Zuerst mal Maike und Nilz beim Tankurs. Wer grad nix wirklich wichtiges zu lesen hat kann alles stehen und liegenlassen und sich das hier reinziehen. Ich hab gelacht:
Und dann kommt’s: Partnertausch! Damit wir uns kennenlernen und vor allem auch wissen, wie es ist, mit anderen zu tanzen. Als ob das hier irgendjemanden interessierte!! Alle gucken sich peinlich berührt um. Der misanthrope Anteil in mir reagiert mit Panik und schon beginnt Coco Jambo!. Tiefer können wir heute nicht mehr sinken, denke ich ahnungslos.
Frau Modeste schreibt über Bürgerlichkeit und warum die CDU genau das nicht ist:
So viele Museen, Kulturvereine, Opernhäuser und Konzertsäle wie hier gibt es in der Welt selten. Die meisten beruhen auf dem guten Geschmack und der Großzügigkeit von Bürgern.
Die CDU aber steht der Moderne und ihren Freiheiten meistens eher ablehnend gegenüber. Letztlich habe ich Interview mit dem Innenminister gelesen, in der dieser eine patriotische Bratkartoffelidylle hat hochleben lassen, die lustig wäre, wäre der Mann nicht Minister. (...)
Einen Link auf englisch hab ich auch noch. Auf Techdirt erschien einer der besseren Antworten auf einen der diese eG8-Veranstaltung, auf der diverse Staatschefs ihre Kolonialherren-Gene wiederentdeckten, begleitenden Anti-Internet-Elegien: Can We Kill Off This Myth That The Internet Is A Wild West That Needs To Be Tamed?. Wer keine Lust auf Haarspaltereien hat braucht aber nur den letzten Absatz lesen:
(...) The internet isn't some wild west that needs taming. It's a new and different system that is sometimes used for bad purposes, but much more frequently used for very, very good purposes. And, because so many people have natural incentives to minimize the bad, they tend to take care of themselves naturally, by those who actually understand the system, and not by those who seek to implement laws and controls that don't fit the system.
(Mal schauen, ob ich dazu komme, mal meinen Artikel fertigzuschreiben, desen Kernaussage ich in diesem Tweet schon ein wenig vorweggenommen habe. Nur so viel: Wenn die G8-Staaten ihre Vorstellung zur Internet-Regulierung so umsetzen wie die CO2-Reduzierung mach ich mir ums Internet gar keine Sorgen.)
... und zum Schluss noch etwas Innenpolidings: Die Anti-Terror-Lüge von Richard Gutjahr ist ein gelungener Rundumschlag über das ganze Thema "Sicherheitsgesetzgebung". Alles was man wissen sollte aktuell und kompakt zusammengefasst. Da kann man aber nichts rauszitieren, sondern den sollte man unbedingt ganz lesen.
Ich habe das Gefühl, in den letzen zwei Wochen ununterbrochen geredet zu haben. Das meiste davon beruflich, ich habe schon lange nicht mehr ein so hohes Pensum an Workshops, Meetings und Abstimmungen über eine so lange Zeit absolviert und so wie es momentan aussieht wird das auch noch eine Weile weitergehen.
Zusätzlich bin ich auch sonst viel in Sachen Kommunikation unterwegs. Die letzten beiden Tage zum Beispiel auf der IA-Konferenz in München. Bei diesen Gelegenheiten habe ich mit jeder Menge Leuten über jede Menge Themen geredet, die mir normalerweise so wichtig sind, dass ich darüber schreiben würde. Darüber geredet zu haben scheint aber den Effekt zu haben, mich genügend geäußert zu haben und die Lust, das Thema nun auch noch mal sauber niederzuschreiben geht gegen Null bzw. schlimmer: Ich rolle innerlich mit den Augen bei dem Gedanken, dasselbe nun noch mal von vorne durchdenken zu müssen, nur um es aufzuschreiben.
