Irre, ich bekomme echt mal wieder ein Spiel bis zum Schluss durch ...
Irre, ich bekomme echt mal wieder ein Spiel bis zum Schluss durch ...
Ich habe 1989 die Abirede für unseren Abiturjahrgang gehalten. Wie das kam war einigermaßen lustig, denn ich hatte mit 12 Punkten nicht die beste Abiklausur des Deutsch-LKs, es gab noch jemanden mit 13. Traditionellerweise - und wir befanden uns in Baden-Württemberg, wo alles traditionellerweise ja sogar immer ein wenig traditioneller ist - gibt es für die beste Deutsch-LK Note einen Buchpreis und die unausgesprochene Verpflichtung, die Abirede zu schreiben und zu halten.
Allerdings behalf die Schulkollegin mit den 13 Punkten sich eines netten Kniffes, um um diese Aufgabe herumzukommen: Sie fragte mich am Tag der Abschlussfeier, etwa 4 Stunden vor Beginn, um genauer zu sein, ob ich denn die Rede geschrieben habe. Ich sagte ihr, nein, hab ich nicht, weil sie doch diejenige mit der besten Klausur gewesen ist. Oje, meinte sie, das wäre ja blöd, denn sie dachte, die Abirede schreibt der mit der besten Gesamtnote in Deutsch und das wäre ja ich. Sie könne aber jetzt nicht schnell irgendwoher eine Rede zaubern und das hieße dann ja wohl, dass es keine geben wird...
Also hab ich mir ein paar Blätter Papier und nen Kugelschreiber besorgt, mich in die Ecke der Aula gesetzt und zunächst den Anfang und das Ende der Rede geschrieben. Danach hab ich mit dem Mittelteil begonnen und einfach so lange daran weitergeschrieben, bis wir uns für die Veranstaltung sammelten. Auf diese Weise ist eine Rede mit etwa vier Seiten Text entstanden und als das Programm an der Stelle war, als sich jeder fragte "gibts jetzt eigentlich eine Abirede?" stand ich auf, las das etwas unzusammenhängende Zeug vor, das ich bis kurz vorher zusammengeschrieben habe und hoffte, dass es nicht allzu doof wird, da ich noch nicht mal die Gelegenheit hatte, mir den gesamten Text nochmal durchzulesen, geschweige denn zu korrigieren und glatt zu machen. Letztens hab ich diese vier Blätter Papier tatsächlich wiedergefunden. Daher kommt nun hier - nach 21 Jahren - die Abirede des Jahrgangs 1989 des Schillergymnasiums in Pforzheim:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Eltern und Lehrer. Knapp 75% des Abiturjahrganges 1989 des Schiller-Gymnasiums Pforzheim begrüßen Sie sehr herzlich zur offiziellen Abschlussfeier. 15% begrüßen Sie immerhin recht herzlich, 5% zumindest herzlich und die restlichen 5% begrüßen Sie ohne besonders ausgesuchte Höflichkeit, sondern einfach nur so.
Diese Rede wird sehr kurz und vielleicht ein wenig konfus ausfallen, etwa so wie diese seltsame Begrüßung gerade eben. Der Grund dafür ist etwas, was sich nur auf den ersten Blick betrachtet als ein Problem darstellt. Man könnte sogar sagen, dass dies die angenehmste Eigenschaft unseres Jahrgangs darstellt: Positiv ausgedrückt nennt man das eine breite Meinungsvielfalt. Die negative Auswirkung dieser Meinungsvielfalt ist, dass es dieser Klasse unmöglich ist, für sich als Einheit sprechen zu können. In absolut nichts, was wir in den letzten Jahren unternommen haben oder auch nur zu unternehmen versuchten gelang es uns, einen Konsens zu erreichen, oder wenigstens einen Kompromiss zu finden mit dem wirklich jeder von uns einverstanden gewesen ist. Noch nicht ein mal diese Rede ist einer, leben Sie daher im Folgenden mit dem ein oder anderen Widerspruch.
