft haben.
Aber: Wir sollen diese Bewunderung nicht verwechseln mit Anbetung. Wenn ich jemanden anbete werde ein mal ich es selbst nie schaffen und der Angebetete wird genau das beginnen zu tun, was ein echter Diktator tun wird: Er wird die Macht nicht mehr hergeben und wahrscheinlich nicht einmal bemerken, dass er beginnt, zu einem echten Diktator zu werden. Er wird beginnen, alles und - schlimmer noch - alle zu kontrollieren. Er wird Dogmen aufstellen, selbst wenn er selbst noch vor ein paar Jahren davor gewarnt hat, ihnen zu folgen. Er wird geschlossene Systeme und Plattformen entwickeln, selbst wenn er zuvor die offenen erschaffen hat. Er wird sein Geld und seinen Einfluss ausnutzen, um die Konkurrenz zu bekämpfen an statt mit seinen guten Ideen und Visionen vorneweg zu gehen, was ihn ursprünglich zum Helden gemacht hatte. Er wird selbstverliebt werden. Am Ende vielleicht größenwahnsinnig. Er wird nicht das Geringste seines Reichtums zurückgeben, weil er glaubt, ihn allein verdient zu haben. Seine Ausrichtung auf das einst gute Ziel, die Welt zu verbessern, wird zum Marketinginstrument, um das neue Ziel zu verschleiern (vielleicht sogar vor sich selbst), das das Ziel eines jeden Antagonisten des Filmhelden darstellt: die Weltherrschaft.
Wir können alle Helden sein, denn das bedeutet nichts anderes als unsere Persönlichkeit zu finden und danach zu leben. Wir können uns Helden zum Vorbild nehmen, ihren Mut und ihr Charisma feiern. Wir sollten uns davor hüten, sie anzubeten. Und - sollten wir es schaffen, uns zu verwirklichen - davor, darüber zu Diktatoren zu werden, denn der gute Diktator ist nur dann gut, wenn er früh genug stirbt. Und wir wollen doch lieber alt und weise werden.
(ja, das ist ein Nachruf)