Das ist jetzt nichts so neues, glaube ich: Jedes mal, wenn ich viel unterwegs bin und so eigentlich viel mehr passiert - sowohl tatsächlich als auch in meinem Kopf, der sich mit all diesen Dingen auseinandersetzt - schreibe ich davon wenig bis gar nichts auf. Ich hab nachgesehen, das Archiv ist ja groß genug - das erste Beispiel ist schon meine Reaktion zum 11. September hier im Blog: nämlich so gut wie gar keine. Das kommt immer erst einige Tage oder gar Wochen später, wenn die Diskussionen in meinem direkten Umfeld - also die, in denen ich selbst viel rede und höre - weniger werden und ich wieder eine Zeit lang die Klappe gehalten habe.
Momentan passiert jedenfalls eine ganze Menge. Und darum ist es hier so ruhig. Aber es entwickeln sich gerade auch einige interessante Themen und spannende Denkansätze, die sich sicherlich über die nächsten Wochen und Monate auch hier wiederfinden werden - nur: Inspiriert werden und reflektieren geht bei mir nicht gleichzeitig.
Unsere Plauderei über das ständige Ende der Welt im Internet gibts jetzt auch zum nachschauen:
Ich merke mir:
1. Langsamer reden geht.
2. Bei gefilmt werden nächstes Mal auf die linke Seite setzen (oder vorher zum Frisör).
3. Auch wenns doof aussieht: Das Mikro in den Hals stecken, dann hört man auch was (siehe/höre Bov).
Im Nordschwarzwald, dort wo meine Eltern hinziehen werden, gibt es dieses aufgegebene Hotel:
Ich konnte leider nur kurz mal ein paar Fotos von draußen mit der Handykamera machen. Ich hoffe aber, dass ich noch die Gelegenheit bekomme, mir das Haus mal genauer anzuschauen. Am liebsten würde ich das ja als "Geisterhaus"-Hotel umbauen, das Ding hat so ein tolles Amityville- oder Jason-Bates-Villa-Flair.
Update: Es ist inzwischen abgerissen worden. Deutsche Gründlichkeit.
Was für ein Monat. Ich hab das Gefühl, fünf Wochen Ausnahmezustand hinter mir zu haben.
Der Winter war - wie immer - zäh und träge. Da mit mir irgendwas sinnvolles zu unternehmen ist schwierig bis unmöglich, mir ist diese Zeit einfach zu kalt und zu dunkel und einfach schon die normalen Sachen zu erledigen strengt unendlich an. Normalerweise kommt der Frühling dann auch langsam in Fahrt, was dieses Jahr aber irgendwie anders war. Das war mehr so der "Schalter umgelegt"-Stil, also von null auf hundert in einer halben Sekunde. Oder gleich zweihundert.
Ich schreib ja nicht mehr so viel privates hier rein, aber im April hab ich - bis auf die re:publica-Artikel, für die ich mir aber wirklich unter größten Schwierigkeiten die Zeit herausgeschlagen habe - ja fast gar nichts mehr hier rein geschrieben. Klar, ich schreib nicht gar nichts ins Internet, denn auch bei mir haben sich die flüchtigeren Inhalte, die bis vor sagen wir mal zwei drei Jahren auch immer im Blog gelandet sind, nach Twitter und Facebook verschoben. Aber ich habe zwischedurch immer wieder gedacht "Hätte ich jetzt grade mal wenigstens eine Stunde Zeit am Stück, könnte ich darüber schreiben". Zum Beispiel bei Themen wie Japan oder Syrien, die mich natürlich bewegen und beschäftigen und in Zeiten normaler Geschwindigkeit sicher hier aufgetaucht wären - geht es mir doch hier auch darum, für mich selbst festzuhalten, was mich zu bestimmten Zeitpunkten beschäftigt hat.
Ging aber nicht. Ich hab unter anderem ne Fortbildung gemacht, war auf der re:publica, hab einen Job, in dem es im April total abging, ein Vereinstreffen und ein Stück Privatleben sollte auch noch drin sein - wobei ich da dann im Zweifelsfall auch nicht bei der Zeit für die Kids streiche sondern an meiner Erholung - die war dementsprechend bei fast Null. Und so ist dann dann eben: Es gibt wohl diese Zeiten, in denen so viel gleichzeitig passiert und deswegen keine Gelegenheit mehr übrig ist, was drüber zu erzählen. Heute ist tatsächlich mein erster Tag, an dem ich absolut nichts zu tun habe, den ich auf der Terrasse und in der Strandbar vergammeln werde und an dem ich auch mal wieder ein Buch in die Hand nehme. Mal schauen, ob das geht.