Die ersten, die nun von diesem Problem betroffen sind, sind diejenigen, die unsere Pluralität sowieso schon einige Jahre zu spüren hatten, nämlich die Schulleitung und unsere Lehrer. Bei denen bedanken wir uns für das große Engagement, mit dem sie uns, oder zumindest vielen von uns, über einige schwere Hürden geholfen haben. Das Verhältnis zu unseren Lehrern war um einiges persönlicher, als es auf einer staatlichen Schule möglich gewesen wäre. Die Besonderheit dieser Schule, der Ganztagesunterricht, spielte dafür natürlich eine erhebliche Rolle. Jedoch hat die Tatsache, dass wir unsere Lehrer als Menschen kennen lernten und nicht als abstrakte Autoritäten, auch Schattenseiten: Es gab immer mal wieder Noten, die nach Sympathie zustande zu kommen schienen. Bzw. nach Antipathie. Die überwiegenden Vorteile aus dieser speziellen Lehrer-Schüler-Beziehung, das große persönliche Engagement für den Einzelnen, die sofortige Bereitschaft vieler unserer Lehrer, für die Abivorbereitungen einen erheblichen Teil ihrer Freizeit zu opfern, der generelle Ehrgeiz, keinen von uns wirklich fallen zu lassen hat aber prinzipiell das Konzept der Schule bestätigt. Und wir geben hier auch gerne zu, dass es uns auf dieser Schule möglich war, ein besseres Abi zu machen, als wir es in jeder staatlichen Schule erreicht hätten - wobei das zugegebenermaßen nicht von bei der Gesamtheit der Klasse als erwiesen betrachtet wird.
Sei's drum, jedenfalls haben wir jetzt das Abitur: Die Welt steht uns offen. Oder - wie das der Prüfungsleiter nach dem Mündlichen auszudrücken beliebte "Wir haben ein Tor durchschritten"... er wurde dann noch etwas pathetischer... naja, zusammengefasst sagte er, jetzt ist die Schulzeit vorbei und wir müssen halt selber schauen, was wir jetzt so machen wollten. Und da ist die nächste Schwierigkeit: Einigen von uns macht das gar nichts aus, da Studium oder Lehre schon geplant sind und auf sie warten. Andere befürchten hinter jenem "Tor" dann doch erst ein mal ein riesengroßes Loch. Wieder andere fühlen sich nun etwas plötzlich allein gelassen in der großen weiten Welt und meinen, dass wir vielleicht ein bisschen zu sehr an der Hand genommen wurden und uns zu wenig Mut zur Selbständigkeit vermittelt wurde. Auf jeden Fall trüben hier Skepsis, Unsicherheit und Zukunftsangst ein wenig die Freude.
Dabei sind wir doch so gut aufs leben vorbereitet. Wir haben echt viele total wichtige Dinge gelernt. Wie zum Beispiel die Berechnung einer Normalebene aus Stütz- und Richtungsvektoren. Das Nahrungsaufnahmeverfahren eines Spulwurms. Wie man in Angola Tiefbrunnen baut. Dass die Römer nach der Benutzung des WCs Wasserschwämme an Holzstielen benutzten, um sich den Hintern abzuwischen. Und viele ähnliche Dinge, die man offenbar zum Leben einfach können und wissen muss... andererseits werden sich einige von uns wohl doch erstmal ein paar Bücher kaufen, um sich über ein paar - vielleicht zu unwichtige - Themen zu informieren, die in der Schule nicht wirklich vermittelt wurden: Wie man eine Bewerbung schreibt zum Beispiel oder wie man einen Lebenslauf verfasst. Warum fehlt das und warum wissen wir stattdessen auswendig, dass der Pilz ein Saprophyt und Destruent ist? Vielen von uns kamen praxisbezogene Themen zu kurz. Und nicht nur uns, denn auch mancher Lehrer vermochte auf die Frage, wozu wir manche Dinge eigentlich lernen müssen nur zu antworten "Weil's im Lehrplan steht!"
Das Problem ist aber ja nicht neu und es wird vermutlich auch nicht so schnell anders werden. Und wenn, dann wären wir davon sowieso nicht mehr betroffen. Wir müssen uns jetzt irgendwas ausdenken und werden sehen, was wir aus uns machen werden und wie wirs angehen. Meinungen dazu haben wir ja genug - von einem leistungsgläubigen "Jeder bekommt, was er verdient" bis zum "Du hast keine Chance, also nutze sie." - Letztendlich wird jede und jeder von uns irgendwie weiterkommen, egal wohin: Die Optimisten unter uns, auf die die Welt gerade noch gewartet hat und die Pessimisten, die sagen die Welt braucht Leute die sie zugrunde richten. Unsere emanzipierten Frauen und demanzipierten Männer. Die die sich schon immer haben durchmogeln können und die, die immer wieder bis zum Umfallen arbeiten. Die Träumer wie die Realisten, die politisch Engagierten - links wie rechts - und die, die ihren Intellekt nicht mit solchen profanen Themen belasten.
