Ich mach ja manchmal Experimente mit diesem Internet. Die klappen oft auch mal nicht, weil niemand drauf anspringt. Wir wissen ja aber inzwischen, dass ein großer Anteil dafür, ob im Netz eine Welle (nein, ich schreibe jetzt absichtlich nicht "Buzz") entsteht oder nur ein laues Kräuseln ergibt, reiner Zufall ist: moot hat das auf der re:publica ja schon mal ganz gut erklärt. Dementsprechend ist es das Beste, nichts wirklich zu erwarten, wenn einem irgendein Quatsch einfällt sondern ihn einfach zu machen und mit dem Strom zu schwimmen den er erzeugt (was im Zweifel eben eine sehr kurze Reise sein kann).
So geschah es denn am Montag mittag, dass ich über eine Facebookeinladung zu einer CDU-Veranstaltung in Berlin stolperte und bemerkte, dass diese komplett offen gehalten war: Jeder konnte auf die Wall schreiben, jeder konnte zusagen und nachdem ich einfach mal mein Kommen angekündigt hatte, um zu sehen ob auch der Button "Freunde einladen" auftaucht, geschah auch dies.
Also lud ich einfach alle meine Freunde ein und schrieb auf die Wall sowas wie "Super! Hoffentlich gibt's genug Bier!", um mindestens einen Hinweis darauf zu hinterlassen, dass der Ersteller dieser Seite genau den selben Bedienungsfehler gemacht hat, der hin und wieder mal zu dem Schabernack führt, der in den Medien und bei Politikern unter "Facebookparty" kursiert. Die Maximalerwartung war, dass es möglichst viele Zusagen und lustige Trollereien auf der Wall gibt.
Am Dienstag dann fanden wir noch viel mehr solcher Seiten und innerhalb von 30 Minuten hatten wir gute fünf neue Einladungswellen gestartet. Eine davon mit einer Veranstaltung bei mir um die Ecke in Bergisch-Gladbach schob ich auf Twitter an, was diesen Effekt hatte. Da ich den ganzen Tag arbeitete bemerkte ich das erst nach Feierabend zu Hause. Auch dass es plötzlich Medienberichte gab, die auf Grund des Tweets entstanden waren habe ich erst spät gemerkt.
Interessant wurde es dann gestern mit dem Anruf von SAT1, die anscheinend ebenfalls die Bergisch-Gladbach Einladung zum Anlass nahmen, einen Bericht für die 17:30-Sendung zu machen. Ich sagte natürlich einem Interview zu, da ich dann schon etwas strategischer denken konnte: Entweder die machen daraus eine reißerische Story über den Versuch, CDU-Veranstaltungen zu partycrashen oder sie wollten einfach darüber berichten, dass ein paar Facebookuser die CDU gerade ein wenig auf Facebook durch den Kakao ziehen. Lasst mich kurz überlegen, was mediengerechter wäre PARTYCRASHEN!
Also tat ich im Interview das, was ich am liebsten tue: Erklären was hier eigentlich grade wirklich passiert ohne dass es am Ende jemanden interessieren wird.
- Ich erklärte, was Trollen ist.
- Und dass das Internet eine eigene Form der Ironie hervorgebracht hat deren Haupteigenschaft es ist, dass sie von Nicht-Internetnutzern oft nicht wahrgenommen und für bare Münze genommen wird was allerdings gewünscht ist und einen weiteren Ironielevel drauf setzt.
- Und dass das dann die besonders hohe Kunst des Trollens ist.
- Und, dass wir die CDU trollen, weil sie's ganz besonders gut nicht blicken.
- Ich erklärte, dass wir hier nicht zu "Facebookpartys" aufrufen und ungefähr zehn mal sagte ich, dass kein Mensch auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wirklich zu einer der Veranstaltungen hinzugehen.
- Ich erklärte, dass "Facebookpartys verbieten" natürlich völlig dummes Zeug ist, weil "Partys crashen" existiert, seit es Partys gibt und dass das jetzt auch mal über Facebook passiert ist lediglich zeigt, dass die Leute eben inzwischen auch über Facebook kommunizieren.
- Ich erklärte auf die mehrfach gestellte Frage, was ich denn denken würde, wenn jetzt tatsächlich eine Veranstaltung gestürmt würde, dass das ja nicht passieren wird - aber im rein hypothetischen Fall dass doch, habe ich dafür ja nichts gemacht (wie der Satz weitergeht kann man im Bericht sehen).