Vor einer guten Weile hatte ich ja schon auf das großartige tumblr-Blog ifwedontrememberme hingewiesen, das Filmstills als GIF "reanimiert" (oder so). Vor allem die hohe Qualität der Animationen ist atemberaubend.
Nun stolperte ich über ein weiteres tumblr-Blog, das so ähnlich funktioniert, nur dass hier meistens eigentlich recht typische und auf dem ersten Blick arg generische Modefotos durch die Animation als GIF plötzlich ganz interessant und frisch wirken. Es heißt "From Me To You", ist einen Besuch mehr als Wert auch wenn ich hoffe, dass die beiden Initiatoren ihre Idee noch etwas weiter treiben und mit der Zeit auch die Motive interessanter werden.
Der Donnerstag begann für mich mit ein wenig Verspätung, da ich schlecht geschlafen habe (Lampenfieber). Ich wollte mich daher eigentlich zunächst noch ein wenig im Friedrichstadtpalast ausruhen und hörte mir dazu den Vortrag "The Internet of Elsewhere" von Cyrus Farivar an. Zu Beginn sah es auch so aus, als ob das klappt, aber Farivar drehte nach einer eher gemächlichen Einleitung, in der er erläuterte, dass der Stellenwert und der Umgang mit dem Internet in anderen Ländern ja schon sehr unterschiedlich sei und er sich das dadurch erklärt, dass die Einführung des Internets in diesen Ländern eben auch völlig unterschiedlich ablief, total auf. Er referierte die Zuschauer gnadenlos durch einen massiven Faktensturm der Internet-Geschichte verschiedener Länder und deren Schlüsselpersonen, so dass am Ende niemand mehr eine Frage stellen konnte - ich nehme an, es ging allen wie mir: Ich habe ich fünfundvierzig Minuten derart viel neues Wissen um die Ohren geschlagen bekommen, das musste erstmal verdaut werden.
Dann waren wir dran: Wir mussten unseren Ansatz ziemlich umstellen, denn nachdem wir im letzten Jahr ja in einem der kleineren Räume mit einer sehr familiären Atmosphäre ganz nah am Publikum herumlungerten und ohne dokumentiert zu werden recht frei sprechen - oder auch lästern - konnten, fanden wir uns im diesjährigen Programm plötzlich im großen Saal wieder: Das bedeutete Bühne, Beleuchtung, Mikrophone und eben auch aufgezeichnet zu werden. Zusätzlich ist der große Saal für die Vortragenden recht undankbar zu überblicken weil wahnsinnig breit bestuhlt und zusätzlich schwer im Griff zu behalten, da man durch eine offene Seite ständig rein- und rauslaufen kann. Mir haben die Vortragenden dort letztes Jahr deswegen schon Leid getan, nun hatten also wir das Problem auch.
Aber wir hatten ja zum Glück Bov als Moderator und der kannte sich aus mit Bühnensituationen und wie man damit umgeht - er entwarf für unseren knapp dreistündigen Vorbereitungskauderwelsch, den wir am Vorabend erstmalig voreinander ausbreiteten um zu schauen, was wir denn überhaupt an Inhalt gesammelt haben, einen roten Faden und sorgte dann auch sehr galant ("Das willst Du uns jetzt aber nicht erzählen. Das ist doch ne Geschichte aus dem vorletzten Krieg!") dafür, dass wir ihn auch einhielten.
Da wir nun viel "präsenter" waren als gedacht konnten wir aus unserer kilometerlangen Beispielliste nicht mehr wirklich viele bringen (ohne lästern zu dürfen hätten die auch eh nicht so viel Spaß gemacht) und mussten dafür versuchen, den Teil des Konzeptes etwas in den Vordergrund zu bringen, den wir als "call vor sanity" angekündigt haben. Jetzt sind Aussagen wie "In Wirklichkeit ist alles gar nicht so schlimm" und ähnlich vernünftiges Zeug sicher nicht so aufregend, aber genau darum gings ja auch: Wenn sich immer gleich alles nach Weltuntergang anhört, guckt am Ende keiner mehr hin, wenns wirklich mal nötig wäre, laut Alarm zu schreien. Und wir fanden, es sei inzwischen echt mal genug damit, immer gleich das Ende des Internets auszurufen, nur weil - zum Beispiel - mal Blogger in einem Werbespot auftauchen oder so.