Für alle diese so verschiedenen, sehr individuellen Typen die wir sind, fängt jetzt etwas neues an - ob wir wollen oder nicht - und wir alle freuen uns schon drauf...
Nein, halt, einige haben einfach nur ziemliche Angst. Und ein paar anderen ist es scheißegal.
Und übermorgen gehe ich auf die Abschlussfeier meines Sohnes.
Ein italienischer Stummfilm über Dantes Inferno von 1911 hat fährt fast alles an Tricktechnik auf, was danach für gute 70 Jahre Standard ist: Doppelbelichtungen, unsichtbare Kabel, Geschwindigkeitsmanipulationen, Puppen und Modelle, Mattetricks... alles damals schon dabei gewesen.
Aber auch sonst ist das ganz beeindruckend. Klar, sieht zwischendrin ein wenig amateurhaft aus, aber früher war es auch noch so, dass die Zuschauer gewohnt waren, ihren teil zur Illusion beizutragen und ihre Phantasie mit einzubringen.
Hier jedenfalls ist der erste Teil. Stellt allerdings lieber den Ton ab, die Musik, die da drunterliegt ist ziemlich schräg:
Hier gehts weiter zu Teil 2, von da aus einfach bis Teil sieben weiterschauen...
‘There’s no making her do anything. Not her. She’s Mary Poppins.’
‘But you’re God,’ said Jane. ‘You created everybody and everything. They have to do what you say.’
‘Not her,’ said God the Father once again, and he scratched his golden beard flecked with white. ‘I didn’t create her. She’s Mary Poppins.’
— The Problem of Susan, Neil Gaiman
(Illustration aus The Widow’s Broom von Chris van Allsburg)
Irgendwie ist ja meistens was zu tun und meine Zeit ist daher normalerweise immer mit irgendwas ausgefüllt:
Da sind die großen, zeitaufwändigen Aufgaben wie den Job machen, für den man sein Geld bekommt. Schauen, dass es den Kindern gut geht... überhaupt schauen, dass es allen gut geht und alle bekommen was sie brauchen. In den Spalten und Ritzen zwischen den großen Dinge verstecken sich die viele kleine Dinge wie: irgendwelche Rechnungen zahlen, die Wohnung einigermaßen sauber halten, duschen, essen, Wäsche waschen, einkaufen.
Dann sind die schönen Sachen. Gespräche mit den Lieben, gerne auch mal stundenlang per Skype, nicht so gerne per Chat weil das viel zu schnell Missverständnisse gibt, am liebsten Auge in Auge, am allerliebsten aneinander angelehnt. Oder Unternehmungen wie vielleicht eine der seltenen Partys auf die ich gehe, so wie die gestern Nacht oder Besuch bekommen oder jemanden besuchen fahren. Und viele kleine Dinge wie in der U-Bahn zur Arbeit eine schöne SMS bekommen und schreiben, was leckeres kochen, das Bett verwüsten.
Und dann kommt so ein Tag wie heute, an dem die großen Aufgaben nicht sofort anstehen und die kleinen Dinge auch mal warten können. An dem niemand bei mir vorbeikommt weil auch mal alle anderen was zu tun haben. Tage, an denen man ausruhen könnte und halt herumgammeln. Ein Buch oder einen Comic lesen vom ungelesenen Stapel, einfach nur Musik hören - wozu hat man eine ordentliche Anlage? Im Internet rumklickern. Ein Computerspiel weiterspielen, zu dem ich ja auch viel zu selten komme. Mich ans Klavier setzen ...
Ich fang auch manchmal an, klimpere auf dem Klavier rum, stelle Musik an, schaue ne Folge Big Bang Theory, aber anstatt mich dabei zu entspannen werde ich dabei ganz schnell unruhig. Muss ich vielleicht doch noch was wichtiges tun? Müsste ich die Zeit nicht nutzen um mal wieder was kreatives zu machen? Ein Bild malen, ein Musikstück aufnehmen oder ein Video schneiden? Ich hab doch so selten mal die Gelegenheit und wenn mal Zeit ist tue ich nichts davon. Klar, ich weiß ja auch warum nicht. Ich bin zu K.O. dazu, eigentlich ist tatsächlich jetzt ausruhen und entspannen dran. Vorher geht eh nichts. Oder wäre erzwungen und würde doch wieder Arbeit sein und kein Spaß. Dennoch wächst an solchen Tagen das schlechte Gewissen statt die Erholung. Und dann der Ärger darüber, völlig unnötig ein schlechtes Gewissen zu bekommen, weil ich das hochgradig unfair finde. Ich würde gerne einfach besser herumgammeln können.
