Kommunikation kann davon profitieren, wenn man die Prozesse der Informationsvermittlung richtig (aus)nutzt. Daher kann es gefährlich werden, wenn Medienprozesse sich nicht verändern. Die AfD und andere Populisten sind super darin, das Medienverhalten zu analysieren, die Schwachstellen zu finden und dann dazu zu nutzen, ihre Inhalte so darin unterzubringen, dass sie nahezu ungefiltert ans Publikum weitergereicht werden.
Wir können mit den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus derzeit beobachten, was passiert, wenn so eine etablierte Kommunikationsschleife durchbrochen wird und Populisten ihre Deutungshoheit und Initiative verlieren.
Wie die AfD es schaffte, über Jahre ihre Narrative in die Medien zu puschen und warum Kommunikationsmenschen seit Jahren ungehört erklären, warum es wichtig ist, dass sich Medien hier anders verhalten, erklärt der Soziologe Nils C. Kumkar mit drei Punkten.
1. Die AfD hat es geschafft, sich als das grundlegende "Nein zur Politik" zu etablieren.
2. Die AfD spricht Menschen mit Abstiegsängsten an.
3. Sie erreicht die 20% der Bevölkerung, die einfach generell fremdenfeindlich sind.
Dazu meine Anmerkungen:
zu 1. Die wichtigste Grundregel des Populismus ist die 100% Ablehnung von einfach allem. Egal, zu was man gefragt wird, es ist Mist und man ist dagegen. Deswegen ist es auch egal, ob man Gegenargumente hat, wenn man mit ihnen spricht und eigentlich ist die richtige Reaktion auf Leute, die grundsätzlich alles ablehnen, sie stehen zu lassen und die Dinge zu tun, die man tun möchte. Man kann niemanden "mitnehmen", der nicht mitgenommen werden will und das einzige, das man schafft, wenn man es versucht, ist ihnen ein Machtgefühl zu geben, das aber fest an ihre Ablehnung geknüpft ist. D.h, sie werden die Ablehnung verstärken, um ihre gefühlte Macht zu behalten.
zu 2. Angst erzeugen ist einfacher als Angst nehmen. Daher wird die AfD hier immer einen Vorsprung haben, sobald man sie sprechen lässt. Es ist auch egal, ob diese Ängstszenarien völlig übertrieben oder sogar komplett irreal sind, wie die von millionenfachen Impfschäden, dass Ausländer die Bevölkerung austauschen oder dass es zu Stromblackouts kommt, wenn wir keine Atomkraft mehr nutzen.
Gegen diese Szenarien zu argumentieren hält sie länger am Leben als sie mit "Das ist halt Quatsch und über solchen ausgedachten Blödsinn rede ich nicht mit dir, das kannste mit deinen Verschwörungsmärchenfreaks diskutieren" abzuschmettern.
zu 3. Da sagt Kumkar bereits das Richtige: Diese Leute werden dann aktiviert, wenn ALLE über das Thema sprechen, nicht nur die, die ohnehin fremdenfeindlich sind.
Denn wenn ein Thema als politisches "Problem" hochgejazzt wird (obwohl es in Deutschland gar keine nennenswert hohen Einwanderungszahlen gibt und das somit gar kein reales Problem ist), braucht sich die AfD ja nur hinstellen und sagen: "Nur wenn ihr uns wählt, bekommt ihr wirklich, was ihr wollt", weil sie sich gar nicht die Mühe machen müssen, Einwanderung als Problem zu framen - das machen die anderen ja bereits.
Mit anderen Worten: Alle drei Punkte zeigen, was Medien und Politik seit mindestens 2015 falsch machen und was Soziolog*innen und Kommunikationsleute schon immer bemängeln: Man spricht nicht mit Extremisten, sondern über sie - nur so behält man die Deutungshoheit.
Und wie Kumkar sagt: „Sobald die Debatte nicht mehr um ihre Themen kreist, hat die AfD Schwierigkeiten.“