Mein persönliches Highlight der Session war ein schöner Vergleich von Konstantin. Als ich gefordert hatte, den geänderten Umständen gerecht zu werden und es nicht mehr notwendig ist, ständig herumzukrakeelen, wenn inzwischen doch (immer) besser funktionierende Kanäle in Medien, Politik und sonstige gesellschaftsrelevante Gremien gibt die unsere Themen auch so hören und sehen können meinte er: Wir laufen ja auch irgendwann Gefahr, so nervig zu sein wie Guido Westerwelle, der uns allen auf den Senkel geht weil er nicht erkannt hat, dass sich seine Situation - er wurde inzwischen ja mal in die Regierung gewählt - grundlegend geändert hat. Er krakeelt aber irritierenderweise immer noch so schrecklich laut und empört herum als wähne er sich noch immer in der Opposition. Wir sollten nicht den selben Fehler machen, da die Gefahr steigt, dass irgendwann statt des gewollten Streisandeffekt nur noch ein Westerwelleeffekt eintreten könnte.
Etwas ärgerlich war dann am Ende, dass wir am Ende zu wenig Zeit mit dem Publikum gehabt hatten; der Dialog ging nämlich eigentlich gerade ganz gut los, als wir sehr abrupt und plötzlich unterbrochen wurden und das Panel ganz schnell beenden mussten - das war verwirrend, denn wir hätten nach unserer Uhr eigentlich noch genügend Zeit gehabt und nach uns kam wegen der der Mittagspause auch niemand, der gewartet hätte. So hat Bov schnell grade noch abmoderieren können und schwupp, war's auch schon vorbei.
Mir bleibt nur, mich bei Caro, Maike, Konstantin und Bov ganz ganz herzlich dafür zu bedanken, mitgemacht zu haben. Ich bin überzeugt davon, dass es wichtig ist, hin und wieder eben nicht Feuerwerke abzubrennen sondern einfach mal drauf hinzuweisen, dass es uns eigentlich gut geht, wir schon sehr weit gekommen sind und dass es sich lohnt, mit Vernunft und Ruhe die Dinge anzugehen, die wir wichtig finden ohne den Spaß zu vergessen oder gleich die Welt untergehen zu sehen wenn mal wieder ein Hirni ne Abmahnung schickt oder einer der vielen anderen Menschen um uns herum mal was nicht so tut, wie wir es für richtig halten. Das ist weder sexy noch aufregend (und wohl der Grund dafür, dass ich fast nirgends etwas über das Panel lese). Aber es ist wahr.
Nachtrag: "wer hätte das alles gedacht, als wir damit anfingen?" - Genau <3
Mittwoch: Das Wetter saugt und die re:publica fängt für mich unglaublich lahm mit einem langweiligen, sehr generischen Vortrag darüber an, wie toll eine Ideenagentur ihre Idee findet, eine Ideenplattform ins Web zu setzen und dazu aufzurufen, da doch mitzumachen, weil da mitzumachen ja irgendwie für alle super wäre. Man bekommt auch Punkte dafür. Für die Punkte bekommt man freilich nichts. Und zwischendurch fällt das Consuting-Buzzword von letztem Jahr für "es war schon wichtig, wenn man viele Leute - vor allem die, die irgendwas später auch benutzen sollen - in die Entwicklung von neuen Sachen integrieren würde" (Design Thinking). Meine Lösung für solche reinen Luftverbrauchsnummern ist aber generell pragmatisch: Einfach schnell vergessen, das Ganze.
Der nächste Vortrag - und übrigens möchte ich hier mal meine Feststellung unterbringen, dass es vor allem die Sessions der vielen weiblichen Speaker waren, die dieses Jahr für mich die hohe Qualität des Programms entscheidend ausgemacht haben - war dann zum Glück gleich ein erstes Highlight und ich war wirklich erleichtert darüber. Gabriella Coleman erklärte uns Anonymous. Sehr präzise, sehr fundiert, sehr unterhaltsam - wobei mich Wissensvermittlung generell ja sehr unterhält. Es gibt wenig inspirierenderes als neues Wissen zu erfahren. Schade, dass sich so viele Menschen dagegen wehren und lieber das hören, was sie eh schon wissen.