Zunächst mal ein erleichtertes "Heidernei" in seine Richtung, denn Stefan Kaufmann (CDU-MdB für Stuttgart Süd) ist gerade eben mit einem historischen Rosinenbomber abgestürzt und es ist anscheinend glücklicherweise niemandem was passiert.
Und ich weiß das nicht etwa aus den Nachrichten, sondern weil er es selbst live twitterte:
Update (15:50h): Die Berliner Morgenpost hat inzwischen nen Bericht, weiss aber noch nicht, dass der Grund das ausgefallene Triebwerk war noch dass ein Abgeordneter im Flugzeug sass.
Hat etwas gedauert, aber jetzt ist auch der Feed umgestellt. Durch die nette Hilfestellung von @michael_timm gings ratzfatz.
Verleger - also Leute, die von Musikern oder Autoren Lieder und Texte zu einem günstigen Preis einkaufen, dann die Kopien der Musik oder der Texte zu einem höheren Preis verkaufen und dadurch Geld verdienen - haben ein Problem: Das was sie tun kann inzwischen jeder.
Verleger haben sich schon immer gegen alle Möglichkeiten gewehrt, die es normalen Menschen erlaubt, Musik und Texte zu vervielfältigen. Fotokopierer sind ihnen schon immer zuwider gewesen, Tonbandcassetten waren ebenfalls schon in den Siebzigern der Untergang des Abendlandes. Man versuchte immer schon, den Vorgang "kopieren" zu kriminalisieren und spricht seit jeher von "fehlendem Unrechtsbewusstsein". Man verteidigt in Wahrheit aber nur das Monopol auf eine Technik, die nur Gewinn bringt, so lange sie nicht allen zur Verfügung steht.
Der Kampf gegen die Technik ist inzwischen so ziemlich verloren, aber man hat doch noch ziemlich lange dafür sorgen können, die Entwicklung hinzuziehen. Das war nicht etwa Kurzsichtigkeit, wie es der Musikindustrie im letzten Jahrzehnt gerne mal vorgeworfen wurde: Ich habe vor Jahren schon gesagt, dass für die Musikindustrie die CD so irrsinnig rentabel ist, dass für sie jedes Jahr, das die CD durch das Ausbremsen und Verzögern des Aufbaus legaler digitaler Vertriebswege überlebt, Gold wert ist (Was inzwischen auch nicht mehr nur eine Behauptung ist). Außerdem hat man die Zeit genutzt, statt der Beschränkung des Zugriffs auf Vervielfältigungstechniken Gesetze durchzudrücken, die die Nutzung der Inhalte beschränken: Man erhält schon lange keine Schallplatte mehr, mit der man tun kann was man will sondern lediglich diverse Erlaubnisse, sich Musik unter ganz bestimmten Vorraussetzungen anzuhören. Und jede Menge Verbote dazu. Interessanterweise nennt man das "Urheberrechte", was eigentlich eine Anmaßung ist, denn Verlage sind ja nicht die Urheber der Musik, sondern waren immer nur ein Kopienvertrieb und sind jetzt Lizenzverkäufer.
Etwas weniger kontrovers wurde über die Buch- und Zeitungsverlage diskutiert, die jedoch dieselben Probleme und auch dieselben Wege einschlugen. Kopierer in Bibliotheken wurden schon früher ebenso verteufelt wie heute Google für die Digitalisierung von Büchern. Auch hier wird absichtlich kriminalisiert, ich erinnere mich an Razzien auf Flohmärkten Anfang der Achtziger, bei denen man nach "Raubkopien" (von dort kenne ich diesen Begriff nämlich eigentlich) von Büchern suchte.
