Mal wieder ein bisschen Kommunikationsanalyse, denn da steckt noch so viel unterschwellige und unfreiwillig verräterische Kommunikation in dieser Stellungnahme, die bemerkenswert ist. Nicht nur das, was @Anwalt_Jun heraushebt:
1. "in Medien (wird) über den Fall Bahar Aslan berichtet"
Hier von einem "Fall" zu schreiben suggeriert, dass es nicht etwa um einen Konflikt geht, sondern dass bereits vorausgesetzt ist, dass ein Fehlverhalten ihrerseits vorliegt und es lediglich um die Reaktion darauf geht.
2. was @Anwalt_Jun bereits schrieb. Dazu die Anmerkung, dass auch das nicht mit "wir wir meinen" oder "aus unserer Sicht" eingeleitet wird. Man begründet die Entscheidung nicht mit der eigenen Wahrnehmung sondern als Reaktion auf einen Fakt, um sich aus der Diskussion zu ziehen.
3. Der dritte Absatz ist etwas amüsant, denn scheinbar sieht man sich ja doch in einem Rechtfertigungszwang (was nie gut ist - es zeigt mindestens, dass man sich doch nicht so sicher ist. Wären die Fakten so klar wie zunächst suggeriert, bräuchte man das nämlich gar nicht).
Dann passiert einem sowas wie die Formulierung "eine differenzierte, vorurteilsfreie Sichtweise auf Demokratie, Toleranz und Neutralität" die ungefähr das Gegenteil dessen sagt, was man wahrscheinlich glaubte, zu sagen. Demokratie, Toleranz und Neutralität sind nämlich Werte.
Und Werte sind keine Sichtweise sondern eindeutig. Was eine Sichtweise wäre ist, ob man diese Werte leben und vermitteln will oder nicht. D.h. eine "differenzierte vorurteilsfreie Sichtweise" auf diese Werte inkludiert und validiert aktiv diejenigen, die sie ablehnen. Das ist 100% nicht, was man sagen wollte, aber so funktionieren wir Menschen, wenn wir unter Rechtfertigungsdruck kommunizieren: Wir schreiben eine unvoluntary confession, denn unbewusst wollen wir eigentlich die Wahrheit sagen.
4. Es gab eine Entscheidung, aber es erfolgen noch Gespräche. Was jetzt: Ist die Entscheidung jetzt getroffen oder doch noch nicht? Diesem Absatz fehlt die Info, worüber eigentlich gesprochen wird. Meiner Ansicht nach ist der Absatz nur dafür eingefügt, um Nachfragen mit "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns nicht weiter äußern, so lange noch Gespräche geführt werden " beantworten zu können in der Hoffnung, dass sich das mediale Interesse über die Zeit legen wird.
5. Der Disclaimer-Absatz: "Wir sind so und so, also können wir ja gar nicht die uns angelasteten Fehler machen." Was natürlich nicht stimmt - man kann immer Fehler machen, egal wie gut die Intentions sind.
Aber was viel interessanter ist: auch hier hat das schlechte Gewissen zugeschlagen und ein "wir sehen uns selbst als" verwandelt die als starker, eindeutiger Fakt gedachte Aussage zu einer schwachen Meinung mit der Energie einer nicht mal sonderlich aktiven Willensbekundung.
Und warum fällt es niemandem auf, bevor sowas rausgeschickt wird? Das verrät der passive Schreibstil, der die Positionirung als eine höhere, neutrale Instanz vermitteln soll. Beispiel warum ihr Name komplett ausgeschrieben wird. Die HSPV NRW dagegen bleibt komplett Personenfrei (der Präsident, das Präsidium). Der einzige vollständige Name im Text ist der von Frau Aslan. Das heißt: Auf Seite der HSPV stehen hierarchisch höhergestellte Würdenträger, auf Seite von Frau Aslan nur sie selbst als einzelne Person. Ihre niedrigere Stufe in der Hierarchie wird zwar auch noch genannt (Lehrbeauftragte), aber nicht mal die hat sie mehr, weil sie in der Vergangenheitsform formuliert ist: Hier spricht eine mächtige Maschine über ein unbedeutendes Rädchen.
Das ist der ganz typische Schreibstil von geschlossenen Systemen und das erklärt auch den Inhalt, denn die setzen - wenn man es nicht bewusst anders macht - immer auf containment und deflection. Was immer dazu führt, dass die Person, die auf Missstände hinweist, als größerer Störfaktor wahrgenommen und behandelt wird, als der Missstand selbst. Der Kurzschluss, der dahinter steckt ist, dass man meint, sowas gehöre "intern gelöst". Der Fehler der Person ist, "nach draußen gegangen" zu sein und somit das "Vertrauen" gebrochen zu haben. Vertrauensbruch ist aber in einem geschlossenen System das größtmögliche Vergehen, selbst wenn das nirgends steht oder bewusst so formuliert ist. Es ist systeminhärent. Deswegen merkt man es auch nicht, wenn man systemkonform reagiert. Wir kennen das alle aus Schulen, Kirche, Vereinen usw.
Wenn ich fragen würde "Warst Du in der Schule mal Opfer von Bullies?", sagt die Mehrheit "Ja, klar." Und wenn ich frage "Was ist passiert, wenn Du Dich darüber beschwert hast?" wette ich alles drauf, dass die häufigste Antwort ist "Ich habe noch mehr Ärger bekommen."
Kommunikationsprozesse von geschlossenen Systemen sind gut untersucht und dieser folgt 100% dem klassischen Ablauf. Ich würde annehmen, niemand, der sich ein bisschen damit auskennt, wundert sich darüber auch nur ein bisschen - außer vielleicht, dass das immer noch so allgegenwärtig ist.