Der nächste Vortrag, der mir gut gefallen hat war wenig überraschend auch wieder von einer Frau: Jillian C. York referierte über die Tücken von Policies von großen Community-Sites wie Facebook und Flickr. Das tat sie sehr spannend und trotz aller Ernsthaftigkeit mit viel Charme, auch wenn die Auflösung schon in den ersten 10 Minuten gespoilert wurde, denn sie verriet, dass die Menschen eben schnell vergessen, dass es sich bei Facebook und Co nicht um öffentliche Plätze oder Gemeingüter handelt sondern um kommerzielle Webseiten: Der Vergleich z.B. mit Facebook als Internet-Land mit Usern als Bürger hinke daher. Man könnte besser sagen, es ist ein Einkaufszentrum mit Konsumenten - inklusive Hausordnung und eigener Security, die gerne auch mal aus willkürlicher Auslegung jener Hausordnung Leute rausschmeißt. Dennoch: Der Einblick in die Tücken dieser Konstellation und wie man in schwierigen Fällen wie z.B. der Löschung des Accounts eines chinesischen Dissidenten, der auf die Öffentlichkeit angewiesen ist, versucht, zu helfen, war enorm interessant und die Notwendigkeit für unabhängige, dezentrale, nicht kommerzielle Angebote wurde einem gut vor Augen geführt.
Aber eigentlich will ich gar nicht so viel über die Sessions erzählen. Viele davon sind ja aufgezeichnet worden und werden entweder offiziell (die aus dem Friedrichsstadtpalast und dem großen Saal der Kalkscheune) oder als Bootleg in den nächsten Tagen ins Netz plätschern.
Neben der im letzten Jahr begonnenen und in diesem Jahr erfolgreich wiederholten Strategie, Sessions zu besuchen, deren Speaker ich noch nie gehört habe und unter deren Themen ich mir wenig vorstellen konnte, war ich ja vor allem wegen des großen Klassentreffens in Berlin. Wie jedes Jahr stellte ich fest, wie sehr ich das auch brauchte. Ich muss sehen, dass die Leute, mit denen ich mich seit 10 Jahren irgendwie verbunden fühle alle noch da sind und dass es ihnen gut geht. Ich bin sicherlich nicht der herzlichste Mensch der Welt und da ich immer befürchte, anderen schnell auf den Keks zu gehen entsteht vielleicht auch mal der Eindruck, ich interessiere mich gar nicht so sehr für die Leute (was zusätzlich gerne von meinem schlechten Gesichtergedächtnis befeuert wird, weshalb ich z.B. Nuf - eine meiner langjährigen Lieblingsbloggerinnen, die mit Felix zusammen jeden Lakonik-Wettbewerb gewinnen würde - auch direkt zwei Tage hintereinander neu kennenlernte - sorry nochmal, das ist mir echt immer noch peinlich). Aber das Gegenteil ist wahr: Ich lief am Ende drei Tage lang auf dieser Veranstaltung herum und bin ständig unglaublich gerührt, mit so vielen Menschen zusammen zu sein, die mir seit vielen Jahren lieb und teuer sind.
Aber es ist natürlich auch schön zu sehen, dass da immer mehr neue, tolle Menschen dazu kommen. Es ist klasse, wie breit, vielschichtig, divers, heterogen und pluralistisch diese "Szene" inzwischen ist. Es ist zum allergrößten Teil sehr ok, wie viel und wie heftig über wichtige Themen gestritten und diskutiert wird, für die es keine einfache oder eindeutige Lösung gibt. Es ist schließlich auch ok, dass wir überhaupt noch nicht alles im Griff haben, so dass Sascha Lobo uns beschimpfen musste, weil immer noch nur er angerufen wird, wenn mal was übers Netz erklärt werden soll - allerdings hab ich selbst auch dieses Jahr wieder lieber mein PAL-Feld eingeschaltet, sobald ein Mikrofon oder ne Kamera zu Nahe kam.