Aber Bücher waren nie so stark gefährdet, auf Bildschirmen lesen war lange Zeit unbequem und wenn man unterwegs ist ist die digitale Kopie im Gegensatz zu mp3-Dateien auf winzigen Playern besser als das Original, denn ein simples Buch ist eben immer noch robuster und viel leichter zu handhaben als irgendein Lesegerät, auch wenn sich das gerade zu ändern scheint. Außerdem hat man nicht das Problem, sich über den Tisch gezogen zu fühlen wie bei einer CD, da man die Kosten für ein Buch normalerweise schon noch ganz ok findet. Man zahlt für 40 Minuten lesen ja nunmal keine 15 Euro, um das mal direkt zu vergleichen.
Der Krieg, den die Verleger führen, ist daher weniger einer gegen die Konsumenten die beginnen, Kopiertechniken zu nutzen, so wie ihn die Musikindustrie führt, sondern der gegen diejenigen, die Veröffentlichungstechniken nutzen. Wie zum Beispiel Suchmaschinen, freie Journalisten und Autoren, Blogger und so weiter. Leute eben, die ihre Arbeit nicht durch Verlage verbreiten lassen und diesen so die Gelegenheit geben, mit dem Vertrieb ihrer Texte Geld zu verdienen, sondern ihr Zeug einfach selbst verbreiten. Eventuell auch noch ohne überhaupt Geld dafür zu verlangen. Das ist für Verleger natürlich doppelt ärgerlich: Erstens weil sie sich natürlich ausrechnen können, wie viel Kohle sie eigentlich hätten verdienen können, würden all diese Texte und Inhalte dem alten Verlagsverfahren unterworfen sein und zweitens weil die Konsumenten natürlich nicht bei Verlagen für Inhalte zahlen, die sie woanders kostenlos bekommen. Letzteres ist allerdings ein selbstgemachtes Problem, denn gerade im Journalismus ist der Qualitätsabbau so weit fortgeschritten, dass man jenseits der Presse immer häufiger die besseren Informationen findet (Aber das ist ein anderes Thema, das jetzt hier nicht ausführen möchte).
Was tun also die Verleger, um freie Publikation einzuschränken? Dasselbe wie die Musikverlage: Sie versuchen, zu kriminalisieren, was zuvor nicht kriminell war. Sie versuchen, möglichst viele Rechte für sich in Gesetze zu drücken. Aktuell ist es da das "Leistungsschutzrecht", durch das sie versuchen, neue Zäune an Stellen errichten, wo momentan das Recht noch auf der Seite der Konsumenten oder Autoren ist. Der aktuell geleakte Forderungskatalog ist ein Paradebeispiel für Maximalforderungen einer Lobby. Ich greife nur mal einen sehr weitreichenden Punkt heraus:
Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sollten nicht nur Teile des Presseerzeugnisses wie einzelne Beiträge, Vorspänne, Bilder und Grafiken geschützt werden. Schutzwürdig sind beispielsweise auch Überschriften, Sätze, Satzteile etc., soweit sie einer systematischen Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe in Verbindung mit dem Titel des Presseerzeugnisses dienen.
Was man auch unverquast kürzer ausdrücken kann: Wir wollen das Zitatrecht abschaffen. Niemand soll mehr zitieren dürfen, selbst wenn er die Quelle des Zitats angibt (Lustigerweise ist die Formulierung vor lauter Verschlüsselung dieser Forderung so missglückt, dass man nach dieser Lesart weniger falsch macht, wenn man bei Zitaten die Quellenangabe weglässt).
Es lohn sich, das gesamte Dokument durchzulesen. Natürlich muss man immer im Hinterkopf behalten, dass es sich hier um den feuchten Wunschtraum einer einzigen Lobby handelt, man den Ball einfach sehr weit ins Feld wirft, um so viel Verhandlungsmasse zu haben wie möglich. Dennoch zeigt es, wo man in Zukunft hinsehen muss, worauf man sich einstellen muss, wogegen es Argumente und besser noch gute Alternativen zu entwickeln gilt. Das passiert ja auch schon. Es ist ja nicht so, dass es nur diese eine Lobby gibt, auch Autoren, Vertreter von alternativen Lizenzmodellen wie Creative Commons und Verfechter von freiem Informationszugang sind immer besser organisiert. Man muss also gerade nicht allzu sehr erschrecken, sondern es ist erst mal gut, dass man jetzt eine Blaupause der Pläne des Gegners in der Hand hat.
"Be kinder than necessary, for everyone you meet is fighting some kind of battle."
Nachdem ich vorgestern so angegrätzt war und mir den Ärger auch mit den entsprechend scharfen Worten von der Backe geschrieben habe, überlegte ich, warum ich eigentlich wirklich so sauer gewesen bin.
Ich kam auf folgendes: bin ein großer Fan des Internet. Ich habe so viele wunderbare Menschen kennengelernt. In Foren, übers Bloggen und auch schon per Twitter. Ich möchte diese böse, hämische, destruktive, mobbende Seite des Internet am liebsten nicht sehen, in der Menschen gehänselt und runtergemacht werden weil irgendwelchen Trollen grade langweilig ist oder die glauben, sich auf Kosten anderer profilieren zu können. Ich mag die Seite des Internet, in der man gutwillig ist. In der man auf Fehler aufmerksam gemacht wird und Hilfe bekommt, um besser werden zu können. Die Seite, die Solidarität mit denen zeigt, die sie nötig haben, weil sie sonst unter die Räder kommen. Die spontane, kreative Seite. Die mitfühlende Seite.
Und dann sitze ich plötzlich mitten in diesem Internet, das eine Sportreporterin wegen eines garantiert harmlos gemeinten (und fehlinterpretierten) Zitates am liebsten am nächsten Baum aufgehängt hätte. Das doofe, trollige, spiessige Internet schwappte mitten in mein schönes, gutes, kluges Internet hinein. Sogar das böse, verschlagene, verlogene Internet begegnete mir: Das nämlich, in dem Menschen Aufwand und Kreativität dafür aufwenden, z.B. eine Wikipediaseite zu faken, nur um die schon längst widerlegten Argumentation doch noch irgendwie zu stützen statt einen Irrtum zuzugeben.
Aber das war gestern.
Inzwischen habe ich den Boden wieder freigewischt und die Wolken die mein Internet so sehr verdunkelten lösen sich auf oder ziehen erstmal weiter (ich nehme an, sie hängen noch ne Weile bei Stefan Niggemeier rum). Ich vermeide es, auf Links zum Thema zu klicken. Ich weiss, dass die "Journalisten" sich auf die Geschichte stürzten - muss ja vermeintlich kaum Arbeit in Recherche gesteckt werden. Ich lese daher für ein paar Tage nur sehr vorsichtig Nachrichten, vorzugsweise auf englischen Newsseiten. Ich muss nicht nachsehen, was geschrieben wird um es zu wissen. Ich will, dass es wieder nett ist. Ich will, dass ich wieder nett bin.
Heute war/ist - außerhalb des kleinen, deutschen Internets - der Cheer Up Keanu Day. Eine dieser seltsamen kreativen, einfach nur netten Aktionen, für die ich das Internet doch wieder sofort gern habe und die "normale" Menschen gerne mal bestenfalls naiv finden oder einfach gleich überhaupt nicht verstehen. Ich erkläre das auch gar nicht erst sondern denke, wen es interessiert, der kann ja gerne selbst ein wenig recherchieren (ich kann zur Hilfe aber gern einen Startpunkt vorschlagen).
Wie ist das? Wie wollen wir denn behandelt werden von anderen? Nicht nur im Internet sondern überhaupt? Wie wollen wir mit anderen umgehen? Ich für meinen Teil möchte nicht ständig Rants schreiben; ich will nicht Schadenfroh sein, meinen Vorteil ausnutzen, mein Ego auf Kosten anderer polieren. Zynisch sein ist so einfach. Und - ich hab schon mal darüber geschrieben - abgebrüht sein ist nichts anderes als Feigheit.
Ich möchte schöne Dinge erleben, gute Menschen kennenlernen, auf jeden Acht geben, freundlich und offen sein, davon ausgehen, dass jeder Mensch genug Schweres mit sich herumträgt. Ich möchte mitfühlen und trösten und mich über wirkliche Ungerechtigkeiten empören. Ich möchte für meine Freunde und Liebsten da sein und gebe mir viel Mühe, jemand zu sein, mit dem man schöne Dinge machen und erleben und auf dessen Hilfe man sich verlassen kann. Ich möchte Fehler verzeihen und wenn sie nicht der Rede wert sind auch ignorieren. Ich schaffe all das oft genug nur halb oder gar nicht. Aber wenn ich es schaffe, dann geht es mir gut. Und wenn ich es schaffe, dass es auch anderen gut geht, dann geht es mir wunderbar.
Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich nicht gerne wunderbar fühlen würden. Vielleicht wissen sie nur gar nicht, dass das wirklich geht.