- Ich erklärte auch, dass wenn wirklich total viele Leute da hin gehen würden, dann nicht, weil sie die Einladung in Facebook falsch verstanden haben sondern weil sie die Medienberichte darüber gesehen haben und auf Medienpräsenz hoffen.
- Ich erklärte, dass das Verbot von Facebookpartys ja bedeuten würde, dass jemand absichtlich 7000 Leute zu seiner Party einladen würde, was aber ja gar nicht der Fall ist, sondern das einfach nur auf Grund dessen passiert, dass diese Person Facebook falsch verwendet (auch dieser Satz ist im Bericht).
Letztlich hatten die Reporter also alle Informationen, um daraus entweder ein interessantes Infostück über Netzkultur oder einen launigen Reißer zu machen. Und da ich ein guter Troll sein kann überließ ich es ihnen, daraus zu machen was sie wollten - ich hoffte darauf, dass sie der Versuchung nicht widerstehen konnten, mitzutrollen. Und so wurde dann das hier gesendet:
Was mich interessieren würde: Der interviewte "Experte" hat ja offensichtlich wenig Infos darüber erhalten, worüber er da eigentlich befragt wurde und sieht im Kontext freilich nach allem anderen aus wie ein Experte. Wie denkt der eigentlich jetzt, wie er rüberkommt?
Auch lustig: Auf die Frage was ich beruflich mache antwortete ich wahrheitsgemäß "Internet-Berater". Und ich war sehr erfreut über die Inszenierung der beiden Telepolis-Bücher.
Update: Der Tagesspiegel berichtet nun auch schon zum zweiten Mal nachdem er letzte Woche schon mal darüber berichtete, weil Nico einen Screenshot der Einladungsseite gepostet hatte (und in dessen voriger Version deswegen eine lustige Verschwörungstheorie geäußert wurde, dass die SPD hinter der Einladungswelle stünde. Auf Nicos Screenshot ist allerdings die Wall zum Event schon abgeschaltet, so dass das zeitlich gar nicht hinkommen kann) - und schade, dass die sich mit dem Internet noch nicht so gut auskennen, ein direct link zu diesem Artikel ist eigentlich gar nicht so schwer.
Update 2: Die Hamburger Morgenpost versucht sich ebenfalls darin, den Buzz anzuheizen. Und legt nochmal fett nach:
In ähnlicher Richtung versucht es der Express. Mich würde ja echt interessieren, inwieweit den Blättern hier eigentlich klar ist, dass sie nur laue Luft herumfächeln.
Update 3: Auch die Financial Times Deutschland berichtet und versucht auf Grund der Beteiligung von DIE PARTEI-Mitgliedern, den Namen Martin Sonneborn mit ins Spiel zu bringen. Der natürlich eher weniger damit zu tun hat, es sei denn man würde Frau Merkel in derselben Konsequenz als diejenige bezeichnen, die zu den CDU-Veranstaltungen eingeladen hat, die hier getrollt werden. Der Stern tut das ähnlich, aber zumindest etwas geschickter.
Update 4: Je länger das ganze geht, desto weniger haben die Berichte noch mit einer irgendwie erkennbaren Realität zu tun. Die taz kommt nämlich jetzt auch mit einem Artikel um die Ecke und hier wirkt inzwischen eine Art Stille Post: Jedenfalls lassen sie die Brücke über DIE PARTEI gleich ganz weg und behaupten
(...) Martin Sonneborn, Satiriker und Gründer von "Die Partei", kopierte nach einer Sperrung der Dietzenbacher CDU-Einladung die nötigen Informationen auf seine Seite. (...)
... und verlinkt unter "seine Seite" auf Facebook. Damit haben sich bislang bisher wirklich ausnahmslos (zwischenupdate: Spiegel Online berichtet etwas differenzierter) alle Medien für die wilde Story von den angeblichen Massen, die CDU-Veranstaltungen crashen wollen entschieden, anstatt korrekt über die Mechanismen einer Internet-Meme bzw. eine ironische Trollattacke zu berichten.
Auch von der schon erwähnten Morgenpost gibt es einen neuen Artikel. Die haben sich inzwischen komplett vom Journalismus verabschiedet und versuchen sich ziemlich offen direkt als Anheizer. Sie haben vier Wochen Zeit, die CDU-Party in Hasloh zu terrorisieren und scheinen fest entschlossen, diese Zeit zu nutzen um dort ihren eigenen Krawall herbeizuberichten.
Letztes Update: Nachdem DIE PARTEI das Thema inzwischen auch offiziell aufgenommen hat und weiterverfolgt denke ich, es ist jetzt in guten Händen und ich beende die Updates.