Jetzt hab ich aber den Faden verloren. Wo ich hin wollte: Ich habe mit so vielen Menschen nicht reden können, weil einfach keine Gelegenheit war. Ich habe mich riesig gefreut, hin und wieder mal etwas aus dem Gewusel zu kommen, um mit Frau Kaltmamsell gemütlich zu Frühstücken, mit sehr netten neuen Bekanntschaften Mittag oder in einer etwas seltsamen Speed-Dating-Atmosphäre mit Caro, Maike, Don, Britt und Nuf Abend zu essen. Es war vor allem ab Freitag Nachmittag mit Felix Vortrag im inversen Lobo-Stil, dem Geplauder der Bloggerveteranen Jörg, Anke, Felix und Don bis hin zu Johnnys wunderbaren und erfreulich langen Abspannvortrags und Maikes Wodka, den wir auch wirklich alle bekamen genau das Klassentreffen, auf das ich mich ein Jahr lang gefreut habe und ich gehöre zu denen, die lauthals mit einer wehmütigen Träne im Auge die Bohemian Rhapsody mitsingen weil es vorbei ist und es sich vier Minuten lang anfühlt, als liegen wir uns alle in den Armen. Danke dafür.
Ach so, was andere Reaktionen angeht: Bis jetzt lese ich re:publica-Bashing genau bei den Leuten, wo ich es schade gefunden hätten, wenns ihnen gefallen hätte. Ich hoffe, dass die die re:publica auch weiterhin so Scheiße finden, dass sie nie mehr hinkommen. Doofe Chauvis, SEO-Spacken und narzisstische Trottel, die sich zu wenig beachtet fühlen brauch ich nicht um mich, da hab ich durchaus auch hohe Ansprüche an die Qualität der Gäste.
Die Welt berichtete heute, dass die bayerische Justiz nachzuweisen versuche, dass an strafrechtlichen Ermittlungen gegen Guttenberg kein öffentliches Interesse bestehe:
Die Plagiatsaffäre um Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wird nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ möglicherweise keine strafrechtlichen Folgen haben. Die bayerische Justiz suche derzeit nach Präzedenzfällen, in denen Ermittlungen wegen Urheberrechtsverstößen mangels öffentlichen Interesses eingestellt wurden (...)
Mal abgesehen davon, dass man dafür, kein öffentliches Interesse zu finden schon sehr viel ignorieren muss, nachdem ja die Bild-Zeitung Wochen lang meinte, der massiven öffentlichen Demontage eines Blenders eine ebenso massive Pro-Guttenberg-Kampagne entgegensetzen zu müssen, weiter abgesehen davon, dass es eine öffentliche Demonstration gegen ihn gab und er zu guter letzt selbst ebenso öffentlich irgendwelche Erklärungen abgegeben hat möchte ich zur Sicherheit hiermit nochmal persönlich mein Interesse bekunden:
Ich will das aufgeklärt wissen. Dieser Typ hat einige Jahre von unseren Steuergeldern gelebt, ist durch die Welt geflogen und hat in alle möglichen Kameras jede Menge ärgerlichen Unsinn hineingeredet. Er hat die Öffentlichkeit immer gerne für seine Zwecke genutzt, also hat die Öffentlichkeit jetzt auch ein Recht, zu erfahren, ob seine Dissertation nun wie von ihm zunächst behauptet nur ein paar vergessene Fußnoten enthält sondern eben ein absichtlicher, eindeutiger Betrug, wie es das Ergebnis der Untersuchungen im Internet und der Uni Bayreuth behaupten.
Ansonsten kann die Bayerische Staatsanwaltschaft gerne mal nachschauen, wie groß das öffentliche Interesse allein auf Twitter ist.
Ach ja, und weil ich in den Kommentaren von Spiegel, Welt und Co ständig lese, dass ja für Prozesse gegen Raubkopierer mangelndes öffentliches Interesse angemeldet würde und man sich ja damit widerspräche: Der Vergleich hinkt schon darin, dass ja niemand, der sich irgendwo Musik herunterläd diese unter dem eigenen Namen wiederveröffentlicht. Es geht ja nicht um die Kopie, sondern um Guttenbergs Behauptung, er habe das Kopierte selbst geschrieben.
Update: Das öffentliche Interesse sieht nach 12 Stunden übrigens schon so aus: